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21.09.23
16:05 Uhr
B 90/Grüne

Jasper Balke zum Drug-Checking

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin TOP 17 – Modellvorhaben zu Drug-Checking Claudia Jacob in Schleswig-Holstein starten Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt der gesundheitspolitische Sprecher der 24105 Kiel Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 Jasper Balke: presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 271.23 / 21.09.2023



Wir geben das Go für eine moderne, progressive Drogenpolitik
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen,
auch wenn es der ein oder andere vielleicht nicht wahrhaben möchte: Menschen in Deutschland konsumieren Drogen.
Und ganz egal ob jetzt mehr in Bayern, Schleswig-Holstein oder einem anderen Bundes- land, seit Urzeiten ist Drogenkonsum gesellschaftliche Realität und die Bundesrepublik Deutschland ist im Drogenkonsum teilweise sogar ganz weit vorne.
Deutschland steht im internationalen Vergleich beim Pro-Kopf-Konsum von beispiels- weise reinem Alkohol auf Platz 5. Laut Bundesgesundheitsministerium konsumieren ganze 7,9 Millionen Menschen in Deutschland Alkohol in einer gesundheitlich riskanten Form. Analysen der Weltgesundheitsorganisation gehen in Deutschland von über 70.000 direkt im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum stehenden Todesfällen pro Jahr aus.
Das Bundesgesundheitsministerium moniert daher zurecht die gesellschaftlich weit ver- breitete, unkritische, positive Einstellung gegenüber Alkohol. Der volkswirtschaftliche, ge- sellschaftliche Schaden als Folge dieser Einstellung beläuft sich dabei auf weit über 50 Milliarden Euro jährlich.
Doch der Drogenkonsum in Deutschland ist fluide und so lassen sich über die letzten Jahrzehnte einige Trends entdecken. So sinken erfreulicherweise seit knapp 40 Jahren
Seite 1 von 3 die Zahlen beim Alkoholkonsum leicht. Ebenso erfreulich ist, dass die Zahl der Tabak- konsumierenden bei den Jugendlichen in den letzten Jahren gesunken ist, dennoch ist laut WHO in Deutschland mit über 120.000 tabakassoziierten Todesfällen jährlich zu rechnen.
Hingegen erkennen wir seit einigen Jahrzehnten steigende Zahlen bei den sogenannten illegalen Drogen. Aktuell werden solche illegalen Drogen von knapp 4,9 Millionen Erwach- senen konsumiert.
Cannabinoide sind dabei die am häufigsten illegal konsumierte Droge, gefolgt von Am- phetaminen und den sogenannten „Neuen psychoaktiven Substanzen“, die viele unter- schiedliche Wirkstoffklassen zusammenfassen. Im Jahr 2021 kam es in Deutschland zu knapp 2000 Todesfällen, die in Verbindung mit dem Konsum illegaler Substanzen ge- bracht wurden.
Ob jetzt 2000 Todesfälle, 120.000 oder 70.000, ich finde, wir haben als Gesellschaft und Politik gemeinsam die Aufgabe und auch die Verantwortung, solche Zahlen nicht einfach zu tolerieren und hinzunehmen, sondern durch Prävention, gesundheitliche Aufklärung und Gesundheitsschutz alles dafür zu tun, dass diese Zahlen so schnell wie möglich sin- ken.
Und genau an dieser Stelle setzt das Instrument des Drug-Checkings an. Beim Drug- Checking geht es um die Überprüfung oder die Analyse von illegalen Substanzen, was erhebliche Vorteile mit sich bringt. Zum einen für die konsumierende Person selbst, denn anders als beim Alkohol oder Tabak ist bei den illegalen Substanzen die genaue Dosis nicht immer bekannt oder die Quelle sonderlich vertrauensvoll. Die Analyse nach Selbst- testung schützt also vor gefährlichen Beimischungen, Überdosierungen oder unbekann- ten Substanzen. Zum anderen kann es staatlichen Behörden Erkenntnisse über die ille- gale Drogenszene und -situation in Schleswig-Holstein bieten.
Doch primär geht es eigentlich um etwas anderes: Nämlich um die Zeit. Genauer die Wartezeit zwischen Beginn der Testung und endgültigem Probenergebnis. Denn diese Zeit wird dafür genutzt, eben genau die Menschen, die ansonsten meist keine Zugänge zum Gesundheitssystem oder Angst vor Stigmatisierung haben, endlich zu erreichen. Diese erhalten dann eine verbindliche Beratung inklusive Aufklärung über beispielsweise gefährlichen Mischkonsum oder die Gelegenheit, über sich und ihre Probleme mit ge- schultem Personal zu sprechen.
Das Party- und Präventionsprojekt aus Kiel, Odyssee, bei dem ein erstes Modell dieses Drug-Checkings durchgeführt werden soll, überzeugt schon seit mehreren Jahren durch seine gute Arbeit und ist deshalb in der Konsum- und Festivalszene in Schleswig-Holstein sehr bekannt und genießt Vertrauen.
Die Beteiligten dort sind schon seit Längerem bereit und wollen Drug-Checking gerne im Rahmen ihres bisherigen Angebots in ganz Schleswig-Holstein anbieten. Dies wollen wir als Land gerne weiter unterstützen und nutzen hier die Möglichkeit, in einem ersten Schritt dieses Modell bei den bereits bestehenden Strukturen bei Odyssee direkt anzu- docken.
Diesen Prozess wollen wir wissenschaftlich begleiten, um fundierte Erkenntnisse und eine Auswertung zu erhalten, weil es uns nämlich wichtig ist, nicht einfach hier und da das ein oder andere Projekt einfach mal auszuprobieren, sondern um am Ende auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse konkret über die Verstetigung, Vervielfältigung oder
2 eben auch die Beendigung eines Projektes zu sprechen.
Ich freue mich sehr, dass wir heute das politische Go für das Drug-Checking im Sinne einer modernen und progressiven Drogenpolitik geben. Es geht nämlich nicht darum, sich lediglich hinzustellen und zu sagen: „Ich will keine Drogen in Bayern oder sonst wo“, denn das hilft weder den Betroffenen, noch führt es dazu, dass diese Vertrauen in öffentliche Strukturen und Hilfsangebote finden, sondern es macht sie und ihre Probleme schlicht unsichtbar.
Und genau deshalb sind solche drogenpolitischen Maßnahmen wie das Drug-Checking, das den Menschen konkret in ihrer Situation unter die Arme greift und sie nicht einfach kriminalisiert oder in die Ecke stellt, genau der richtige Weg.
Ich bedanke mich sehr herzlich für die Aufmerksamkeit!
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