Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Das Plenum tagt im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages, wo CDU-Ministerpräsident Daniel Günther am Rednerpult spricht.

Landtagstagung vom
18. bis 20. Juni 2025


bis

/

Primärarztsystem: Breiter Zuspruch im Norden

Die Pläne der Bundesregierung für ein Primärarztsystem stoßen in der Landespolitik auf ein weitgehend positives Echo. Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) sprach von einer „sinnvollen Ergänzung“. Die Patienten erhielten damit „zielgerichtet die richtige Versorgung“. Sie rechne „frühestens im Spätherbst“ mit den konkreten Gesetzentwürfen aus Berlin, die Landesregierung sei dennoch bereits im Austausch mit der Kassenärztlichen Vereinigung sowie den Haus- und Kinderärzten. Heiner Garg, dessen FDP den Regierungsbericht beantragt hatte, sah sogar „mehr als ein bisschen Ergänzung“, sondern „beinahe eine Revolution“. Endlich gebe es den politischen Mut, das Thema Patientensteuerung anzugehen.

Union und SPD wollen laut Koalitionsvertrag ein verbindliches System einführen, bei dem Patienten zunächst in eine Hausarztpraxis gehen, die sie bei Bedarf – mit einem Termin in einem bestimmten Zeitraum – an Fachärzte überweist. Dies soll Doppeluntersuchungen und lange Wartezeiten für Facharztbesuche vermeiden. Klappt es mit dem Termin in dem Zeitkorridor nicht, soll man sich auch in einem Krankenhaus behandeln lassen können. 

„Die koordinierte Versorgung reduziert die Arzt-Patienten-Kontakte“, befand Hauke Hansen (CDU). Dadurch sei „schnellere Hilfe statt wochenlanges Warten“ möglich. Dies sei wichtig, denn: „Der Facharztmangel ist real.“ Allerdings, so Eka von Kalben (Grüne), gebe es vielerorts auch einen Mangel an Hausarztpraxen: „Diese Kapazitäten sind begrenzt, das ist das schwierige.“ Zudem müssten Ausnahmen vom Primärarztprinzip für akute Fälle möglich sein. 

Die Hausärzte würden ihre Patienten am besten kennen, betonte Birte Pauls (SPD), die „hausarztzentrierte Versorgung“ sei deswegen der richtige Weg. Angesichts des drohenden Ärztemangels in vielen Regionen schlug sie vor, „kommunale medizinische Versorgungszentren“ einzurichten: „Wir dürfen die Gemeinden damit nicht allein lassen.“ Christian Dirschauer (SSW) sah eine „grundlegende Systemänderung“, die auch Einschränkung von Patientenrechten mit sich bringen könne. Denn die freie Arztwahl werde in Frage gestellt, wenn die Wahl des Facharztes in die Hand der Hausärzte gelegt werde.

/

FDP fordert Wiederaufnahme der Mittel für Wildtierstationen

Die FDP-Fraktion hat sich im Landtag mit Nachdruck dafür eingesetzt, die im Haushaltsplan 2025 gestrichenen Mittel für Auffang- und Betreuungsstationen für verletzte Wildtiere wieder bereitzustellen. In ihrem Antrag (Drs. 20/3306) betonen die Liberalen die zentrale Bedeutung dieser Einrichtungen für den Tier- und Artenschutz in Schleswig-Holstein. Annabell Krämer (FDP) warf der Landesregierung vor, eine notwendige Unterstützung fahrlässig zu beenden: „Der Bedarf wird gesehen – aber gedeckt wird er nicht.“ Sie kritisierte zudem die hohen bürokratischen Hürden bei der Mittelbeantragung und sprach von einer „Verantwortung, die auf das Ehrenamt abgewälzt“ werde. Als Beispiel nannte sie den Fall der Anakonda „Ben“ aus Quickborn, den sie als Sinnbild für ein Behördenchaos darstellte. Ihre Forderung: „Stellen Sie die Mittel mit dem Entwurf des Nachtragshaushalts 2025 wieder bereit!“

Cornelia Schmachtenberg (CDU) wies die Kritik zurück und betonte, dass im Fall der Anakonda „Ben“ die Verantwortung eindeutig beim Halter liege, der das Tier ausgesetzt habe: „Das Land ist nicht der Bösewicht.“ Der Umgang mit sogenannten Fundtieren sei über die Fundtierrichtlinie im Übrigen klar geregelt – die Zuständigkeit liege bei den kommunalen Ordnungsbehörden, von einem „Behördenwirrwarr“ könne keine Rede sein. Auch Silke Backsen, umweltpolitische Sprecherin der Grünen, sah keinen zusätzlichen Regelungsbedarf auf Landesebene. Stattdessen sprach sie sich für strengere Vorgaben zur Haltung exotischer Tiere und für eine schärfere Regulierung von Wildtierimporten auf europäischer Ebene aus. Beide Politikerinnen stellten klar, dass es sich bei den gestrichenen Mitteln um eine freiwillige Leistung des Landes gehandelt habe, die im Rahmen der Haushaltskonsolidierung nicht fortgeführt wurde. Dies sei eine schwierige, aber notwendige Entscheidung gewesen.

Der Antrag wurde mit den Stimmen der Koalition abgelehnt.

Bild
Annabell Krämer (FDP): „Der Bedarf wird gesehen – aber gedeckt wird er nicht.“
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers
/

Niedrige Mehrwertsteuer in der Gastronomie: Wer soll das bezahlen?

Die Bundesregierung will die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie zum Jahresbeginn 2026 senken, von 19 auf sieben Prozent. Dies ist Teil eines Programms zur Stärkung der Wirtschaft. SPD, FDP und SSW unterstützen das und rufen die Landesregierung auf, im Bundesrat zuzustimmen. Schwarz-Grün trat im Landtag aber zunächst auf die Bremse: Mindereinnahmen für den Landeshaushalt im zweistelligen Millionenbereich seien zu befürchten. Der Bund müsse diese Lücke schließen - erst dann könne Schleswig-Holstein in der Länderkammer Ja sagen. Nun beraten der Finanz- und der Wirtschaftsausschuss das Thema weiter.

Serpil Midyatli (SPD) verwies auf die schwierige Lage der Branche. Nach den Einbrüchen während der Corona-Pandemie und der Inflation in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine hätten „die allermeisten Gastronomen keine Rücklagen mehr“. Die Koalition müssen deswegen „ihre Blockade aufgeben“. Gegenüber der Vor-Corona-Zeit, so Annabell Krämer (FDP), habe die Branche einen Umsatzrückgang von 16 Prozent zu beklagen. Ihr Appell an die Landesregierung: „Zeigen Sie Haltung, damit das Gastro-Sterben in unserem Lande endlich ein Ende hat.“ Die Gastronomie mit ihren 5.200 Betrieben und 80.000 Beschäftigten sei „systemrelevant“, unterstrich Sybilla Nitsch (SSW). Es drohe eine Pleitewelle: „Geschlossene Betriebe zahlen gar keine Umsatzsteuer mehr.“

Insbesondere die Grünen gingen auf Gegenkurs. Eine „pauschale Steuersenkung“ komme nicht nur kleinen Restaurants und Gasthöfen zu Gute, sondern auch großen Fast-Food-Konzernen, sagte der Abgeordnete Oliver Brandt. Das „könnte deren Marktmacht weiter stärken“. Das Minus für die öffentlichen Kassen bezifferte Brandt mit 40 Millionen Euro beim Land und zehn Millionen bei den Kommunen: „Wenn der Bund eine Senkung der Mehrwertsteuer möchte, muss er dies bezahlen“. Auch Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) sprach von einer „erheblichen Belastung“ des Landeshaushalts: „Wir müssen mit dem Bund über Kompensationen sprechen, ansonsten müssten wir an anderer Stelle sparen.“ Ole Plambeck (CDU) positionierte sich „klar und deutlich für die dauerhafte Einführung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes“. Er sei „überzeugt, dass man bei der Finanzierung eine gute Lösung finden wird“.

Bild
Für die dauerhafte Einführung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes: Ole Plambeck (CDU)
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers
/

WiPo-Unterricht: Mehrheit votiert für langfristigen Ausbau ab Klasse 7

Die Fraktionen von FDP, SPD und SSW haben im Landtag die sofortige Rücknahme der Kürzungen beim WiPo-Unterricht in der gymnasialen Oberstufe gefordert. In ihrem gemeinsamen Antrag verwiesen sie auf die Bedeutung politischer Bildung in Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung. FDP-Bildungspolitikerin Anne Riecke sprach von einem „herben Schlag für die Unterrichtsqualität“ und betonte, WiPo sei „die Grundlage für das Verständnis von Demokratie und Meinungsvielfalt“. SPD-Abgeordneter Martin Habersaat warf der Landesregierung vor, ohne bildungspolitische Vision zu handeln: Die angekündigte Aufstockung ab 2027 sei „eine Wohltat, die ihrerseits Schaden verursacht“. Die Schulen seien gezwungen, ständig neue Vorgaben umzusetzen – ohne klare Linie.

CDU und Grüne warben stattdessen für ein Konzept, das ab dem Schuljahr 2027/28 eine Ausweitung des WiPo-Unterrichts in der Sekundarstufe I beinhaltet. Der Alternativantrag ist Teil eines umfassenderen „Pakts für Demokratie“, mit dem die politische Bildung systematisch gestärkt werden soll. Bildungsministerin Dorit Stenke verteidigte die geplanten Änderungen mit dem Hinweis, dass künftig alle Schülerinnen und Schüler früher erreicht würden, nicht nur diejenigen mit Abiturziel. „Wir stellen uns dieser Aufgabe und wir stellen uns in der gebotenen Geschwindigkeit“, sagte sie. CDU-Bildungspolitiker Martin Balasus ergänzte: „Wir brauchen mündige, aufgeklärte, gebildete Bürgerinnen und Bürger – dafür ist mehr WiPo-Unterricht in der Mittelstufe der richtige Weg.“

Der Antrag der Opposition wurde mit den Stimmen von CDU und Grünen abgelehnt. Der Alternativantrag der Koalition wurde mit Unterstützung der FDP angenommen. SPD und SSW enthielten sich.

/

Überarbeitung des Demenzplans abgelehnt

Die Koalitionsfraktionen von CDU und Grünen haben es abgelehnt, den 2013 erarbeiteten Demenzplan des Landes weiterzuentwickeln und die darin empfohlenen Maßnahmen neu zu bewerten und zu überarbeiten. Dies hatte der SSW gefordert. Experten würden schon seit Jahren darauf hinweisen, „dass der Demenzplan langsam, aber sicher in die Jahre gekommen ist“, sagte der SSW-Abgeordnete Christian Dirschauer. „Geschehen ist aber bis heute nichts“. Koalitionsredner und Minister Tobias Goldschmidt (Grüne), der für die verhinderte Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) sprach, wiesen dies zurück.

„Der geltende Demenzplan ist gut“, sagte der Unions-Sozialpolitiker Werner Kalinka. Von den 80 Ziele und Empfehlungen – Hilfen für Kranke und ihre Angehörigen, Tipps für Kommunen, ein breites Versorgungsangebot, neue Wohnformen oder eine Vertiefung des Themas in der Pflegeausbildung – seien 71 bewerkstelligt oder noch in der Umsetzung. Deswegen sei es für eine grundlegende Überarbeitung noch zu früh. Eine von der FDP angeregt Ausschussüberweisung lehnten CDU und Grüne ab. Einig waren sich alle Fraktionen, dass es ein Kernziel des Demenzplans sein müsse, der zunehmenden Zahl von Menschen, die von einer Demenz betroffen sind, möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben in häuslicher Umgebung zu ermöglichen und ihre Angehörigen zu entlasten.

Die landesweite Koordinierung der Hilfsangebote aus dem Demenzplan übernimmt das Kompetenzzentrum Demenz, das bei der Alzheimer-Gesellschaft angesiedelt ist und das vom Land gefördert wird. Laut dem Kompetenzzentrum leben in Schleswig-Holstein über 68.000 Menschen mit einer Demenz. Pro Jahr erkranken ungefähr 400.000 Menschen neu an einer Demenz.

Filter