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30. August 2019 – Gedenken an den Zweiten Weltkrieg

„Vollständige Wiedergutmachung ist nicht möglich“

Am 1. September vor 80 Jahren begann der Zweite Weltkrieg mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen. Mit einer Gedenkveranstaltung hat der Landtag heute an diesen Jahrestag erinnert. 

Blick in den Plenarsaal bei der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges.
Landtagspräsident Klaus Schlie (r., am Rednerpult) erinnert an die Schrecken des Zweiten Weltkrieges. Unter den Gästen ist auch der polnische Botschafter Andrzej Przyłębski (Bildmitte, vordere Reihe) Foto: Thomas Eisenkrätzer

In einer Gedenkveranstaltung mit 150 Gästen aus Politik und Gesellschaft hat der Landtag des deutschen Angriffs auf Polen am 1. September 1939 gedacht. Vor 80 Jahren begann der zweite Weltkrieg, dem schätzungsweise 60 Millionen Menschen zum Opfer fielen, darunter sechs Millionen Polen. Der polnische Botschafter in Berlin, Andrzej Przyłębski, hielt ein Grußwort. Prof. Martin Aust, Osteuropa-Historiker an der Universität Bonn ordnete das historische geschehen in seiner Gedenkrede ein. Zuvor begrüßte Landtagspräsident Klaus Schlie die Gäste.  

Der Parlamentspräsident erinnerte daran, dass der Zweite Weltkrieg am frühen Morgen des 1. September 1939 mit Schüssen des deutschen Linienschiffes „Schleswig-Holstein“ auf die Danziger Westerplatte begann. Besonders schmerzvoll für den Landtag sei es, dass mit Heinz Reinefarth ein Kriegsverbrecher und Massenmörder zeitweilig Mitglied des Parlaments war. Reinefarth befehligte als SS-General deutsche Truppen, die im August und September 1944 den Warschauer Aufstand niederschlugen. Etwa 200.000 polnische Zivilsten fielen der Strafaktion zum Opfer. Reinefarth wurde nie juristisch belangt, und von 1958 bis 1962 saß er für die Vertriebenenpartei BHE im Kieler Landtag. „Dass dieser Mann Abgeordneter werden konnte, beschämt mich zutiefst“, so Schlie.

Bekenntnis zur eigenen Verantwortung

Der Landtagspräsident verwies auf die Aufarbeitungsbemühungen des Landtages in Bezug auf Politiker mit NS-Vergangenheit. Dieses Bekenntnis zur eigenen Verantwortung sei „in der traurigen Gewissheit erfolgt, dass eine vollständige Wiedergutmachung nicht möglich ist“. Heute hätten Deutsche und Polen einen Weg zueinander gefunden, „der nicht möglich wäre ohne das Bekenntnis zur Schuld“.

Der polnische Botschafter Przyłębski wies auf die verheerenden Folgen des Krieges für sein Land hin. Polen sei Opfer eines brutalen Besatzungsregimes geworden, das das Ziel hatte, die Führungsschicht der Akademiker, Ärzte, Politiker und Richter zu ermorden und das gesamte Volk zu versklaven. Die Westalliierten hätten Polen nach dem deutschen Angriff im September 1939 auf „empörende“ Art und Weise im Stich gelassen. Nach Kriegsende habe zudem die „Bequemlichkeit des Westens“ dazu beigetragen, dass Polen in die „kulturelle Rückschrittlichkeit“ des Sowjetkommunismus geriet. Die endgültige Befreiung sei erst 1989 gekommen.

Erinnerung an das polnische Leiden wachhalten

An die Deutschen appellierte der Botschafter, ein Denkmal für die polnischen Opfer des Nationalsozialismus zu errichten. Entsprechende Signale von Bundesaußenminister Heiko Maas seien in Polen sehr aufmerksam vernommen worden. Przyłębski rief die deutschen Bildungsinstitutionen auf, die Erinnerung an das polnische Leiden wach zu halten: Dies müsse „ein wesentlicher Teil der Bildung der jungen Generation“ sein.

Der Historiker Prof. Martin Aust stellte fest, dass die polnischen „Erschütterungen und Traumata“ in Deutschland zu wenig beachtet würden: „Polen hat den Eindruck, dass die deutsche Öffentlichkeit nicht ausreichend Rechenschaft abgelegt hat.“ Er verwies auf die Massenerschießungen, denen Zehntausende zum Opfer fielen, die Deportationen, die Juden-Ghettos in polnischen Städten und die Zerstörung Warschaus während der Strafaktion gegen den Aufstand von 1944. Nach dem Krieg habe es jedoch eine „deutsche Verdrängungskultur“ und eine Fixierung auf die „eigene Opferrolle“ gegeben. Erst die neue Ostpolitik unter Bundeskanzler Willy Brandt und dessen Kniefall in Warschau im Jahr 1970 hätten einen Wandel gebracht.

Aust strich heraus, dass der Weg zur deutschen Einheit mit den polnischen Protesten gegen das kommunistische Regime in den 1980er Jahren begonnen habe: „Polen beschenkte Deutschland und Europa mit Freiheit.“ Das Fazit des Historikers: „Wir Deutschen sollten nicht vergessen, welches Leid wir unseren Nachbarn, zumal Polen, gebracht haben. Uns Nachgeborenen bleibt die Pflicht zu erinnern.“