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16.06.23
12:52 Uhr
SSW

Lars Harms: Der Knast ist voller Leute, die ihre Geldstrafe nicht zahlen können!

Presseinformation Kiel, den 16.06.2023


Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms TOP 13 Stärkere Einbindung der Gerichtshilfe und freier Träger bei
Ersatzfreiheitsstrafen
Drs. 20/946

„Ersatzfreiheitsstrafen treffen in erster Linie Menschen mit geringen
Einkommen.“

Das Strafgesetzbuch sieht bei vielen Delikten die Geldstrafe als eine mögliche Sanktion vor. Dabei ist sie im Gegensatz zu einer Haftstrafe eigentlich das mildere Mittel.
Diese Geldstrafen können aber zu Ersatzfreiheitsstrafen werden. Sie kennen das Konzept: Geldstrafen werden in Tagessätzen ausgesprochen, wobei sich die Höhe der Tagessätze in der Regel am Nettoeinkommen des Täters oder der Täterin orientiert. So setzen
sich die Geldstrafen sehr unterschiedlich zusammen. Ihnen gemein ist, was passiert, wenn die Geldstrafe nicht gezahlt wird: pro nicht gezahltem Tagessatz wird ersatzweise ein Tag Gefängnis verhängt. 30 Tagessätze Geldstrafe werden zu 30 Tagen Gefängnis. Je nach Schwere der Schuld
beträgt die Spanne allerdings 5 bis 360 Tagessätze. Deutschlandweit sitzen mittlerweile etwa zehn Prozent aller Häftlinge ein, weil sie ihre verhängte Geldstrafe nicht bezahlt haben.
Nun bewegt sich ja gerade im Bund etwas; die Ampelkoalition hat im März einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem das Sanktionsrecht des Strafgesetzbuchs reformiert werden soll. Auch die



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Ersatzfreiheitsstrafe wird hier bedacht: künftig soll es für zwei Tage Geldstrafe nur noch einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe geben. Von daher bietet es sich an, auch im Land nochmal darauf zu schauen, was vielleicht verändert
werden sollte. Ich finde das vor allem für Menschen mit geringen Einkommen wichtig. Denn Ersatzfreiheitsstrafen treffen nun mal in erster Linie Menschen mit geringen Einkommen.
Wenn ich an Situationen denke, wo das Geld ohnehin schon knapp ist, dann aber auch noch eine Geldstrafe ansteht, dann muss ich gar nicht viel Fantasie aufbringen, um mir die Negativspirale vorzustellen.
Viele Menschen sind nicht in der Lage, überhaupt ihre Schulden zu überblicken. Und Zahlungsunfähigkeit kann mannigfaltige Gründe haben. Unter anderem Suchterkrankungen gehören häufig dazu.
Gegebenenfalls sind die Betroffenen überhaupt erst in diese Situation gekommen, weil sie Zahlungen nicht nachgekommen sind oder aus wirtschaftlicher Not heraus andere Straftaten begangen haben. Dann steht eine Geldstrafe in Aussicht, die ersten Zahlungsaufforderungen,
Mahnungen trudeln ein. Briefe lassen sich aber leider nur allzu gut in Schubladen stapeln und verdrängen. Und wer besonders gut verdrängt oder sich einfach nicht anders zu helfen weiß, sieht sich dann einer
Ersatzfreiheitsstrafe gegenüber. Soll Armut ins Gefängnis führen? Eine Kleine Anfrage von Thomas Rother aus dem Jahr 2021 enthält einen Satz, den man erstmal
verdauen muss: „41 Prozent der Gefangenen, die aktuell in Schleswig-Holstein eine EFS verbüßen, haben zu Beginn der Inhaftierung angegeben, ohne festen Wohnsitz zu sein.“ Gefängnisaufenthalte haben nicht nur teils schwere Folgen für die betroffenen Personen selbst,
sondern auch für ihr direktes Umfeld, ihre Familien. Die Menschen werden aus ihrem Alltag herausgerissen. Kinder können nicht betreut und Angehörige nicht gepflegt werden, der Freundeskreis wendet sich möglicherweise ab. Und gegebenenfalls brechen sogar Jobs weg.
Man muss sich auch einmal vorstellen, dass solche Menschen dann möglicherweise im Gefängnis auf Menschen mit wirklich krimineller Energie stoßen, Gewaltverbrecher und organisierte Kriminalität. 3

Wir als SSW unterstützen es daher sehr, dass mit dem vorliegenden Antrag im Sinne einer aufsuchenden Arbeit die rechtliche Grundlage für Datenübermittlungsverfahren an Gerichtshilfe oder geeignete freie Träger geschaffen wird.
Auch eine verpflichtende Einschaltung der Gerichtshilfe oder geeigneter freier Träger findet unsere Zustimmung. So können Menschen, denen eine Ersatzfreiheitsstrafe droht, eine Hilfestellung bekommen, bevor es so richtig schief geht.
Ganz abgesehen davon macht es aus unserer Sicht auch rein ökonomisch Sinn, hier andere Lösungen zu finden, denn seien wir mal ehrlich: Menschen im Gefängnis unterzubringen, kostet den Staat viel Geld.
Ein Tag im Gefängnis kostet mittlerweile pro Person fast 240 Euro. Die Kosten der Inhaftierung sind so oft höher als der ursprünglich einmal verursachte Schaden. Die aufsuchende Arbeit durch die Sozialarbeit ist also sowohl finanziell, als auch was die
betroffenen Menschen selbst angeht, die bessere Lösung. Wir als SSW unterstützen daher jedes weitere milde Mittel, um die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe zu vermeiden.

Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/