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21.03.24
16:41 Uhr
CDU

Uta Wentzel: TOP 11+19+44: In Europa steht die sprachliche und kulturelle Vielfalt unter einem besonderen Schutz

Minderheiten | 21.03.2024 | Nr. 105/24
Uta Wentzel: TOP 11+19+44: In Europa steht die sprachliche und kulturelle Vielfalt unter einem besonderen Schutz Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Bei einer Weltbevölkerung von über 8 Milliarden Menschen existieren aktuell 7.139 Sprachen. Tendenz stark sinkend. Laut der UNESCO sind allein in der Europäischen Union 128 Sprachen bedroht. Mit der Entwicklung der Nationalstaaten in der Neuzeit, hatten die Regionalsprachen oft das Nachsehen. Man strebte eine einheitlichere Kultur und gemeinsame Sprache an.
Wenn damit allerdings die Unterdrückung der Identität einer Bevölkerungsgruppe, ja ein Verbot der Nutzung der eigenen Muttersprache einhergeht, führt das zu Konflikten, die in der Vergangenheit und Gegenwart auch mit Gewalt ausgefochten wurden und werden. Als Beispiel seien hier die Abschaffung der jahrhundertealten Selbstbestimmungsrechte der Basken und Katalanen unter Franco genannt oder auch die systematische Unterdrückung ganzer Völker und ihrer Kulturen in der ehemaligen Sowjetunion und die daraus resultierenden, anhaltenden Konflikte.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der immer wieder aufflammenden Minderheitenkonflikte in Osteuropa befasste sich der Europarat intensiv mit dem völkerrechtlichen Schutz von Minderheiten.
Menschenrechte und gerade Minderheitenrechte müssen immer wieder erkämpft, erstritten und geschützt werden. Sie sind die Basis und der Garant für unser friedliches Miteinander. Minderheitenschutz ist Teil des Pluralismus in der Demokratie, in der unterschiedliche Gruppen ihre Interessen aushandeln. Generell gilt, dass Entscheidungen, die die Mehrheit und die Minderheit berücksichtigen, am demokratischsten sind.
Wir sind uns einig, dass Sprachen ein außergewöhnlich reichhaltiger Teil unseres kulturellen Erbes sind. Sprachen drücken unsere Identität aus und verbinden uns mit unserer Herkunft. Wenn Sprachen aussterben, geht dies unwiederbringlich verloren.
In Europa steht daher die sprachliche und kulturelle Vielfalt unter einem besonderen

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Pressesprecher Max Schmachtenberg | Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel 0431/988-1440 | info@cdu.ltsh.de | http://www.cdu.ltsh.de Schutz. Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen wurde 1992 vom Europarat gezeichnet und ist in Deutschland am 1. Januar 1999 in Kraft getreten.
Ziel dieses Abkommens ist es, Regional- oder Minderheitensprachen als gemeinsames europäisches Erbe zu schützen und den kulturellen Reichtum Europas zu fördern. Die Charta setzt explizit auf die Verbindung verschiedener Bevölkerungsteile, nicht auf eine Abschottung voneinander.
In Schleswig-Holstein werden die Minderheitensprachen Dänisch, Friesisch und Romanes sowie die Regionalsprache Niederdeutsch geschützt. Die Staaten der EU berichten alle fünf Jahre dem Generalsekretär über die Umsetzung der Sprachencharta und des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten und alle 2 ½ Jahre über die Umsetzungen der Empfehlungen des prüfenden Sachverständigenausschusses.
Um diesen Bericht geht es heute: hört sich etwas dröge an, liest sich aber in Teilen (besonders von S.16-21) wie ein Wirtschaftskrimi: Stichwort Öömrang:
Ein US-Weingut hat sich den friesischen Begriff Öömrang (Amrumer) als Marke gesichert und die Patent- und Markenämter der EU und Deutschlands fanden das ok, da die „Verkehrskreise als zu unerheblich“ eingestuft werden, da nur wenige Sprecher, was ja per se die Definition einer Minderheitensprache ist. Es droht jetzt also den Amrumern, wenn sie den urfriesischen Begriff nutzen, abgemahnt und verklagt zu werden. Wie zum Beispiel Stefan Klindtberg, der seinen Gin Öömrang seit 2017 vertrieb und 2021 wenige Tage nach der Markeneintragung eine Abmahnung aus den USA bekam.
Dies ist eine nicht akzeptable Diskriminierung des Friesischen bei der Anwendung des Patent- und Markenrechts! Dagegen wurde von unserer Landesregierung auf allen Ebenen insistiert, selbst unser Ministerpräsident hat diesen Sachverhalt bei der EU-Kommission angesprochen.
Das BMJ stellte fest, dass bislang keine gefestigte Rechtsprechung zur Schutzfähigkeit beschreibender Begriffe aus anerkannten Minderheitensprachen existiere.
Es bleibt also noch viel zu tun! Schleswig-Holstein steht wie kaum eine andere Region in Europa für Versöhnung, Vielfalt und Toleranz.
Geprägt durch unsere wechselhafte deutsch-dänische Geschichte, war es in vielen Fällen Schleswig-Holstein, das Entwicklungen zur Gleichstellung und zum Schutz der Minderheiten angestoßen hat.
Der Leitspruch Europas: „In Vielfalt geeint“ wird bei uns mit Leben gefüllt und findet auch in unserer Verfassung im Artikel 6 einen besonderen Stellenwert.
Wir freuen uns daher sehr, dass unsere Grenzregion Ende Juni Austragungsort der


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Pressesprecher Max Schmachtenberg | Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel 0431/988-1440 | info@cdu.ltsh.de | http://www.cdu.ltsh.de Europeada ist, der Fußball-Europameisterschaft der autochthonen Minderheiten in Europa mit über 1000 Teilnehmern. Und wir laden Sie alle Ende Juni herzlich in die Grenzregion ein!
Unsere Kultur und unser gesellschaftliches Leben werden durch unsere Minderheiten bereichert. Durch ihr Engagement tragen sie täglich dazu bei, eine funktionierende, weltoffene Gemeinschaft zu schaffen. Davon profitieren wir alle. Gerade in Zeiten der multipolaren Krisen, in denen die Gesellschaft auseinander zu brechen droht, ist das offene und verständnisvolle Miteinander umso wichtiger.
Wir begrüßen daher den Vorschlag (der Konferenz zur Zukunft Europas), zur Einrichtung einer eigenen Institution zur Förderung der Sprachenvielfalt auf europäischer Ebene. Wir unterstützen einstimmig die Landesregierung, bei ihrem Vorschlag, Schleswig-Holstein als möglichen Standort für eine solche EU-Einrichtung vorzusehen.
Denn bei uns existiert ein gewachsenes minderheitenpolitisches und wissenschaftliches Netzwerk mit dem ECMI (European Centre for Minority Issues) und der FUEN (Förderalistischen Union Europäischer Nationalitäten).
Eine europäische Institution zur Förderung der Sprachenvielfalt würde dieses Netzwerk komplementieren und Synergien im Bereich der Forschung, des wissenschaftlichen Austausches und der Förderung der Sprachenvielfalt schaffen. Schleswig-Holstein ist als Sitz des Instituts in Europa prädestiniert. Wir haben bei uns die Expertise und den Spirit, den es bedarf, um eine solche Institution erfolgreich aufzubauen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!



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