Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
14.12.23
10:42 Uhr
SPD

Serpil Midyatli zu den TOP's 7A+27+35: Das politische Versagen bei der Kinderbetreuung ist dramatisch

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 14. Dezember 2023
Serpil Midyatli Das politische Versagen bei der Kinderbetreuung ist dramatisch TOP 7A+27+35: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kindertagesförderungsgesetzes sowie mehr Plätze und Qualität in den Kitas stärken und endlich auf die Kita-Krise reagieren– Kita-Schließungen verhindern (Drs. 20/1599, 20/1691, 20/1711, AltA 20/1742)
" Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kinder, wir sagen euch immer: Man soll nicht lügen. Aber wie ehrlich sind wir als Erwachsene? Wir haben unseren Kindern versprochen, dass alle, die wollen, in die Kita dürfen. Heute aber fehlen allein in Schleswig-Holstein immer noch 15.600 Plätze. Dieses Versprechen haben wir nicht gehalten. Wir haben nicht die Wahrheit gesagt. Und das gehört sich nicht. Und deshalb sage ich allen Kindern in Schleswig-Holstein und ihren Eltern: Es tut mir leid. In dieser Frage sind wir kein gutes Vorbild. Wir müssen besser werden.
Das politische Versagen bei der Kinderbetreuung ist dramatisch. Stellen Sie sich mal vor, uns fehlen 15.600 Plätze in den Schulen. 15.600 Kinder lernen weder Deutsch, Mathe noch Englisch. Und es kommt noch schlimmer. Im nächsten Jahr drohen Schulschließungen, weil Geld fehlt. Jeden Tag fallen im Land ganze Unterrichtstage aus. Und für jedes Kind in der Schule knüpfen wir den Eltern monatlich mehr als 200 Euro ab. Wenn das bei Schulen so wäre, würden die Menschen mit Fackeln vor dem Landeshaus stehen. Und das zurecht!
Aber warum sind wir bereit, diese Zustände bei Kitas zu akzeptieren? Kitas sind genauso wichtig wie Schulen! Niemand bestreitet in diesem Haus die Wichtigkeit von frühkindlicher Bildung. Dann müssen wir die Situation in den Kitas aber auch ebenso ernst wie in den Schulen nehmen. Das heißt: 1. Jedes Kind bekommt einen Platz. 2. Es gibt ausreichend Geld für den Bedarf. 3. Kitas müssen verlässlich offen sein. 4. Und wir verfolgen weiter das Ziel der Beitragsfreiheit!
Ich wünsche mir, dass die Landesregierung mal die Größe des Problems anerkennt. Wir haben eine echte Kita-Krise. Ihre Antwort darauf ist der Verweis, dass das Land seinen Anteil an der Kita-Finanzierung seit 2018 auf 700 Millionen Euro fast verdoppelt hat. Gut! Aber ich hoffe, dass ist jetzt kein Schock für Sie: In der Politik kommt es nicht darauf an, was man reinsteckt. Es kommt darauf an, was hinten rauskommt. Und das ist Mist.


1 Ja, die Kita-Förderung steigt im nächsten Jahr um 96 Millionen Euro. Aber das reicht nicht. Erst gestern hat uns ein Hilferuf aus Berkenthin erreicht. Die Kita „Kunterbunt“ sollte kommendes Jahr um zwei Gruppen erweitert werden. Das Projekt ist gestoppt. Es gibt zu wenig Geld von Land. Das allein sind 30 Kinder mehr, die im kommenden Jahr keinen Platz in einer Kita haben werden. Das ist die Folge ihrer Politik. Und die ist falsch.
Nehmen wir ein anderes Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie müssen mit Ihrer Familie von der Nord- an die Ostsee ziehen. Und zwar um näher bei den Schwiegereltern zu sein. Ich kann aus Erfahrung sagen: es hilft, wenn man sich gut versteht. Die Geschichte klingt wie der Plot für die nächste Schweighöfer-Komödie. Das ist aber die Realität von Frau Spiekermann. Die macht das gerade. Denn sie findet keine verlässliche Kinderbetreuung. Frau Spiekermann ist Ingenieurin. Also ein absoluter Mangel-Beruf. Sie würde gerne mehr arbeiten, kann das aber nicht. Wegen der Kinderbetreuung hat sie auf fünf Stunden pro Tag reduziert. Sie versucht täglich eine Überstunde zu machen. Die braucht sie als Zeitausgleich, wenn mal wieder die Kita geschlossen ist. Denn Urlaub und Krankentage sind für dieses Jahr längst aufgebraucht. Unfassbar. So dürfen wir Familien nicht hängen lassen.
Eine Aussage von Frau Spiekermann hat mich am härtesten getroffen. Sie hat sich dafür entschuldigt, dass sie Familie und Beruf nicht unter einen Hut bekommt. Das ist schlimm. Als Frauen sind wir sowieso schon permanent Vorwürfen ausgesetzt. Wenn wir unsere Kinder mit einem Jahr in die Krippe bringen, sind wir Rabenmütter. Und wenn wir ein paar Jahre länger zuhause bleiben, die altmodischen Heimchen mit der pinken Schürze am Herd. Wir können es der Gesellschaft nicht recht machen. Immer sind wir schuld. Das ist Quatsch. Deswegen sage ich hier ganz deutlich. Sie müssen sich nicht entschuldigen, Frau Spiekermann. Entschuldigen müssen wir uns. Es ist unsere Verantwortung, dass die Kinderbetreuung funktioniert. Sie muss besser werden.
Niemand hier im Haus ist der Meinung, dass die Situation in den Kitas im Land gut ist. Alle finden das Beispiel von Frau Spiekermann dramatisch und empörend. Wir haben also in der Analyse keinen Widerspruch. Aber warum lösen wir die Probleme dann nicht? Die Regierung sagt: Wir machen schon so viel. Und wenn wir fragen, aber warum macht ihr nicht genug? Dann ist das Argument: Wir haben kein Geld. Aber ist dieses Argument stichhaltig? Brandenburg hat vor zwei Jahren mal eine Studie gemacht. Demnach kostet ein Platz in der Krippe rund 13.000 Euro im Jahr und in der Kita 8.000 Euro. Das wird für Schleswig-Holstein vermutlich in eine ähnliche Richtung gehen. Klar, das ist viel Geld. Aber das muss es uns doch wert sein. Das Durchschnittseinkommen in Deutschland liegt bei 50.000 Euro. Wer Teilzeit arbeiten muss, hat die Hälfte: 25.000 Euro. Allein das ist mehr als die Kita kostet. Das Geld fehlt heute als Lohn. Und gerade bei vielen Frauen später als Rente. Der teuerste Kita-Platz ist also derjenige, der nicht existiert.
Die negativen Folgen fehlender Kita-Plätze gehen weiter. In ihrer Verwaltung schafft Frau Spiekermann wegen der Teilzeit weniger. Wir reden ständig über Planungsbeschleunigung. Da hätte ich jetzt mal einen ganz praktischen Vorschlag. Schaffen Sie genug Kita-Plätze. Damit Frau Spiekermann ihren Job machen kann.

2 Die Folgen fehlender Kinderbetreuung sind teuer. Es ist also kein gutes Argument, dass uns dafür das Geld fehlt. Wir müssen das umdrehen: Schleswig-Holstein kann es sich nicht leisten, so wenig in seine Kitas zu investieren. Es ist also keine Frage des Geldes. Es ist eine Frage des politischen Willens. Wir als SPD-Fraktion haben diesen Willen."



3