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22.03.24
13:26 Uhr
SPD

REDE ZU PROTOKOLL GEGEBEN: Marc Timmer zu TOP 26: Biogasanlagen können einen wichtigen Beitrag als Reservekraftwerk leisten – wenn die Landesregierung es richtig anpackt

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 22. März 2024
Marc Timmer: Biogasanlagen können einen wichtigen Beitrag als Reservekraftwerk leisten – wenn die Landesregierung es richtig anpackt TOP 26: Biogasanlagen im Rahmen der Kraftwerkstrategie berücksichtigen (Drs. 20/1987)
„Wieder so ein Antrag, bei dem das Parlament als Zweitverwerter verzwergt wird, bei dem das Parlament als PR-Maschine für die Landesregierung benutzt wird. Ich finde es wirklich schade, dass wir dieses Thema erst diskutieren, nachdem ein entsprechender Antrag der Landesregierung längst beim Bundesrat zur Erörterung vorliegt. Ansonsten gibt es am Antrag nicht viel auszusetzen. Das hat das grün geführte Energieministerium in Schleswig-Holstein inhaltlich korrekt gemacht. Interessanterweise ist dies nicht in Linie mit dem Vorschlag von Habeck zur Kraftwerksstrategie.
Dieser setzt als Stromreserve auf Gaskraftwerke und öffnet hierbei die Tür für den Einsatz von CSS-Technologien - auch für die Energiewirtschaft. Ein Kohlendioxid-Endlager würde dadurch bald bei uns in der Nordsee sehr wahrscheinlich, Leitungen im Land und durchs Wattenmeer inklusive. Die grüne Landtagsfraktion tippelt hier mehr oder weniger mit. Dies ist ein echter Dammbruch! Wann immer ich hierüber mit Leuten aus Nordfriesland spreche, schütteln sie nur noch mit dem Kopf.
Aber zurück zum Antrag: Biomasse kann grundsätzlich die Funktion der Kraftwerksreserve übernehmen. Und zwar mit relativ bescheidenen Veränderungen. Hierauf sollten wir hinarbeiten. Diese Erkenntnis hat die Landesregierung natürlich nicht exklusiv. Das Thema wird längst auf Bundesebene intensiv diskutiert, in allen Fraktionen im Bundestag sowie im Rahmen der Plattform Klimaneutrales Stromsystem.
Zutreffend kann Biogas mit einer Überbauung der Anlagen bundesweit etwa 12 GW bereitstellen und zwar, ohne dass mehr Biomasse als derzeit eingesetzt werden müsste. Eher sogar weniger, da die Anlagen deutlich seltener fahren würden. Sie stehen still, wenn die Erneuerbaren genug Strom liefern, und fahren hoch, wenn dies nicht der Fall ist. Systemdienlich und lastenausgleichend. Ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einem virtuellen Kraftwerk. Wichtig ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Energiepflanzen weiterhin laufend reduziert wird. Als Biomasse müssen zukünftig zum weit überwiegenden Teil Gülle und andere Abfälle aus der Landwirtschaft eingesetzt werden – wie in Dänemark.


1 Es gibt noch einige Hausaufgaben zu tun. Die Bundesebene müsste Änderungen im EEG vornehmen, die diese Systemdienlichkeit der Biomasseanlagen finanziell berücksichtigen. Es ist eine Flexibilitätsprämie im Gespräch, die einerseits die geringere Laufzeit als Reservekraftwerk ausgleicht, aber auch erforderliche Investitionen der Betreiber von Biogasanlagen beispielsweise in Speicherkapazität und einer Überbauung – also Erhöhung der Leistung der Generatoren - vorsieht. Insgesamt wäre dies nach ersten Schätzungen sogar deutlich günstiger als Gaskraftwerke als Reservekraftwerke vorzuhalten.
Auch die Landesregierung hat einiges zu tun. Denn vieles ist unklar: Erstens: Wie viele bestehende Biogasanlagen in Schleswig-Holstein sind derzeit in der Lage als Kraftwerksreserve zu dienen? Mit welcher Reservekraftwerksleistung?
Zweitens: Inwiefern ist hier eine Ertüchtigung der Anlagen erforderlich? Was würde die Ertüchtigung kosten, um die Systemdienlichkeit vollumfänglich herzustellen?
Drittens: Sind die Betreiber hierzu bereit? Welche Rahmenbedingungen benötigen die Betreiber für entsprechende Investitionen?
Viertens: Inwiefern ist eine deutschlandweite Abstimmung mit anderen Biogasanlagen erforderlich?
Fünftens: Inwiefern ist eine Abstimmung mit den Netzbetreibern auf allen Netzebenen erforderlich, um die Effizienz des Systems zu maximieren.
Sechstens: Wenn die Biogasanlagen als Stromkraftwerk nur noch „wenige Stunden im Jahr“ fahren sollen, wie wird sichergestellt, dass sie die Funktion der im Winter durchgehenden Wärmebereitstellungen für Wärmenetze (Kraftwärmekoppelung) beibehalten können? Inwiefern sind hier Speicherstrukturen im Wärmebereich erforderlich? Auch unter diesem Aspekt ist es für mich zwingend, dass die Wärmeplanung landesseitig koordiniert sein muss. Viele Gemeinden fühlen sich von der Landesregierung im Stich gelassen.
Siebtens: Inwiefern muss berücksichtigt werden, dass zukünftig zunehmend Abfallprodukte wie Gülle statt Energiepflanzen eingesetzt werden sollen? Was bedeutet dies für die Betreiber von Biogasanlagen im Rahmen der Wärmeplanung und der Funktion als Kraftwerksreserve? Wir brauchen dringend einen digitalen Zwilling, der die Energiewelt in Schleswig-Holstein simuliert. Denn dann kann man Energiesysteme mit vielen Abhängigkeiten systemisch abbilden und Änderungsbedarfe durchspielen.
Bei derzeitigem Ansatz prognostiziere ich der Landesregierung: Die Energiewende – und insbesondere die Wärmewende in Schleswig-Holstein - ist und bleibt Stückwerk. Sie leistet Ineffizienzen Vorschub und wird scheitern.“



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