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29. Juni 2017 – Top 01A: Regierungserklärung

Günther stellt Kernpunkte der Regierungspolitik vor

Mehr Investitionen in die Infrastruktur sowie Verbesserungen bei Bildung und Sicherheit, beim Umweltschutz und der Energiewende - das sind laut Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) die Kernpunkte der Jamaika-Koalition.

Regierungserklaerung Guenther
Ministerpräsident Daniel Günther will eine neue Dynamik im Land. Foto: dpa, Carsten Rehder

Am zweiten Sitzungstag steht der erste große Schlagabtausch der neuen Wahlperiode an. Der parlamentarischen Tradition folgend wird der neue Ministerpräsident, voraussichtlich Daniel Günther (CDU), sein politisches Programm in einer Regierungserklärung ausführlich darlegen, und die Opposition hat die Gelegenheit, ihre Kritik am Kurs der neuen Koalition zu formulieren. Für diese Generaldebatte wurde der gesamte Donnerstag-Vormittag reserviert (30 Minuten je Redner / Gesamtdauer 210 Minuten).

Mitte Juni hatten CDU, Grüne und FDP nach mehrwöchigen Verhandlungen den Vertrag für ihr "Jamaika"-Bündnis vorgelegt. 114 Seiten umfasst die Regierungsvereinbarung und beinhaltet die Leitlinien für die zukünftige Politik des Landes.

Kernpunkte des Koalitionsvertrages
(Quelle: dpa)

Haushalt und Finanzen

Geplant ist, die Investitionsquote zu verstetigen und Schulden abzubauen. Das Bündnis will einen Tilgungsplan erarbeiten, Haushaltsüberschüsse grundsätzlich zum Schuldenabbau, für den Versorgungsfonds und zur Sanierung der Infrastruktur nutzen. Geplant ist ein Investitionspaket von zusätzlich 512 Millionen Euro in den kommenden fünf Jahren für die Modernisierung des Landes. Konkret fließt das Geld in das marode Straßennetz (120 Mio. Euro), die Hochschulen (100 Mio.), den Schulbau (50 Mio.), die digitale Infrastruktur (50 Mio.), die Krankenhäuser (50 Mio.) und den öffentlichen Nahverkehr (40 Mio.). Das Geld dafür soll soweit wie möglich aus Haushaltsüberschüssen stammen, ansonsten aus Umschichtungen.

Bildung und Wissenschaft

Die Gymnasien kehren ab dem Schuljahr 2019/20 flächendeckend zum Abitur nach neun Jahren (G9) zurück, beginnend mit den Jahrgängen fünf und sechs. Die Gymnasien haben aber einmalig die Chance, bei ihrem bisherigen G8- oder Y-Modell zu bleiben, wenn die Schulkonferenz dies mit Dreiviertel-Mehrheit beschließt. Bis 2022 soll es an den Schulen 100 Prozent Unterrichtsversorgung geben. Die dafür notwendigen Stellen sollen geschaffen werden. Bei der Inklusion setzt "Jamaika" auf Qualität statt Quantität. Bis 2024 sind jährlich 70 neue Lehrerstellen für Sonderpädagogen geplant. Mehr Geld bekommen die Hochschulen. Insgesamt sind schrittweise weitere 30 Millionen Euro ab 2020 vorgesehen, Fachhochschulen und künstlerische Hochschulen profitieren überproportional.

Soziales und Gesundheit

Es gibt einen Fonds von zehn Millionen Euro für Barrierefreiheit im öffentlichen Raum. Das von der Vorgängerregierung eingeführte Krippengeld von 100 Euro im Monat bleibt zumindest vorerst. Bis 2022 investiert die Regierung schrittweise 170 Millionen Euro in den Kita-Bereich, davon sind mindestens 50 Millionen zur Entlastung der Eltern eingeplant und 50 Millionen für den Betriebskostenzuschuss des Landes an die Kommunen. Die restlichen 70 Millionen Euro sollen zur Verbesserung der Qualität genutzt werden. Mit der Einführung neuer Elternbeiträge soll das Kitageld später entfallen. Zehn Prozent der Medizin-Studienplätze werden für Studenten reserviert, die sich verpflichten, später als Arzt auf dem Land zu arbeiten. Eine gute medizinische und pflegerische Versorgung soll auch auf dem Land sichergestellt werden.

Wirtschaft und Verkehr

Das Bündnis setzt auf einen Ausbau der Infrastruktur, vor allem von Straßen, des öffentlichen Nahverkehrs und der Radwege. Die Planungskapazitäten des Landesbetriebs sollen ausgebaut und dadurch künftig mehr Bundesmittel für den Straßenbau abgerufen werden. Das Bündnis steht hinter wichtigen Verkehrsprojekten wie der Autobahn 20 und dem geplanten Fehmarnbelt-Tunnel. Den Weiterbau der A20 will das Land wie vom Bund vorgesehen zügig umsetzen, die neuen Möglichkeiten durch den Belttunnel nutzen. Auf Bundesebene will sich die Koalition für einen Ausbau der Bundesstraße 5 an der Westküste einsetzen. Kommunen können künftig in eigener Verantwortung auf Straßenbaubeiträge ihrer Bewohner bei der Sanierung von Straßen verzichten.

Umwelt, Agrar und Energie

Bis 2025 sollen die Windräder zwischen Nord- und Ostsee zusammen zehn Gigawatt Leistung haben. Dafür reichen etwa zwei Prozent der Landesfläche aus. Prüfen will die Koalition, ob auch das sogenannte Repowering alter Windanlagen insbesondere an windreichen Standorten an der Westküste möglich ist, die außerhalb der künftig vorgesehenen Gebiete liegen. Ist dies möglich, will die Koalition die Mindestabstände auf 500 Meter zu Einzelhäusern und 1000 Meter zu Siedlungen erhöhen statt bislang 400 beziehungsweise 800 Meter. Künftig gelten zudem neue Kriterien: Von Einzelhäusern muss der Abstand mindestens die dreifache Windradhöhe betragen, zu Siedlungen gilt das Fünffache. In der Agrarpolitik hält die neue Regierung an der Förderung des Ökolandbaus fest.

Innen und Recht

Für die Polizei gibt es 500 neue Stellen. In der Flüchtlingspolitik soll das zuständige Ministerium bei Rückführungen in Staaten mit besonders unübersichtlicher Sicherheitslage (wie derzeit Afghanistan) in jedem einzelnen Fall prüfen, „ob eine Rückkehr nach humanitären Gesichtspunkten zu verantworten ist“. Der Landesmindestlohn läuft aus, das Korruptionsregister wird abgeschafft, weil es bereits entsprechende Regelungen auf Bundesebene gibt.

(Stand: 23. Juni 2017)

 

Stichwort Regierungserklärung

Der Ministerpräsident und die Mitglieder der Landesregierung haben die Möglichkeit, während einer Plenarsitzung des Landtages eine Regierungserklärung, das heißt, eine Stellungnahme zu einem aktuellen politischen Thema, abzugeben. Traditionell stellt ein frisch gewählter Regierungschef zum Beginn einer Wahlperiode sein Regierungsprogramm in einer ausführlichen Regierungserklärung vor. Die anschließende Aussprache des Landtages wird in der Regel durch den Oppositionsführer eröffnet. In der vergangenen 18. Wahlperiode (2012-2017) hat die Landesregierung insgesamt 17 Regierungserklärungen auf die Tagesordnung gehoben. Inder 17. Wahlperiode (2009-2012) waren es sechs.

Mehr Investitionen in die Infrastruktur sowie Verbesserungen bei Bildung und Sicherheit, beim Umweltschutz und der Energiewende: Das sind die Kernpunkte der Jamaika-Koalition, die Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Donnerstag in seiner ersten Regierungserklärung vorgestellt hat. Sein Bündnis sei „eine Koalition der Möglich-Macher, der Brückenbauer.“ Die Oppositionsfraktionen hielten viele der Jamaika-Vorhaben für zu vage. SPD und SSW kündigten aber an, die Regierungsarbeit „konstruktiv und kritisch“ zu begleiten.

Ministerpräsident Günther sagte, ...

Schleswig-Holstein brauche mehr Dynamik. Gut 500 Millionen Euro mehr wollen CDU, Grüne und FDP in dieser Wahlperiode ausgeben, um die Investitionsquote auf ein höheres Niveau zu heben. Die Koalition wolle ökologische Verantwortung und wirtschaftliche Vernunft verbinden, so Günther. Das Geld soll in Hochschulen, in den Schulbau, in die digitale Infrastruktur und die Krankenhäuser fließen, außerdem in das Straßennetz und den öffentlichen Nahverkehr.

Außerdem wollten CDU, Grüne und FDP „eine nachhaltige, umweltschonende, tiergerechte sowie wirtschaftlich erfolgreiche Landwirtschaft“. Diese verschiedenen Ziele „gehen zusammen“, so Günther. Der Regierungschef kündigte eine Initiative für ein Einwanderungsgesetz an: „Wir werden das in den Bundesrat einbringen.“ Und: Auch seine Koalition stehe für eine humane Flüchtlingspolitik, betonte Günther.

Er hob die Verdienste der Vorgängerregierung aus SPD, Grünen und SSW hervor und bot den jetzigen Oppositionsfraktionen SPD und SSW die Zusammenarbeit an: „Ideen werden nicht dadurch klug, dass sie aus den Regierungs- oder den Oppositionsfraktionen geboren werden.“

Bei allen geplanten Projekten gab der Ministerpräsident eine klare Prämisse vor: „Wir geben nicht mehr aus, als wir einnehmen“.

Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) übte ...

scharfe Kritik: Jamaika sei kein Zukunftsbündnis. Koalitionsvertrag und Günther-Rede ließen keinen Politikwechsel erwarten. Viele Wahlversprechen würden nicht umgesetzt, und im Koalitionsabkommen sei viel Unverbindliches mit mehr als 100 Prüfaufträgen festgehalten: „Dafür brauchen Sie keine Landesregierung, sondern einen Prüfausschuss“, argwöhnte Stegner: „Wo sind die großen Zukunftsideen?“

Die neue Koalition übernehme das Ruder zu einem glücklichen Zeitpunkt, merkte Stegner an. Das Land befinde sich in guter Verfassung, weil SPD, Grüne und SSW den Haushalt saniert und damit Handlungsspielräume eröffnet hätten. Wofür Jamaika diese nutzen wolle, bleibe aber unklar: Die neue Koalition setze vieles, was die Nord-Ampel auf den Weg gebracht habe, fort. Ansonsten habe man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt.

Hart griff Stegner Teile der Grünen an. Sie seien nach der Wahl willig der FDP gefolgt, hätten ein Bündnis mit der SPD ausgeschlossen und so getan, „als sei diese schwarze Ampel die einzige Möglichkeit gewesen“.

Der neue CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Koch betonte, ...

Jamaika sei „weit mehr als ein Zweckbündnis“, nämlich „eine echte Herzensangelegenheit“. Die schwarz-grün-gelbe Partnerschaft habe das „Potential für eine längerfristige Zusammenarbeit über fünf Jahre hinaus“ und könne zum „Trendsetter“ für die Bundestagswahl im September werden. „Herzstück von Jamaika“ sei der Kita-Ausbau. Geplant seien Extra-Zuschüsse von 170 Millionen Euro, um bessere Öffnungszeiten, eine Betreuung in den Ferien und mehr Personal zu erreichen und damit die Eltern zu entlasten.

Der Koalitionsvertrag trage die „klare Handschrift der CDU“, merkte Koch an. So seien „alle unsere Wahlforderungen“ im Verkehrsbereich enthalten: 90 Millionen Euro extra zur Beseitigung des Sanierungsstaus im Straßennetz sowie das Ja zur Autobahn 20 und zur Fehmarnbeltquerung. Auch in der Schulpolitik seien die Christdemokraten tonangebend. So sollen die Gymnasien zum G9-Abi zurückkehren. Notenzeugnisse an Grundschulen, schriftliche Schulartempfehlungen und Klassenwiederholungen kehrten ebenfalls zurück, so Koch.

Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben bezeichnete ...

die neue Koalition als „Neuland“ und „Wagnis“. Sie wandte sich gegen eine „Ausschließeritis“ zwischen den Parteien: „Bei wachsendem Populismus und Bauernfängerei müssen alle demokratischen Kräfte in der Verantwortung stehen, die liberale Demokratie zu stützen.“

Jamaika sei keine Blaupause für den Bund, weil es landesspezifisch sei, so von Kalben. Die Annäherung zwischen den Partnern sei überraschend schnell gekommen. "Das gelang nur, weil wir als Menschen agiert haben, nicht als Taktiker.“ Von Kalbens Ziel: „Wir wollen auf unserer Politik in der Küstenkoalition aufbauen und gemeinsam in Jamaika neue Akzente setzen.“

Als grüne Schwerpunkte hob sie die Umwelt-, Flüchtlings- und Frauenpolitik hervor. 15 Prozent der Landesfläche sollen Biotop werden, ein Integrationsgesetz soll erarbeitet und die Rechte der Frauen sollen gestärkt werden: „Diese Regierungskoalition wird den Zusammenhalt im Land weiter fördern und niemanden auf der Strecke lassen.“

FDP-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kubicki (FDP) nannte …

Jamaika ein spannendes Experiment. Er sei aber vom Erfolg überzeugt. Die Vertrauensbasis sei so stabil, dass man gemeinsam Stürme überstehen und dem Land „Zukunftsperspektiven“ eröffnen könne.

Schleswig-Holstein leide darunter, dass das Wirtschaftswachstum im Vergleich zu den anderen westdeutschen Flächenländern seit Jahren unterdurchschnittlich sei. Das habe „fatale Konsequenzen“ für den Arbeitsmarkt und die Zukunftschancen junger Menschen, für die Wertschöpfungsketten im Land „und damit auch für die politischen Möglichkeiten einer Landesregierung“. Die Straßen seien „das größte Anlagevermögen des Landes“ und zugleich „die Lebensader für die Wirtschaft“. Er sei froh, dass sich die Koalition darauf verständigt habe, mehr Geld in deren Erhalt zu stecken.

Als Verantwortliche für die niedrige Investitionsquote von zuletzt unter sieben Prozent machte Kubicki die SPD und deren Chef Ralf Stegner aus. Dieser habe die politischen Mitbewerber, die sich für den Erhalt der Straßeninfrastruktur einsetzten, als „Betonfetischisten“ denunziert.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Nobis hob hervor, ...

dass es einige AfD-Themen in den Jamaika-Koalitionsvertrag geschafft hätten - etwa die Forderungen zum Erhalt kleiner Grundschulen, der dualen Ausbildung und des Meisterbriefs. „AfD wirkt“, so Nobis.

Grundsätzlich habe sich das neue Bündnis aber lediglich auf ein „karibisch-buntes Sammelsurium unterschiedlicher Programme und Überzeugungen“ geeinigt. „Parteipolitische Gräben“ würden „mit viel Geld zugeschüttet“. Nobis protostierte gegen eine „karibische Ausgabenmentalität“, denn die Schuldenquote des Landes liege bereits jetzt über der des Inselstaates Jamaika.

Der CDU warf Nobis vor, sich einige „grüne Überraschungseier“ ins Nest legen zu lassen. Er wandte sich gegen die Pläne, an den Schulen über sexuelle Vielfalt aufzuklären, und lehnte die sogenannte Homo-Ehe ab. Sein Vorwurf an die Christdemokraten: „Sie sind weit nach links gerückt und habe Ihre konservativen Wähler verraten und verkauft.“

Der Vorsitzende des SSW, Lars Harms, argwöhnte, ...

das Jamaika-Bündnis arbeite „wie der TÜV“: Es werde wenig Konkretes auf den Weg gebracht, sondern vor allem geprüft. „Und bei allem, wo geprüft wird, ist noch Pfeffer drin. Da freuen wir uns, mitzumischen“, sagte Harms. Zugleich lobte Harms, dass viele Projekte aus der Zeit der Küstenkoalition fortgeführt würden.

Erfreulich sei etwa, dass Jamaika die bisherige Minderheitenpolitik fortsetzen wolle und sich zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bekenne: „Wir werden uns hier gerne und konstruktiv einbringen.“ Kritik übte der SSW-Mann vor allem an der geplanten getrennten Lehrerausbildung für Gymnasien und Gemeinschaftsschulen. Das gefährde den Hochschulstandort Flensburg und sei „ein teurer Rückschritt“. Zudem bedauerte Harms, die bestehenden Ostsee- und Nordseekooperationen, etwa mit den Niederlanden, würden im Koalitionsvertrag zu wenig berücksichtigt.

Regierungserklärung zu Beginn der neuen Wahlperiode

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