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18.10.23
12:14 Uhr
Landtag

Beauftragter für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen mahnt anlässlich des Europäischen Tages gegen Menschenhandel noch mehr Anstrengungen beim Opferschutz an.

Nr.8 / 18. Oktober 2023

Beauftragter für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen mahnt anlässlich des Europäischen Tages gegen Menschenhandel noch mehr Anstrengungen beim Opferschutz an.

Im Hinblick auf den Europäischen Tag gegen Menschenhandel am 18. Oktober appelliert Stefan Schmidt, der schleswig-holsteinische Beauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen, die Opfer und Betroffenen von Menschenhandel mehr in den Blick zunehmen. Schmidt hat Hochachtung vor der fordernden und anstrengenden Arbeit der Fachberatungsstellen im Land und bedankt sich für deren wichtige Arbeit.
Menschenhandel ist ein internationales Problem, welches auch in Schleswig-Holstein präsent ist. Die Dunkelziffer der Betroffenen ist weiterhin hoch. Hinter jedem Fall steckt ein individuelles Schicksal und Leben. Jeder Fall ist einer zu viel.
Die Formen des Menschen- und Frauenhandels in Schleswig-Holstein sind vielfältig. Contra, Fachstelle gegen Frauenhandel in Schleswig-Holstein, zählt Zwangsprostitution, Zwangsarbeit und Arbeitsausbeutung zu den häufigsten Formen. Opfer von Frauenhandel sind zusätzlich häufig physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt ausgesetzt. „Zahlreiche vom Menschenhandel betroffene Frauen werden zur Prostitution gezwungen. Zudem spielt Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung von Jahr zu Jahr eine größere Rolle im Beratungsalltag unserer Fachstelle. Hin- und wieder haben wir mit erzwungenen rechtswidrigen Handlungen oder erzwungener Betteltätigkeit zu tun“ heißt es aus der Fachstelle. Contra ist in Trägerschaft der Nordkirche und gehört zu deren Frauenwerk im Hauptbereich Generationen und Geschlechter.
Die Gründe dafür, warum Menschen zu Opfern von Menschenhandel werden, sind mannigfaltig Geflüchtete und Migrant*innen in prekären Lebenssituationen sind häufig besonders vulnerabel dafür, Opfer von Menschenhandel zu werden. Contra weist darauf hin, dass ein Großteil ihrer Klientinnen keine deutschen Staatsbürgerinnen sind. So suchten in den vergangenen zwei Jahren beispielsweise vermehrt Romnja aus dem Westbalkan, Bulgarien und Rumänien sowie Frauen aus westafrikanischen Staaten Rat bei contra. 2

Menschenhändler nutzen Notlagen der Frauen gezielt aus, um aus ihnen Profit zu schlagen. Ein unsicherer Aufenthaltsstatus, Illegalisierung, finanzielle Nöte sowie Arbeitsverbote sind nur einige Ursachen für die Vulnerabilität von geflüchteten und migrierten Frauen. Laut der Beratungszahlen von contra befand sich rund ein Drittel der ratsuchenden Frauen aus dem Jahr 2022 noch im Asylverfahren oder verfügte über keine Aufenthaltspapiere.
Vor diesem Hintergrund positioniert sich Stefan Schmidt klar auf der Seite der betroffenen Frauen und für deren Verbleib und Schutz in Schleswig-Holstein. Gerade wenn es sich um Taten handelt, welche den Frauen in Deutschland oder der Europäischen Union widerfahren sind, zeigt dies ein Versagen europäischer Schutzmechanismen. Frauen, die in anderen europäischen Ländern Opfer von Zwangsprostitution geworden und vor den Tätern nach Deutschland geflohen sind, haben große aufenthaltsrechtliche Probleme. Mit der Versagung eines gesicherten Aufenthalts in Deutschland oder gar mit einer Abschiebung der Betroffenen können Behörden aufgrund der bestehenden Rechtlage ihrer Verantwortung nicht gerecht werden.
Ein wichtiger Schritt zum verstärkten Opferschutz ist die sogenannte Bedenk- und Stabilisierungsfrist nach dem Aufenthaltsgesetz sowie der Erlass gegen Menschenhandel des Landes Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2018 und die Möglichkeit hieran anknüpfend ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zu erhalten. Aber auch wenn es den Frauen möglich ist auf diesem Wege einen Aufenthaltstitel zu erhalten, gibt es weiterführende Probleme. Eine Verlängerung des Aufenthaltstitels kann fraglich sein und ein Familiennachzug ist nicht möglich. Andere Möglichkeiten der Aufenthaltssicherung gibt es kaum. Weder ein Abschiebungsstopp noch eine Landesaufnahmeanordnung scheinen ein gangbarer Weg zu sein.
Als kritisch wird von Stefan Schmidt gesehen, dass Menschenhandel immer noch zu wenig Berücksichtigung im Asylverfahren findet. Ein eigener Asylgrund ist Menschenhandel nicht und es ist für Betroffene schwer das Erlebte als Schutzgrund ausreichend darzustellen. Häufig befinden sich Täter im Ausland oder sind nicht auffindbar, es fehlt an glaubhaften Beweisen und die Angst vor Konsequenzen durch eine Aussage gegen die Täter ist groß, schließlich ist in etlichen Fällen die Zuständigkeit für das Asylverfahren nach der sogenannten Dublin-III-Verordnung ein Problem. Im schlimmsten Fall werden die Betroffen das Land abgeschoben, in dem die Täter leben. Es bedarf an dieser Stelle umfassenderer Opferschutzregelungen im Asylverfahren zugunsten der Betroffenen.
Zum Europäischen Tag gegen Menschenhandel vertritt Stefan Schmidt die Ansicht, dass sich die Rechtslage im Bund ändern und Schleswig-Holstein stärkere Anstrengungen zum Opferschutz unternehmen muss. Fachstellen sollten vermehrt unterstützt werden. Contra würde beispielsweise gerne eine Therapeutin oder Traumafachberaterin als weitere Fachkraft einstellen, hat dafür aber nicht die nötigen finanziellen Mittel. Über die geplanten Mittelkürzungen im Bundeshaushalt ist die Fachstelle besorgt. Stefan Schmidt mahnt, dass die Opfer von Menschenhandel nicht in Vergessenheit geraten dürfen, nur weil sie häufig nicht sichtbar sind. 3

Unterstützungsangebote in Schleswig-Holstein:
In Schleswig-Holstein sind Contra – Fachstelle gegen Frauenhandel in Schleswig-Holstein und die Opferschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, Ulrike Stahlmann-Liebelt, zentrale Anlauf- und Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel. Außerdem gibt es einen runden Tisch der Opferhilfeeinrichtungen. Arbeitsrechtliche Beratung bietet die Beratungsstelle zur Arbeitnehmerfreizügigkeit von Arbeit und Leben Schleswig-Holstein e.V. und das Projekt Faire Integration im IQ Netzwerk Schleswig-Holstein.