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15. Juni 2018 – Top 32: Flüchtlingspolitik

Scharfe Wortgefechte zur Abschiebehaft

Seit Dezember ist klar: Das Land will eine Abschiebehaftanstalt in Glückstadt (Kreis Steinburg) einrichten, die im Norden länder­übergreifend genutzt werden soll. Im Landtag erhitzt das Projekt die Gemüter. 

Ausweis für Asylbewerber
Abgelehnte Asylbewerber müssen das Land wieder verlassen. Foto: dpa, Patrick Pleul

Die SPD lehnt die von der Landesregierung geplante Einrichtung einer Abschiebehaftanstalt in Glücksstadt (Kreis Steinburg) aus humanitären Gründen ab. „Die Inhaftierung von Menschen, die keine Straftaten begangen haben und von denen keine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht, widerspricht den Grundsätzen einer freiheitlichen Gesellschaft“, begründen die Sozialdemokraten ihren Anfang Juni vorgelegten Antrag.

Die Abschiebehaftanstalt, die auch die Nachbarländer Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern nutzen können, soll Anfang 2020 in Betrieb gehen. Dafür muss ein spezielles Gesetz erlassen werden, dessen Entwurf Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) Ende Mai vorgestellt hat. Es soll die Rahmenbedingungen für einen ordnungsgemäßen und sachgerechten Vollzug der Abschiebehaft in Schleswig-Holstein schaffen und, so Grote, „sicherstellen, dass die Abschiebungshaft bei uns so human wie möglich durchgeführt wird“. Die mitregierenden Grünen machten nach der Vorstellung des Entwurfs deutlich, dass ihnen die Zustimmung schwer gefallen sei.

SPD führt rechtsstaatliche Bedenken an

Die SPD setzt dagegen weiterhin klar auf das bisherige Instrument der freiwilligen Ausreise abgelehnter Asylbewerber. Für den Fall, dass die Landesregierung auf die Haftanstalt beharre, führt die Oppositionsfraktion in ihrem Antrag bereits einige Personengruppen, die dort in gar keinem Fall inhaftiert werden dürften: Minderjährige, Schwangere, Alleinerziehende, Eltern von Kindern unter zwölf Jahren, Behinderte und akut beziehungsweise chronisch Kranke.

Bei der öffentlichen Vorstellung des Antrags warf SPD-Fraktionsvize Serpil Midyatli der Jamaika-Koalition vor, sie opfere wesentliche Elemente der humanen Flüchtlingspolitik des Landes. Das für die geplante Abschiebehaftanstalt notwendige Gesetz sei rechtsstaatlich zudem bedenklich – insbesondere mit Blick auf eine etwaige Inhaftierung von Kindern und Jugendlichen.

(Stand: 11. Juni 2018)

Vorherige Debatten zum Thema:
März 2018 (Halbjahresbericht zu Flüchtlingspolitik)
September 2017 (Abschiebehaft)

Der Streit um die geplante Abschiebe-Haftanstalt in Glückstadt (Kreis Steinburg) ist im Landtag eskaliert. SPD und SSW lehnen die Einrichtung aus humanitären Gründen ab. Es entstehe ein „Super-Abschiebe-Knast“ und ein „millionenschweres Prestigeobjekt, das nicht leerstehen wird“, heizte der Oppositionsführer und SPD-Fraktionschef Ralf Stegner die Flüchtlingsdebatte an. Redner der Jamaika-Fraktionen und Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) betonten hingegen, ihnen sei eine Abschiebehaft im eigenen Land lieber als woanders, weil sie so die Standards selbst besser definieren könnten.

Die Wortgefechte waren in der hochemotionalen Debatte scharf. So hielt Barbara Ostmeier (CDU) den Sozialdemokraten vor, „den Weg konstruktiver Debatten“ verlassen zu haben. „Ihr Antrag ist sehr befremdlich, nicht konstruktiv und nicht sachlich“, warf Ostmeier dem Oppositionsführer vor. Grüne, FDP und AfD hielten Stegner zudem Scheinheiligkeit, „mangelnde Rechtskenntnisse“ sowie „billigen Linkspopulismus und Angstmache“ vor.

Haft ist für Kriminelle und nicht für Schutzsuchende

Stegner hatte zuvor erklärt, die SPD bevorzuge freiwillige Ausreisen. Abschiebehaft müsse „die absolute Ausnahme“ bleiben. Dafür brauche es „maßgeschneiderte Lösungen mit anderen Bundesländern“. Grundsätzlich nicht inhaftiert werden sollten Minderjährige, schwangere Frauen, Alleinerziehende von Kindern, Eltern von Kindern unter zwölf Jahren, Menschen mit chronischen oder akuten Erkrankungen und mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent. „Haft ist für Kriminelle und nicht für Menschen, die hier Schutz suchen“, so Stegner. In die gleiche Kerbe schlug Lars Harms (SSW): „Menschen, die nichts verbrochen haben, gehören in keine Haftanstalt.“

In seinem Redebeitrag sparte Stegner nicht mit Kritik an der Jamaika-Koalition. Das Schleswig-Holsteinische Abschiebegesetz sei „restriktiver als in Bayern oder Sachsen“. Zugleich hielt er der Landesregierung einen „drastischen Kurswechsel“ vor. Besonders ging er auch auf die Grünen ein. „So einen Gesetzentwurf hätte es mit Ihnen früher, als beispielsweise eine Luise Amtsberg noch hier saß, sicherlich nicht gegeben.“ Die Position der SPD habe sich dagegen nicht geändert, so Stegner.

Scharfe Kritik an Stegner

Das veranlasste Burkhard Peters (Grüne) dazu, Stegner als „therapiebedürftig“ zu titulieren. Auch Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben kritisierte die „unangemessene Überheblichkeit“ von Stegner. „Sie führen die Grünen vor“, schloss CDU-Fraktionschef Tobias Koch an. „Es wäre besser gewesen, wenn wir diese Debatte nicht geführt hätten. Ich bitte Sie künftig keine politischen Brandsätze dieser Art zu werfen“, so Koch weiter. Für den Ausdruck „Brandsatz“ entschuldigte er sich später. Jan Marcus Rossa (FDP) hielt Stegner „erstaunlichen und erschreckenden Rechtssinn“ vor. Das sei „hochnotpeinlich“.

Während Claus Schaffer (AfD) daran erinnerte, dass mehr als 700 Abschiebungen im vergangenen Jahr in Schleswig-Holstein nicht erfolgten, weil die Menschen untergetaucht seien, verteidigten CDU, Grüne und FDP die Abschiebe-Haft – unter anderem auch die Planung, dass Minderjährige einsitzen können. Dies sei mit deutschem und EU-Recht vereinbar, solle aber „absoluten Ausnahmecharakter“ haben, so Innenminister Grote. Hierfür gebe es bereits einen Erlass seines Ministeriums.

Der vorliegende Antrag der SPD wurde abgelehnt, der Alternativantrag der Koalition angenommen.

Antrag

Abschiebungshaft ist keine humane Flüchtlingspolitik!
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/763