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12.10.23
12:10 Uhr
B 90/Grüne

Catharina Nies zum Migrationsgipfel

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 28 + 34c – Irreguläre Migration deutlich reduzieren und Kommunen besser unterstützen; Pressesprecherin Bericht über den Migrationsgipfel mit den Kommunen Claudia Jacob Landeshaus Dazu sagt die migrationspolitische Sprecherin der Düsternbrooker Weg 70 Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, 24105 Kiel
Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Catharina Nies: Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 306.23 / 12.10.2023



Von dem Migrationsgipfel geht Geschlossenheit aus und ein konkreter Plan zur Lösung von Problemen
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete,
ich danke unserer Ministerin Touré für den ausführlichen Bericht über den Landesmigra- tionsgipfel am Montag mit den Kommunen, und nicht nur für den Bericht, sondern auch dafür, dass dieses Spitzengespräch so schnell organisiert wurde.
Das Gipfel-Ergebnis sendet aus meiner Sicht ein wichtiges Zeichen: Wir zeigen demo- kratische Geschlossenheit in der Flüchtlingsfrage und wir bieten ganz konkrete Lösungen für bestehende Probleme vor Ort. Und ich glaube, dass es auch ein wichtiges Zeichen an unsere Kommunen ist, dass wir die Belastungsgrenzen vor Ort sehen und gemeinsam nach Auswegen suchen.
Dass die Aufnahme weiterer Geflüchteter eine Herausforderung ist, ist derzeit fast überall zu spüren. Und wir zeigen hier und heute mit unserem Antrag noch einmal ganz deutlich: Wir stehen an der Seite der Kreise, Städte, Ämter und Gemeinden! Die Gespräche am Montag und auch die im Vorfeld haben sehr deutlich gemacht, dass die konkreten Prob- leme vor Ort unterschiedlich sind – bei den Einen fehlen Kita- oder Schulplätze, dann gibt es vielerorts überlastete Zuwanderungsbehörden, die nicht mehr hinterherkommen mit den Anträgen, und in vielen Städten und Gemeinden ist es der fehlende Wohnraum.
Das Problem ist vielschichtig. Deshalb kann die Lösung auch nicht die eine einfache Ant- wort sein. Wir brauchen mehrere pragmatische Maßnahmen als Lösung und diese müs- sen ganz genau zu den jeweiligen Problemen passen. Jede dieser einzelnen Herausfor- derungen muss für sich ernst genommen werden. Seite 1 von 4 Deshalb begrüße ich sehr, dass am Montag auch das Bildungsministerium, auch das Arbeitsministerium und das Gesundheitsministerium mit am Tisch saßen. Und deshalb ist es genau richtig, jetzt sowohl kurz- als auch mittelfristige Maßnahmen einzuleiten. Wir müssen die Unterbringungsfrage lösen und gleichzeitig Integrationszugänge im Bereich Wohnen, Arbeit, Bildung, Kita und Gesundheit absichern.
Beides greift ineinander. Und nur beides zusammengenommen, wird unsere Kommunen, unser System nachhaltig entlasten.
Schleswig-Holstein stockt die Landesunterkünfte weiter auf, auf 10.000 Plätze, und wird sehr schnell eine gemeinsame Integrationsstrategie von Land und Kommunen auf den Weg bringen. Wir müssen jetzt abarbeiten und ganz pragmatisch sein.
Ein wichtiger Teil der Lösung ist aus meiner Sicht, endlich allen geflohenen Menschen zu erlauben, hier zu arbeiten und ihr eigenes Geld zu verdienen. Das würde sehr viele Men- schen seelisch und finanziell entlasten, die endlich ein selbstbestimmtes Leben nach der Flucht führen möchten.
Und dadurch würden die Sozialsysteme und die kommunalen Unterbringungsplätze ent- lastet, weil Familien sich selbst versorgen und eine eigene Wohnung mieten können. Das ist der Knoten, der endlich gelöst werden muss, auch in der bundesweiten Debatte!
Und ich glaube, dieser Knoten ist gerade auch ein Stück weit geplatzt, wenn ich höre, was auf Bundesebene jetzt verhandelt wird. Die von der Ampel angekündigten Arbeits- erleichterungen gehen in die richtige Richtung. In der Regel soll die Beschäftigung nun asylsuchenden Menschen erteilt werden, es sei denn, eine Abschiebung ist absehbar umsetzbar, also terminiert und ein Flug gebucht. Das ist ein Kompromiss, der vieles er- leichtern wird.
Gleichzeitig wird im Zusammenhang der MPK gerade darüber diskutiert, gegebenenfalls eine Arbeitspflicht zur gemeinnützigen Arbeit einzuführen, das erinnert an die ehemaligen Arbeitsgelegenheiten, die einen sehr hohen Verwaltungsaufwand damals mit sich ge- bracht haben, aber man wird sehen, was genau damit gemeint ist.
Aus meiner Sicht sollte es jetzt keinen Schlagabtausch über die stärksten Begriffe geben. Wenn es Arbeitspflicht heißen soll, und damit am Ende aber endlich das Recht zu arbei- ten verbunden wird, ist mir das gleich. Das entscheidende ist, dass die vielen geflohenen Menschen, die seit Monaten und Jahren versuchen eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, diese auch endlich erhalten.
Was man jetzt nicht tun darf, ist zu suggerieren, dass geflohene Menschen nicht arbeiten wollen, denn das Gegenteil ist der Fall. Und hier bitte ich darum, bei den Fakten zu blei- ben. Den Menschen wird die Arbeitserlaubnis von den Zuwanderungsbehörden leider sehr oft nicht erteilt oder viel zu spät.
Deshalb brauchen wir aus meiner Sicht primär auch eine Lösung für die vielen Leute, die rechtlich eigentlich nach drei Monaten arbeiten dürften, aber faktisch bei den Ausländer- behörden monatelang darauf warten, dass sie für den konkreten Arbeits- oder Prakti- kumsplatz eine formale Zustimmung bekommen. Und die immer und immer wieder diese formale Zustimmung der Zuwanderungsbehörde zu spät erhalten.
Aber der Arbeitsplatz ist nun mal weg, wenn man drei, sechs oder gar neun Monate auf
2 eine Zusage warten muss. Kein Unternehmen in Schleswig-Holstein kann sich leisten, so lange zu warten und Stellen unbesetzt zu lassen. Die Menschen stehen Schlange bei den Behörden, um arbeiten zu dürfen. Aber hier ist die letzten Jahre ein echtes Bürokra- tiemonster entstanden, dass wir abschaffen müssen.
Dieser Verwaltungsaufwand ist in einem Land mit Fachkräftemangel nicht zu rechtferti- gen. Deshalb ist es so wichtig, wenn Robert Habeck gestern sagt, dass das Ermessen der Zuwanderungsbehörden hier eingeschränkt werden soll. Das wird unsere Behörden enorm entlasten und muss schnellstens umgesetzt werden. Und ich halte das für ganz entscheidende Punkte, um die aktuelle Lage endlich zu lösen und mehr Akzeptanz zu erreichen.
Das Problem an dem FDP-Antrag ist, dass hier keine Lösungen vorgeschlagen werden, die zur Entlastung der Kommunen führen, sondern nur Punkte, die entweder schon durch die Landesregierung umgesetzt werden oder zu einer zusätzlichen Belastung der Kom- munen führen.
Die Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten halte ich asylrechtlich für problematisch und die Menschen aus diesen Ländern bekommen alle ein absolutes Arbeitsverbot. Das be- deutet zusätzliche Bürokratie und Belastung für das Sozialsystem und für die Menschen. Und Asylverfahren und Rückführungen beschleunigen sich dadurch nicht, falls das die Hoffnung der FDP wäre.
Die Umstellung auf noch mehr Sachleistungsprinzip wäre ein hoher Verwaltungsauf- wand. Jeder Ort bräuchte Kleiderkammern, Lebensmittelkammern und so weiter. Bezahl- karten müssten nicht nur mit dem Lebensmittelhandel, sondern dem gesamten Einzel- handel abgestimmt werden. Außerdem können die Kommunen schon jetzt selbst ent- scheiden, fast alles als Sachleistung auszubezahlen. Lassen wir sie weiterhin selbst ent- scheiden.
Die Aufstockung der Landesunterkünfte ist vernünftig, passiert aber auch schon. Und zu Ihrem Vorschlag, die Asylbewerber*innenleistung an europäische Standards anzuglei- chen: Wie soll das denn genau funktionieren? Wie sollen sie angeglichen werden an Län- der mit viel geringeren Löhnen, Lebensmittel-, Energie- und Mietpreisen?
Selbst der wissenschaftliche Dienst des Bundestages schreibt in seinem Gutachten vom März, dass die Sozialleistungssysteme der EU-Staaten kaum miteinander vergleichbar sind und deshalb auch die Höhe der Asylbewerber*innenleistung nicht in Bezug gesetzt werden kann.
In seinem Urteil vom 19. Oktober 2022 stellt unser Bundesverfassungsgericht noch ein- mal klar: Die Sozialleistungen müssen also ausreichen, um das Existenzminimum einer Person zu sichern. Und zwar hier in Deutschland und nicht in Bulgarien. Das ist unser Sozialstaatsprinzip und kein Pull-Faktor, den man abschaffen muss.
Und unser schleswig-holsteinisches Rückführungsmanagement ist so effizient wie es eben sein kann, dafür wurde Joachim Stamp – übrigens FDPler – auf Bundesebene als „Sonderbevollmächtigter für Migrationsabkommen“ eingesetzt, er ist dafür verantwortlich, bundesweit die Rahmenbedingungen zu erleichtern und Verhandlungen mit Herkunfts- ländern für Migrationsabkommen zu führen. Das kann ihm die Landesregierung nicht ab- nehmen.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich den Pragmatismus, der am Montag an den Tag
3 gelegt wurde, sehr begrüße. Schleswig-Holstein packt an. Und das müssen wir auch. Ich glaube, wir sind in Schleswig-Holstein auf einem guten Weg, beides zu schaffen – die Kommunen durch kluge Maßnahmen zu entlasten und gleichzeitig das Asylrecht zu wah- ren. Und dafür danke ich allen Beteiligten für ihre großen Anstrengungen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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