Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.
Sophia Schiebe zu TOP 38: Kinderreiche Familien gezielt unterstützen
Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathekLANDTAGSREDE – 16.Oktober 2025Sophia Schiebe Kinderreiche Familien gezielt unterstützen TOP 38: Bericht über die Situation kinderreicher Familien in Schleswig-Holstein (Drs. 20/2935, Drs. 20/3360)„Wer morgens mit drei, vier oder mehr Kindern das Haus verlässt, weiß, was Organisation bedeutet. Es ist keine Frage mangelnder Disziplin, wenn das Frühstück hektisch wird und der Morgen zur logistischen Herausforderung. Es ist schlicht eine Realität, die kaum ein politisches Papier wirklich erfasst. Und genau das ist das Problem mit dem vorliegenden Bericht zur Situation kinderreicher Familien in Schleswig-Holstein: Er beschreibt, aber er fühlt nicht. Er listet Zahlen, aber er übersieht das Leben dahinter.Hinter jeder Statistik steht ein Alltag, der zu oft auf Kante genäht ist. Kinderreiche Familien jonglieren mit Betreuungslücken, mit steigenden Preisen, mit knapper werdendem Wohnraum und mit einer Gesellschaft, die Mehrkindfamilien immer noch als Ausnahmeerscheinung behandelt. Diese Familien leisten enorm viel für sich, für den sozialen Zusammenhalt, für unser Land. Trotzdem stehen sie am Ende des Monats oft mit weniger da: weniger Geld, weniger Zeit, weniger Raum und weniger politischer Aufmerksamkeit. Das müssen wir ändern.Der Bericht zeigt unmissverständlich, was im Argen liegt: Das Armutsrisiko von Familien mit drei oder mehr Kindern ist fast dreimal so hoch wie bei kleineren Familien. Das ist kein Zufall, sondern ein strukturelles Versagen. Wir wissen, dass Erwerbstätigkeit allein kaum schützt, wenn die Kosten für Wohnen, Mobilität und Bildung schneller steigen als die Einkommen. Und wir wissen, dass Mehrkindfamilien überdurchschnittlich oft auf Sozialleistungen angewiesen sind. Das steht im Bericht, aber es bleibt bei der Beschreibung, ohne klare politische Folgerung, ohne eine Strategie, wie wir diese Ungerechtigkeit beenden wollen.Die Landesregierung schreibt stolz, Schleswig-Holstein sei familienfreundlich. Doch diese Freundlichkeit endet zu oft bei der unverbindlichen Geste. Der Bericht verweist auf Geschwisterermäßigungen oder den Beitragsdeckel, aber er liefert kein Wort zur tatsächlichen Reichweite oder Wirksamkeit dieser Programme in kinderreichen Familien. Keine Evaluation, keine Korrekturen, die eventuell angepasst werden müssen. Das ist die bequeme Seite der Familienpolitik: Man verweist auf bestehende Programme und hofft, dass sie wirken, ohne es zu 1 überprüfen. Familien mit drei, vier oder fünf Kindern müssen dann selbst herausfinden, ob sie in das System passen. Ob das, das Ziel unsere Politik sein sollte? Ich bin überzeugt, dass ist sie nicht. Ähnlich beim Wohnen: Der Bericht erwähnt die Wohnraumförderung. Doch wer sich die Einkommensgrenzen ansieht, merkt schnell: Gerade jene Familien, die knapp über der Förderlinie liegen, fallen durch jedes Raster. Sie verdienen zu viel für Unterstützung, aber zu wenig für eine Wohnung, in der alle einen Platz finden. Kinderreiche Familien leben deshalb nicht selten auf zu engem Raum mit Kompromissen, die wir politisch längst nicht mehr hinnehmen sollten. Daher müssen wir den Bau von Wohnungen mit mindestens fünf Zimmern aktiv fördern und die Förderkriterien an die Realität von Mehrkindfamilien anpassen.Und dann ist da die vielbeschworene Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der Bericht zählt Netzwerke und Projekte auf. Aber was bedeutet das für eine Mutter mit vier Kindern, deren Kita um 15 Uhr schließt? Was für die Eltern, die keinen Ganztagsplatz bekommen, weil die Kapazitäten nicht ausreichen? Der Bericht verweist auf den kommenden Rechtsanspruch, aber kein Wort darüber, wie man ihn mit Qualität und Flexibilität füllen will. Aber genau das brauchen unsere Familien.Was besonders auffällt: Der Bericht vermeidet klare Aussagen darüber, was kinderreiche Familien wirklich brauchen. Er versteckt sich hinter Formulierungen wie „es wird geprüft“ oder „die Landesregierung beabsichtigt“. Man spürt die politische Vorsicht. Doch gerade Familien mit vielen Kindern brauchen keine unverbindlichen Absichten, sondern verbindliche Zusagen. Wenn ein Drittel dieser Familien armutsgefährdet ist, dann ist das nicht ihr persönliches Versagen, sondern unser gemeinsames. Wenn Fördermittel nicht dort ankommen, wo sie gebraucht werden, liegt das nicht an der mangelnden Eigeninitiative der Eltern, sondern an bürokratischen Hürden, die niemand mit mehreren Kindern nebenher überwinden kann. Also ist unser Handeln gefragt, liebe Kolleg*innen.Wir sollten endlich aufhören, Kinderreichtum als soziale Abweichung zu behandeln. Wir brauchen klare politische Entscheidungen, die Kinderzahl nicht als Belastung, sondern als gesellschaftliche Leistung anerkennen. Das bedeutet: gezielte finanzielle Förderungen, die das Armutsrisiko von Mehrkindfamilien sofort senken.Und am Ende geht es nicht nur um Programme, sondern um Haltung. Eine Gesellschaft, die Kinderreichtum als Reichtum begreift, gestaltet Politik anders. Es braucht Mut, Prioritäten zu verschieben zugunsten von Familien, die heute oft unsichtbar bleiben, obwohl sie das Fundament unserer Zukunft tragen. Wenn wir wirklich wollen, dass Schleswig-Holstein ein Land für Familien ist, dann müssen wir diesen Familien nicht nur Zahlen widmen, sondern Entscheidungen, die ihr Leben spürbar erleichtern. Nur dann wird aus einem Bericht eine Perspektive und aus politischer Absicht endlich gelebte Verantwortung.“ 2