Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
24.01.24
16:00 Uhr
B 90/Grüne

Jasper Balke zum Bericht zu Suiziden und zur Suizidprävention

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 52 – Bericht zu Suiziden und zur Suizidprävention in Pressesprecherin Schleswig-Holstein Claudia Jacob Landeshaus Dazu sagt der gesundheitspolitische Sprecher Düsternbrooker Weg 70 der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, 24105 Kiel
Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Jasper Balke: Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de Bericht zu Suiziden und Suizidprävention: Nr. 029.24 / 24.01.2024
Menschen nicht allein lassen -
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
es gibt Themen, über die es wirklich schwer ist, zu sprechen. Die eine besondere Auf- merksamkeit und Sensibilität erfordern. Doch nur weil es manchmal schwer ist, darf dar- aus nicht resultieren, dass gar nicht darüber gesprochen wird. Denn das macht die be- troffenen Menschen nur unsichtbar und ihre Lebensrealitäten damit weniger präsent. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir heute hier auf Antrag des SSW einen wirklich sehr umfangreichen Bericht der Landesregierung diskutieren, der eigentlich gar nicht promi- nenter hätte platziert werden können.
Suizid und Suizidalität kommen auch bei uns in Schleswig-Holstein, genauso wie in fast allen Gesellschaften auf der Welt vor. Zwar ist die Zahl der Suizidversuche seit 2011 um 42 Prozent gesunken, jedoch bleibt die Anzahl an vollendeten Suiziden bei uns in Schles- wig-Holstein bei etwas über 400 Fällen pro Jahr konstant.
Insbesondere die Altersgruppe von 50-59-jährigen ist am stärksten von Suiziden betrof- fen, insgesamt ist die Suizidanzahl bei älteren Menschen wesentlich höher als bei jungen Menschen. Auffällig ist hierbei, dass über alle Altersstufen hinweg die Anzahl der vollen- deten Suizide zu 70 Prozent von Männern, der Suizidversuche hingegen häufiger von Frauen durchgeführt werden. Diese gruppenbezogenen Unterschiede sind wichtig, denn sie sind Merkmale, auf die gerade bei präventiven Angeboten reagiert werden muss.
Jedoch lassen sich auch klare Gemeinsamkeiten bei Suiziden und Suizidalität – über alle Gruppen hinweg – erkennen. Die sogenannte „große seelische innere Not“ auf die Suizi- dalität hinweist, resultiert immer noch am häufigsten aus einer psychischen Erkrankung – insbesondere der Major Depression, der schweren Depression, Dysthymie, der chroni- schen Depression, der generalisierten Angststörung, der Posttraumatischen Belastungs- störung, der Alkoholabhängigkeit aber auch einschneidende Lebensereignisse, Lebens- krisen oder körperliche Erkrankungen spielen eine Rolle. Als demographischer Indikator Seite 1 von 2 für diese Risikofaktoren ist insbesondere die Einsamkeit zu nennen – Menschen, die al- lein leben, geschieden sind und keine Kinder haben, haben ein erhöhtes Suizidalitätsri- siko.
Es ist deshalb eigentlich nur eindeutig, welches Signal von Hilfestrukturen, aber auch der Gesellschaft und der Politik klar ausgesendet werden muss, nämlich, dass in diesem Land niemand allein gelassen werden darf. Dass dies nicht immer richtig funktioniert, wird allerdings deutlich, wenn wir uns bspw. die Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung zur Wartezeit auf einen Platz in der Psychotherapie ansehen.
Seit Jahren schon lassen wir zu, dass in manchen Fällen sechs Monate, also ein halbes Jahr oder sogar noch länger zwischen der Erstdiagnose und dem Beginn einer Psycho- therapie vergehen – dies ist also schlicht genau das Gegenteil von dem so wichtigen Grundsatz „niemand wird allein gelassen“ und hier wird es wirklich Zeit, dass der gemein- same Bundesausschuss nachbessert und die psychotherapeutische Versorgung endlich an den steigenden Bedarf angepasst wird.
Denn die Verschleppung eines solchen Problems führt in den meisten Fällen dazu, dass sich die psychische Situation weiter verschlechtert. Doch auch dann stehen die sozial- psychiatrischen Dienste, sowie Kriseninterventionsdienste zur Verfügung, die in akuten Situationen unterstützen können. Auch für die An- und Zugehörigen ist es entscheidend, hier adäquate Hilfe zu erhalten, denn auch sie dürfen in so schweren Situationen nicht allein gelassen werden.
Als spezifisches Angebot für Betroffene in suizidalen Lebenskrisen möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich dem Verein „Lichtblick Flensburg e.V.“ danken, der mit seinem kos- tenfreien Angebot einen wirklich unschätzbar wertvollen Beitrag leistet und deshalb freue ich mich, dass sich dieses Angebot in diesem Jahr erweitern wird und es ist deshalb auch absolut richtig, dass dies im Haushaltsentwurf mit zusätzlichen Geldern unterstützt wird.
Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss mehr getan werden. Denn – unabhängig davon, wie hoch die Zahlen genau sind - wir müssen alle Maßnahmen nutzen, um Men- schen zu unterstützen und Risikofaktoren abzubauen. Und das ist eine gesamtpolitische aber auch gesamtgesellschaftliche Aufgabe. So braucht es mehr universelle Maßnahmen zur sozialen Sicherung, Aufklärung zu spezifischen Beratungshilfen und vor allem braucht es innerhalb der Gesellschaft eine höhere individuelle gesundheitliche Hand- lungskompetenz, um Warnsignale bei sich und anderen besser zu erkennen.
Es muss daher unser aller Aufgabe sein, Themen wie psychische Erkrankungen, den eigenen Gemütszustand, die eigenen Emotionen anzusprechen und mit anderen darüber zu sprechen, auch und gerade weil es eben nicht einfach ist, darüber zu sprechen.
Deshalb ist es meiner Meinung nach auch Aufgabe der Politik, Tabus und Stigmata pro aktiv abzubauen und neben dem Aufbau heterogener Hilfestrukturen für Betroffene, so- wie An- und Zugehörige insbesondere dafür zu sorgen, dass Menschen mit ihren Lebens- realitäten gesehen und nicht allein gelassen werden - und über dieses und weitere The- men freue ich mich abschließend im Ausschuss zu beraten.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei den Mitarbeiter*innen des Ministeriums für den Be- richt und bei Ihnen für die Aufmerksamkeit.
***

2