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22.11.23
12:33 Uhr
SSW

Lars Harms: Wir brauchen schnelle Asylverfahren und Integration durch Sprachkurse und Arbeit

Presseinformation Kiel, den 22.11.2023

Es gilt das gesprochene Wort


Lars Harms TOP 1A+33+38 Regierungserklärung zu den "Ergebnissen der Besprechung der Regierungschefinnen und -chefs mit dem Kanzler am 6. November 2023" sowie Umsetzung der Resolution der PSO „Sozialen Zusammenhalt stärken – Migration und Integration“ und gemeinsames Vorgehen gegen die irreguläre Migration Drs. 20/1579, 20/1609

„Wenn man die Menschen länger als 1 ½ Jahre von sozialen Leistungen ausschließt, wie derzeit angedacht, ist das keine Lösung!“
Bevor ich in größerem Umfang auf die Asylpolitik eingehe, möchte ich noch zwei Dinge aus der Erklärung der Regierungschefs ansprechen, die vielleicht nicht im Fokus stehen, aber trotzdem sehr wichtig sind für die Glaubwürdigkeit von Politik. Da ist zum einen das Deutschlandticket. Hier muss klar sein, dass der Preis für dieses Ticket nicht schon nach einem Jahr wieder erhöht werden darf. Die Menschen haben einerseits genug Lasten zu tragen und andererseits sollten wir uns unseren Erfolg zugunsten der Mobilitätswende nicht durch eine Verteuerung des Tickets wieder zunichtemachen. Zum anderen freut es mich, dass es Planungsbeschleunigungen und schnellere Genehmigungsprozesse geben soll. Wenn, dann aber bitte auch für alle Planungen – egal ob es Zugstrecken, Straßen, Häuserbau oder sonst etwas sind. Und wenn auf Bundesebene Regelungen zur Planungsbeschleunigung beschlossen werden, dann müssen diese auch 1:1 im Landesrecht übernommen werden. Nun aber zur Asyl- und Migrationspolitik: Schon in einigen Reden habe ich gesagt, dass es notwendig sein wird, in der Asyl- und Migrationspolitik Kompromisse eingehen zu müssen. Wo die Kompromisslinien liegen muss natürlich jeder für sich selbst klären. Aber die Tatsache, dass neben den vielen Krisen auch die ungesteuerte Migration in breiten Teilen der Bevölkerung Sorgen hinterlässt, lässt sich nicht leugnen. Und dabei rede ich nicht von irgendwelchen Rechtsextremisten, sondern von der Bevölkerung in der Breite, die sicher nicht rechtsextrem ist. Die Friedrich Ebert Stiftung hat eine Untersuchung dazu durchgeführt, was die Deutschen über die Migration denken. Die Ergebnisse finden sich sicherlich auch in anderen Umfragen.

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Die Ergebnisse sind: Wer vor Krieg und Verfolgung flüchtet, soll bleiben dürfen. Für Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen und vor Armut nach Deutschland fliehen, zeigt die Mehrheit dieser Umfrage hingegen eine geringe Akzeptanz. Und wer nach Deutschland geflüchtet ist, sich hier gut integriert hat und einer Arbeit nachgeht, der soll bleiben dürfen – selbst wenn er oder sie eigentlich ausreisepflichtig ist. Auch der NDR hat kürzlich eine Umfrage gemacht, mit im groben dem gleichen Ergebnis. Aber: Gut zwei Drittel der Teilnehmer an der Umfrage machen sich Sorgen, dass derzeit zu viele Migranten nach Deutschland kommen. Viele fühlen sich von ihren Landesregierungen nicht ernst genommen. Ich bewerte diese Einstellungen nicht, sondern ich stelle sie nur fest. Und darauf hat die Politik Antworten zu finden. Und hier muss man dann natürlich schon betrachten, ob das, was bei der Besprechung der Regierungschefs rausgekommen ist, denn schon die Lösung ist. Will man den Zuzug von unberechtigt einreisenden Personen begrenzen oder doch zumindest die Kontrolle hierüber erhalten, dann sind Einreisekontrollen unumgänglich. Und dabei muss es bei der Einreise möglich sein, seinen Asylantrag zu stellen – mit allen Konsequenzen, die dazu gehören. Wenn es keine gemeinsame Kompromisslösung auf europäischer Ebene geben würde, dann würde wohl schnell eine Diskussion über nationale Grenzsicherung und Grenzkontrollen entstehen. Das muss in jedem Fall verhindert werden und deshalb ist es richtig, dass Deutschland hier weiterhin auf ein gemeinsames europäisches Asylsystem setzt. Und das beinhaltet natürlich Grenzsicherung und Grenzkontrollen an den EU-Außengrenzen. Insofern ist das Ziel, hier bis Frühjahr 2024 Entscheidungen herbeizuführen, richtig. Wohlwissend, dass die Vorstellungen in der EU hierzu sehr unterschiedlich sind. Eines muss beim gemeinsamen europäischen Asylsystem aber klar sein: An den Grenzkontrollstellen muss es immer möglich sein, einen Asylantrag zu stellen. Es muss dort immer möglich sein, nach hohen humanitären Standards untergebracht und betreut zu werden. Und es muss ein europäisches Verteilsystem geben, nach dem die Flüchtlinge auf die EU-Staaten verteilt werden. Was nicht benötigt wird ist, dass wir die Menschen irgendwo nach Afrika oder anderswo ins Ausland bringen und dort das Asylverfahren und womöglich eine jahrelange Unterbringung durchführen. Eine Rechtsstaatlichkeit, wie wir sie kennen, und eine humanitäre Behandlung können wir nirgends sicher garantieren und deshalb verbietet sich eine solche Lösung. Das heißt dann auch, dass wir mit den wichtigsten Herkunftsstaaten Rückführungsabkommen benötigen. Diese müssen durchgesetzt werden! Während es bisher wenig Anreize für diese Länder gab, an Rückführungen oder Identifizierungen mitzuwirken, gibt es heute vielleicht eine Lösung: Wenn ein Staat dabei mitmacht, die eigenen Staatsangehörigen unbürokratisch wieder aufzunehmen, die in Deutschland kein Bleiberecht haben, erhalten seine Staatsangehörigen unter klar umrissenen Voraussetzungen verbesserte Möglichkeiten zur regulären Arbeitsmigration. Es muss hier aber schnell gehen und jede Möglichkeit, um die jeweiligen Staaten zu einem Abkommen zu bewegen, muss genutzt werden.
Wenn wir also diese beiden Punkte, Grenzsicherung und Grenzkontrollen sowie Rückführungsabkommen umsetzen, dann stellt sich die Frage, was passiert mit denen, die wir hier bei uns integrieren wollen? Und hier haben die Absprachen definitiv die größten Schwächen. Gegen beschleunigte Asylverfahren kann ja erst einmal niemand etwas haben. Aber wenn es darüber geht, dass man pauschal sichere Herkunftsländer definiert, bei denen dann 3
Verfahrenswege für die Betroffenen verkürzt werden, ist das keine Beschleunigung, sondern ein Aushöhlen des Asylrechts. Und auch, wenn man die Menschen länger als 1 ½ Jahre von sozialen Leistungen ausschließt, wie derzeit angedacht, ist das keine Lösung. Erstens, können sich die Menschen mangels Mittel noch schlechter integrieren als ohnehin schon, was eigentlich nicht unser Ziel sein sollte. Und zweitens wird für diejenigen dann der Druck steigen, auf andere – nämlich illegale – Art und Weise ein Mindestmaß an Teilhabe erlangen zu können. Das Ganze geht womöglich nach hinten los und die Rechtsradikalen frohlocken, weil sie es angeblich schon immer gewusst haben. Leistungskürzungen sind an Ende dann ein Konjunkturprogramm für Rechtsextremisten. Statt Leistungen zu kürzen, müssen die Menschen schnell und unkompliziert in Arbeit gebracht werden – auch, wenn sie vielleicht längerfristig doch nicht hierbleiben dürfen. Und genau hier ist die Erklärung eher einschränkend. Arbeitsmöglichkeiten sollen vornehmlich für Geflüchtete mit rechtlich gesicherter Bleibeperspektive entstehen. Alle anderen sind da raus! Das ist zwar ein kleiner Anfang, aber das reicht nicht. Wenn jemand als Flüchtling seinen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten will, dann soll er es doch können. Und in den vorher genannten Umfragen heißt es dann noch, dass der Geflüchtete dann auch bleiben soll. Warum sollten wir auch arbeitswillige und arbeitsfähige Menschen ausweisen, um dann für die gleichen Jobs Menschen aus dem Ausland wieder anzuwerben. Das ist doch unsinnig!
Was im Übrigen in der Erklärung der Regierungschefs fehlt, ist eine definitive Zusage, dass jeder Flüchtling umgehend einen Deutschkurs bekommt und wie in Zukunft endlich unkompliziert Berufsqualifikationen anerkannt werden können. Beides ist Voraussetzung für eine schnelle und gelingende Integration. Und selbst, wenn die Menschen später wieder in ihre Heimat zurückkehren müssen, können sie dort möglicherweise ihre erworbenen Sprachkenntnisse irgendwie nutzen. Jedenfalls mit der Sprachvermittlung zu warten, bis jemand als ganz sicher anerkannt gilt, dauert viel zu lange.
Und zu guter Letzt ist es natürlich richtig, dass die Kommunen bei der Unterbringung und der Betreuung der Flüchtlinge finanzielle Hilfe bekommen müssen. Und hier ist in erster Linie der Bund gefragt. Wenn wir wollen, dass die positive Grundhaltung der meisten Menschen erhalten bleibt, dann müssen wir die Kommunen in die Lage versetzen, die Menschen auch integrieren zu können. Und das geht nur mit Geld für Wohnungsbau, Unterbringungskosten und Integrationsleistungen.
In der NDR-Umfrage wurde folgender Satz in den Raum gestellt gestellt: "Meine Landesregierung nimmt meine Sorgen zum Thema Migration ernst." 76% der Befragten stimmten diesem Satz eher nicht oder überhaupt nicht zu! Das muss uns Sorge bereiten. Und deshalb darf es bei Erklärungen nicht bleiben, es muss auch schnell gehandelt werden!
Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/