Jost de Jager: Ministerin steht mit leeren Händen da
LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.dePRESSEMITTEILUNG Nr. 525/99 vom 17. November 1999TOP 4 Jost de Jager: Ministerin steht mit leeren Händen daMit der 2. Lesung der Hochschulgesetznovelle beraten wir heute das letzte große Gesetzesvorhaben dieser Landesregierung im Bildungs- und Hochschulbereich. Es ist zudem das erste und einzige Gesetzgebungswerk, das die persönliche Handschrift von Ihnen, Frau Erdsiek-Rave, als Bildungsministerin trägt. Es ist ein Entwurf, den Sie ausgearbeitet haben, den Sie eingebracht haben und für den Sie mit jedem Punkt und Komma politisch verantwortlich sind. Und da ist es schon bemerkenswert, in welch einem Umfeld wir heute den Gesetzentwurf der Ministerin zu beraten und verabschieden haben, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, das Verhältnis zwischen Bildungseinrichtungen – in diesem Fall Schulen und Hochschulen – und Ministerium zu verbessernIhnen, Frau Erdsiek-Rave, ist es als einziger Bildungsministerin in Deutschland gelungen, im Rahmen der Novellierungen, die in allen Bundesländern laufen, eine derartige Konfrontationsstellung zwischen Ministerium und Hochschulen aufzubauen. Denn es ist ja nicht so, dass wir in Schleswig-Holstein die einzigen wären, die sich über Hochschulreform und Hochschulgesetzanpassungen Gedanken machen. Und man sollte sich noch einmal vor Augen halten, worum es denn eigentlich geht. Mit dem neuen Hochschulrahmengesetz von 1998 ist die Möglichkeit geschaffen worden, den Hochschulbetrieb in den Ländern zu flexibilisieren, ihn zu deregulieren und für eine veränderte Ausgangslage fit zu machen. Zu dieser Ausgangslage zählt, dass die Hochschulen in immer stärkerem Maße nicht nur national, sondern vor allem international in einem Wettbewerb stehen. Und zu dieser Ausgangslage gehört auch, dass wir uns in Deutschland dringend Gedanken machen müssen über die Leistungsfähigkeit unserer Hochschulen im internationalen Vergleich. Die Antwort des Hochschulrahmengesetzes auf diese Situation bestand darin, weniger vorzuschreiben und mehr Gestaltungsspielräume an die Hochschulen zu geben und sie bestand darin, den Hochschulen echte Autonomie zu geben, was bedeutet, nicht nur die finanzielle, sondern auch die organisatorische Eigenverantwortung der Hochschulen zu stärken. Was ist nach den Diskussionen der vergangenen Wochen und Monate in Schleswig- Holstein von der großen HSG-Novelle der Landesregierung übrig geblieben? Im Kern reduziert sich Ihre Novelle der Landesregierung auf die Bereiche Drittelparität und Zielvereinbarungen. Und in beiden Punkte, Frau Erdsiek-Rave, stehen Sie mit leeren Händen da. Nehmen wir zunächst den Bereich der Drittelparität, denn es geht am Ende um ein Maßnahmenpaket, das über die drittelparitätische Besetzung des Konsistoriums hinausgeht. Zur Erinnerung: Das Hochschulrahmengesetz hat durch die Vereinfachung der Paragraphen 38 ff. und 61 die Möglichkeit eröffnet, in der Zusammensetzung der Gremien und in der internen Organisation der Hochschulen, ihnen, den Hochschulen und den Universitäten, mehr Gestaltungsspielräume zu geben. Es ist ein wesentlicher Beitrag des Hochschulrahmengesetzes gewesen zur Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung, also zu einer Verschlankung der Strukturen innerhalb der Hochschule und damit zu schnelleren und effizienteren Entscheidungswegen. Gedacht waren diese Änderungen im Hochschulrahmengesetz zur Ermöglichung von Experimentierklauseln in den einzelnen Ländern und von mehr Eigenverantwortung für die einzelne Hochschule selbst. In Schleswig-Holstein sind diese Freiräume nicht an die Hochschulen weitergegeben worden, sondern sie wurden als günstige Gelegenheit angesehen, den Hochschulen noch weitere Vorschriften für die Zusammensetzung ihrer Gremien zu machen. Endlich gab es für Sie von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen die langersehnte Chance, die geplante Drittelparität im Konsistorium der Hochschulen umzusetzen. Und so ist es geschehen. Künftig sollen im Konsistorium, das u. a. für die Wahl der Rektoratsmitglieder zuständig ist, Professoren wissenschaftliche und nicht wissenschaftliche Mitarbeiter sowie Studierende jeweils zu einem Drittel vertreten sein. Damit entfällt die bislang geltende Professorenmehrheit in diesem Gremium weg. Endlich konnten Sie die Gruppenuniversität lupenrein durchsetzen. Und für diejenigen, deren Weltbild auch nach 30 Jahren noch von dem Satz geprägt ist „Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren“ mag das ja auch ein Erfolg sein. Doch das Gegenteil ist modern. Denn während die anderen Bundesländer schon konsequent und mutig deregulieren, flexibilisieren und moderne Leitungs- und Leistungsstrukturen schaffen, erleben wir in Schleswig-Holstein die Selbstverwirklichung der 68er Generation.Und die belässt es nicht bei der Drittelparität. Zu unser aller Verwunderung haben SPD und Bündnis 90 / Die Grünen Änderungsanträge vorgelegt, die es möglich machen, dass künftig Studierende Prorektoren werden können und Nichtprofessoren die Leitung von Fakultäten und Instituten übernehmen. Wir sehen darin die Gefahr einer Entprofessionalisierung des Hochschulbetriebes und wir glauben auch, dass damit die Qualität und die Wettbewerbsfähigkeit der schleswig-holsteinischen Hochschulen auch auf internationaler Ebene ernsthaft in Gefahr gerät. Denn wer, meine Damen und Herren, soll sich denn, wenn dieses Gesetz Wirklichkeit wird, als Spitzenwissenschaftler denn künftig noch auf Schleswig-Holstein bewerben? Wer, meine Damen und Herren, soll denn demnächst noch Lust haben, in den Leitungsgremien der Hochschulen mitzuarbeiten? Die Guten und die Besten werden es nicht tun. Sie werden sich entweder in ihre Institute zurückziehen oder sie werden an Standorte gehen, wo sie die Freiräume vorfinden, die sie hier in Schleswig-Holstein nicht mehr haben.Sie reden in Ihren Pressetexten und in Ihren hochschulpolitischen Grundsatzreden ständig von modernen Managementstrukturen. Doch das Gegenteil setzen Sie in ihrem Gesetz um. Sie vereinfachen Entscheidungswege in den Hochschulen nicht, Sie komplizieren sie. Sie tun nichts, um schwierige, aber notwendige Entscheidungen zu ermöglichen, sondern Sie erschweren sie. Und Sie setzen die Entscheidungsträger in den Hochschulen Verfahrenswegen aus, die vielleicht in der Juso-Hochschulgruppe üblich sind, nicht aber im universitären Bereich. Als ein Beispiel der Illustration dafür soll der von den Regierungsfraktionen vorgeschlagenen Passus dienen, dass Rektoratsmitglieder künftig während ihrer ohnehin zeitlich begrenzten Amtszeit auch noch abgewählt werden können. Mit einem hohen Quorum zwar, nur das ist nicht der Punkt. Das schädliche an dieser Abwahlmöglichkeit ist nicht die Tatsache, dass ein Rektor, ein Prorektor oder ein Kanzler tatsächlich einmal abgewählt wird. Das problematische an dieser Regelung ist das Drohpotential das damit aufgebaut wird und das verhindern wird, dass die Entscheidungsträger in den Leitungsgremien den Mut an den Tag legen, den wir brauchen, wenn wir in der Tat zu einer Reform des Hochschulwesens nicht nur in Deutschland, sondern auch hier im Lande kommen wollen.Ich will Ihnen auch gerne erläutern, warum wir an der Professorenmehrheit festhalten und weshalb wir die Öffnung der Dekanate und Rektorate für Nichtprofessoren ablehnen. Wir sind der festen Überzeugung, dass vor allem die Professoren, die einen Ruf auf Lebenszeit an einer Hochschule angenommen haben, in besonderer Weise für Forschung und Lehre und für das Erscheinungsbild und die Leistungsfähigkeit ihrer Hochschule stehen. Darüber hinaus rührt der besondere Status der Professoren und ihre besondere Freiheit und Unabhängigkeit aus eben dieser Verantwortung, die sie für Forschung und Lehre haben. Eine Verantwortung, die andere Gruppen der Hochschule nicht in der gleichen Art und Weise tragen. Und wir meinen, dass diejenigen, die diese Verantwortung tragen, auch in der Lage sein müssen, ihre Verantwortung auch umzusetzen und ihr gerecht zu werden. Und deshalb ist es erforderlich, dass die Professoren auch künftig in den Gremien der Hochschulen eine Mehrheit haben. Diese Mehrheit abzuschaffen, meine Damen und Herren, zeugt auch von einem Grundmisstrauen den Professoren gegenüber, das wir nicht teilen. Jeder der mit Hochschule zu tun hat, kennt das Engagement der allermeisten, kennt auch die Reformbereitschaft und das Entwicklungspotential, das natürlich nicht ausschließlich, aber auch bei den Professoren vorhanden ist. Und diese Potentiale der Professoren auszubremsen, statt sie zu nutzen, ist eine verhängnisvolle hochschulpolitische Fehlentscheidung, die Sie, meine Damen und Herren, im Begriff sind, zu vollziehen.Zumal Sie mit der Drittelparität und den damit zusammenhängenden Bestimmungen des neuen Hochschulgesetzes von den wahren Aufgaben ablenken. Wie sagte schon ein Teilnehmer des Hochschulforums der Landesregierung vor gut zwei Wochen hier in Kiel: „Wegen der Drittelparität kommt kein einziger zusätzlicher Student nach Schleswig-Holstein“. Das stimmt! Sie ist aber darüber hinaus angetan, gute Wissenschaftler aktiv davon abzuhalten, den Weg nach Schleswig-Holstein zu finden.Lassen Sie mich zu dem nächsten Punkt kommen, die Zielvereinbarung. Es ist schon bemerkenswert, wie das Bildungsministerium es geschafft hat, dieses neue Instrument der Zielvereinbarungen zwischen dem Land und den Hochschulen über die Höhe der Finanzzuweisung und die Inhalte der Hochschulentwicklung an einzelnen Standorten, an die Wand zu fahren, bevor das Gesetz, das eben dies ermöglicht, überhaupt verabschiedet ist. Keine der bisher verhandelten Zielvereinbarungen ist unterschriftsreif. Im Gegenteil: Über die erforderlichen Mittel ist keine Einigung erzielt. Das hat dazu geführt, dass das Rektorat der Christian-Albrechts-Universität sich zu dem unüblichen und seltenen Schritt entschließen musste, an die Öffentlichkeit zu gehen und auch den Grad der Unterfinanzierung der Christian-Albrechts- Universität, der exemplarisch ist für weitere Hochschulen im Lande, hinzuweisen. Diese Unterfinanzierung ist aber nicht das Ergebnis der Zielvereinbarungen allein, sondern der Endpunkt einer verfehlten Hochschulpolitik der vergangenen zwölf Jahre. Und ich bin über dies der festen Auffassung, dass die Pressekonferenz der Christian- Albrechts-Universität keine Bankrotterklärung der Hochschule war, sondern der Hochschulpolitik dieser Landesregierung.Wir lehnen die Hochschulgesetznovelle in ihrer Gänze ab. Wir haben aber deutlich gemacht, wie wir uns die Grundlinien eines neuen Hochschulgesetzes vorstellen. Ausgangspunkt unserer Überlegungen war dabei, dass die Hochschulautonomie dann nicht komplett ist, wenn sie sich lediglich auf das Instrument der Zielvereinbarungen beschränkt, sondern dass eine umfassende Deregulierung und Flexibilisierung der Strukturen erforderlich ist. Ziel ist es, den Hochschulen auch in ihren internen Abläufen die Freiheit und die Unabhängigkeit zu geben, die sie brauchen, wenn sie eigenverantwortlich sich weiterentwickeln sollen. Dazu gehört der Abbau einer Vielzahl von Verwaltungsvorschriften, von denen wir glauben, dass sie einer eigenständigen Profilbildung der Hochschulen abträglich sind. Es gilt, den Arm des Ministeriums bei vielen Entscheidungen der Hochschulen zu verkürzen. Dazu gehört die Abschaffung solcher Detailregelungen im Hochschulgesetz wie etwa Vorgabe über Geschäftsverteilung und Arbeitsweise von Rektoraten bis hin zu Vorschriften über Öffentlichkeit und Nichtöffentlichkeit von Sitzungen. Das, meine Damen und Herren, können die Hochschulen wunderbar in eigener Verantwortung lösen. Wir glauben auch, dass Genehmigungsvorbehalten des Ministeriums für Prüfungsordnungen außerhalb der Staatsprüfungen nicht erforderlich sind. Wieso gehen wir eigentlich davon aus, dass die Hochschulen dieses nicht allein bewältigen können? Wir glauben auch, dass der Genehmigungsvorbehalt für Ausschreibungstexte von Professorenstellen entfallen kann. Wer die eigenverantwortliche Profilbildung von Hochschulen auch durch Personalberufungen ermöglichen will, der muss die Ausschreibung auch in die Verantwortung der Hochschule stellen. Dies könnte Berufsverfahren zum einen merklich beschleunigen und würde den Einfluss des Ministeriums auf die Berufungen der Hochschulen minimieren. Auch dafür gibt es gute Gründe, nicht zuletzt aufgrund der Entwicklung des letztes Jahres.Darüber hinaus halten wir eine Experimentierklausel für erforderlich, die es den Hochschulen ermöglicht, beispielsweise Senat und Konsistorium zusammenzulegen, wie es der Freistaat Bayern zum Beispiel bereits praktiziert. Darüber hinaus glauben wir, dass man Entscheidungen über die Hauptamtlichkeit des Rektors und die Zahl ihrer Prorektoren der Hochschule überlassen kann. Wir wollen darüber hinaus den Einstieg in die Eigenauswahl der Studierenden durch die Hochschulen, so wie es das Hochschulrahmengesetz ja auch schon vorsieht, wie es in Schleswig-Holstein aber nach Ihrer Vorlage nicht umgesetzt werden soll. Danach wäre eine Eigenauswahl von bis zu 20 % der Studierenden im bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen möglich. Wir glauben, das man diese Möglichkeit als Option an die Hochschulen weitergeben soll, weil auch dies ein guter Ansatz ist, die Profilbildung der einzelnen Hochschulen voranzutreiben.Mit unseren Vorschlägen erreichen wir zweierlei: Einmal würden wir die Regelungsdichte im Hochschulbereich spürbar vermindern. Denn es ist festzuhalten, dass durch Ihre HSG-Novelle das Hochschulgesetz nicht schlanker, sondern dicker wird. Und zum anderen glauben wir, dass wir mit unseren Vorschlägen es schaffen, die Eigenverantwortung und die Eigenentscheidung der Hochschulen zu stärken und das, meine Damen und Herren, wäre echte Autonomie.Mit unseren Vorschlägen würde die Politik viel aus der Hand geben. Wir haben aber das Vertrauen in die Entwicklungspotentiale und die Entwicklungsbereitschaft der Hochschulen und wir glauben, dass die einzelne Hochschule vielleicht besser weiß als das Ministerium, was gut für sie ist. Wenn wir die Profilbildung und die Weiterentwicklung der Hochschulen im Lande wollen, dann müssen wir den Rahmen auch groß genug gestalten, dass die Hochschule sich aus eigenem Antrieb darin entfalten können und dazu brauchen wir einen großen Resonanzkörper und kein Setzkastenformat, wie Sie es uns mit Ihrer Novelle vorlegen.