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12.05.23
10:58 Uhr
SPD

Niclas Dürbrook zu TOP 37: Sekundenkleber ist kein überzeugendes Argument

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 12. Mai 2023
Niclas Dürbrook: Sekundenkleber ist kein überzeugendes Argument TOP 37: Zahlungspflicht bei Polizeieinsätzen (Drs. 20/959)
„Ein halbes Dutzend Fälle von Straßenblockaden durch Festkleben gab es in Schleswig- Holstein in den letzten Monaten. In jedem davon hat die Landespolizei schnell, umsichtig und professionell reagiert. In einem Fall in Flensburg waren die Beamtinnen und Beamten sogar buchstäblich schneller als der Sekundenkleber und konnten eine geplante Aktion kurzfristig verhindern. Für alle diese Einsätze mein herzlicher Dank!
Auch wenn es bei uns bislang vergleichsweise wenige Blockaden waren, ist jede von ihnen ärgerlich. Wer nach Hause zur Familie möchte, auf dem Weg zur Arbeit ist, oder einen wirklich dringenden Termin hat, der bringt für die Aktionen extrem wenig Verständnis auf. Ganz zu schweigen von Situationen, die wirklich gefährlich werden können, weil zum Beispiel Rettungskräfte nicht durchkommen. Das alles gibt es bei anderen Staus natürlich auch. Aber die werden eben nicht absichtlich herbeigeführt und da kann man und sollte auch wenigstens eine Rettungsgasse bilden.
Heiligt der Zweck denn nicht die Mittel? Die Klimakrise ist eine existenzielle Bedrohung. Wir wissen, dass unsere Welt sich schon jetzt verändert. Und wir ahnen zumindest wie dramatisch die Lage wird, wenn wir das 1,5-Grad oder sogar das 2-Grad-Ziel verfehlen.
Und trotzdem darf das keine Legitimation für jede selbstgewählte Form von Protest sein, mit der Regeln überschritten werden, die wir uns gemeinsam gegeben haben. Und es ist erkennbar ein Regelverstoß, wenn man sich auf die Fahrbahn klebt, um den Verkehr lahmzulegen.
Jetzt geht es darum, ob Demonstrant*innen, die das Demonstrationsrecht durch Grenzüberschreitungen missbrauchen, mit den entstehenden Kosten belegt werden. Das fordert die FDP. Und auch drei Tage vor der Kommunalwahl ist das eine Forderung, die Differenzierung verdient:


1 1. Das Verwaltungskostenrecht ist kein Sanktionsrecht. Wir drücken Menschen nicht aus dem Grund Verwaltungskosten auf, weil wir sie bestrafen wollen, sondern nur für tatsächlichen Mehraufwand der Vollzugskräfte. Und wir sollten damit auch jetzt nicht anfangen, weil uns eine bestimmte Protestform besonders nervt. Für Sanktionierungen gibt es das Strafrecht. 2. Unabhängig davon gibt in Schleswig-Holstein die Vollzugs- und Vollstreckungskostenverordnung einen Gebührensatz für den amtlichen Gewahrsam vor (63 € pro Mitarbeiter und Stunde). Ob das Wegtragen eine Gewahrsamsname sein sollte, bleibt zumindest strittig. Die Landespolizei hat es offenbar bislang nicht so gehalten. Ich bin sicher, dass es dafür vernünftige Gründe gibt. 3. Gegen die Blockierer wird auch in Schleswig-Holstein wegen des Verdachts der Nötigung ermittelt. Ob die Blockaden tatsächlich Nötigung sind, wird bislang von Gerichten in anderen Bundesländern ehrlicherweise sehr unterschiedlich beantwortet. Von Haftstrafen ohne Bewährung bis zu eingestellten Verfahren war alles dabei.
Ich finde es gut, wenn wir den FDP-Antrag heute überweisen. Die grundsätzliche Forderung darin für ist uns eine Selbstverständlichkeit. Wer das Demonstrationsrecht missbraucht und dadurch Kosten verursacht, der soll diese Kosten tragen – wenn es möglich und üblich ist. Nicht als Strafe. Sondern schlichtweg, weil nicht einzusehen ist, warum stattdessen die Allgemeinheit diese Kosten tragen sollte.
Aber: Sonderbehandlungen für die „letzte Generation“ sollte es nicht geben, weder in die eine noch in die andere Richtung. Wenn die Polizei bislang keinen Gewahrsam angewandt hat, dann sollte sich es auch in der Zukunft nicht tun – erst recht nicht, um 63 Euro eintreiben zu können. Aber im der Ersatzvornahme wird die Kostenübernahme allerspätestens dann relevant, wenn zum Beispiel Schäden an der Fahrbahn entstehen, die repariert werden müssen. Kein ganz unwahrscheinliches Szenario.
Zum Abschluss: Wirksamer Klimaschutz ist eine enorme Herausforderung, wenn er der Größe des Problems gerecht werden soll. Unsere Gesellschaft steht vor einem Umbau, der ein enormes Konfliktpotential birgt. Wenn man das trotzdem zum Erfolg bringen will, braucht es breite gesellschaftliche Mehrheiten. Mein persönlicher Eindruck: Die Blockade-Aktionen der „letzten Generation“ rütteln nicht auf. Sie überzeugen auch niemanden, der nicht schon überzeugt ist. Aber sie tragen ihren Teil dazu bei, dass die Gesellschaft auseinander geht. Machen im Zweifel sogar Akzeptanz für Klimaschutz kaputt.



2 Ich glaube, dass wir in wenigen Jahren rückblickend für jeden froh sein werden, der sich heute für Klimaschutz engagiert und geholfen hat aufzurütteln. Aber dafür gibt es weit bessere Mittel als Sekundenkleber. Und weit bessere Orte als den Asphalt.“



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