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11.07.01
10:25 Uhr
CDU

Martin Kayenburg: Der Verlierer ist der Steuerzahler

LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.cdu.ltsh.de e-mail:info@cdu.ltsh.de
PRESSEMITTEILUNG Es gilt das gesprochene Wort
Nr. 287/01 vom 11. Juli 2001
TOP 2 und TOP 25 Martin Kayenburg: Der Verlierer ist der Steuerzahler Wer Ihrer Regierungserklärung, Frau Ministerpräsidentin, zugehört hat, konnte den Eindruck gewinnen, dass mit der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs ein Jahrhundertwerk des Föderalismus in Deutschland unter maßgeblichem Einfluss Schleswig-Holsteins entstanden ist. Nach harten und schwierigen Verhandlungen sei es in Berlin gelungen, einen Kompromiss zwischen Bund und Ländern zu finden. Das Ergebnis sei ein Zeichen von Solidarität zwischen den Ländern und ein Erfolg für den deutschen Föderalismus.
War dieser Kompromiss wirklich der große Wurf für den Föderalismus in Deutschland, Frau Simonis?
Bei genauerer Betrachtung haben der Bundesfinanzminister und die Ministerpräsidenten über zwei Jahre verbittert gestritten und gefeilscht wie die Teppichhändler. Herausgekommen ist lediglich eine Bestandswahrung zu Lasten des Bundes. Es gab viele Sieger und einen stillen Verlierer. Dieser Verlierer ist der Steuerzahler, dem noch zwei Jahrzehnte lang der Solidaritätszuschlag zugemutet werden soll.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement räumte dann auch selbstkritisch ein, dass die Neuregelung keineswegs eine Glanzleistung gewesen sei. Merkwürdigerweise schienen am 23. Juni alle sehr zufrieden. Aber warum? Weil der Bund - und damit letztlich auch der Steuerzahler - dem unsäglichen Gezerre der Länder ein Ende bereitet und auf die ursprünglich zugesagten zusätzlichen Bundesmittel in Höhe von 1,5 Milliarden Mark noch einmal eine Milliarde Mark pro Jahr für die Tilgung im Fonds Deutsche Einheit draufgepackt hat. Nachdem der Bundesfinanzminister dann auch noch 306 Milliarden Mark Bundeshilfen von 2005 bis 2019 für den Solidarpakt II zugesagt hat, waren auch die neuen, ostdeutschen Länder hochzufrieden. Freude auf allen Seiten und scheinbar kein Raum für Parteienstreit! Doch bei genauerem Hinsehen herrscht bei SPD und GRÜNEN wohl doch nicht so ungeteilte Freude über den Kompromiss. So ist gerade der Vorsitzende des „Sonderausschusses Finanzausgleich“ im Deutschen Bundestag, der SPD- Bundestagsabgeordnete Volker Kröning wegen der seiner Meinung nach von den Ländern erzwungenen Befristung bis 2019 von seinem Amt zurückgetreten. Der Haushaltsexperte der GRÜNEN-Bundestagsfraktion, Oswald Metzger, stellte ganz richtig fest: „Es kreißte der Berg und gebar eine Maus!“ Die strukturellen Veränderungen seien mit der Lupe zu suchen.
Auch wenn dieses Thema - wie schon gesagt - kaum für Parteienstreit geeignet scheint, lassen Sie mich, meine Damen und Herren, doch noch ein paar Anmerkungen zu diesem sogenannten Jahrhundert-Kompromiss machen.
In der Tat hätte man etwas mehr an strukturellen Veränderungen und wirklichen Reformen erwarten können. Genau genommen sind die Probleme nur auf künftige Generationen verlagert worden. Wirkliche Mühe hat sich niemand gemacht. Auch Sie nicht, Frau Simonis. Aber mit der Verlagerung von Problemen in die Zukunft haben Sie ja schon reichlich Übung! Bei dem Tagesordnungspunkt „Nachtragshaushalt 2001“ werden wir hierauf sicher noch zurückkommen.
Bemerkenswert ist auch, wie Sie schon eifrig ausgerechnet haben, dass wir 2005 mit 50,7 Millionen Mark und die Kommunen mit 20,7 Millionen Mark entlastet werden. Sie gehen also selbstverständlich davon aus, dass Schleswig-Holstein bis zum St.- Nimmerleins-Tag Nehmerland im Länderfinanzausgleich sein wird. Von eigenen Anstrengungen, aus dieser Situation einmal herauszukommen, - keine Spur. Hauptsache, die anderen zahlen, damit unsere rot/grünen Spielwiesen immer wieder neue Blüten treiben können.
Der Stolz, Geberland zu sein, war ja auch nur von kurzer Dauer. 1998 war mit der bemerkenswerten Summe von 330 Tausend Mark alles wieder vorbei. Manche Ihrer Genossen ziehen auch heute noch durchs Land und erzählen die Geschichte vom Geberland im Länderfinanzausgleich genauso hartnäckig wie das Märchen von den Steuereinbrüchen in den vergangenen Jahren.
Der Solidarpakt II, der den ostdeutschen Ländern mehr Geld beschert hat, als sie überhaupt ursprünglich in den Verhandlungen erwartet hatten, hat nach unserer Auffassung mit 19 Jahren eine eindeutig viel zu lange Laufzeit. Dass dieses auch andere so sehen, zeigt die Äußerung der Vorsitzenden des Finanzausschusses im Deutschen Bundestag, der GRÜNEN-Abgeordneten Christine Scheel, die die Laufzeit des Solidarpaktes für viel zu lang hält. Die ostdeutschen Länder werden also beinahe noch 20 Jahre am Tropf hängen und dem deutschen Steuerzahler noch lange den Solidaritätszuschlag erhalten. Der Versuch, endlich einmal auf eigenen Beinen zu stehen, wird also gar nicht erst gemacht. Wie im Norden, so auch im Osten immer auf Kosten anderer leben! Zahlen können doch die im Süden der Republik! Wie der Süddeutschen Zeitung zu entnehmen war, haben Sie, Frau Ministerpräsidentin, gefordert, dass ebenso wie im Westen, wo Programme gestrichen und gestreckt werden sollen, auch im Osten Effizienzkriterien angelegt werden müssten. Ich meine zwar, dass es vor allem Effektivitätskriterien sein müssten - als Diplom-Volkswirtin werden Sie das sicher bestätigen - im Grundsatz teile ich aber Ihre Auffassung hierzu. Die Verteilung von Blankoschecks an den Osten sollte allmählich vorbei sein!
Als letzten Punkt lassen Sie mich noch ein Wort zur notwendigen Reform des Föderalismus in Deutschland sagen.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Clement hat zwar ein paar zaghafte Versuche gemacht, dieses Thema in die Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich einfließen zu lassen. Der Versuch, eine Föderalismusreform, die ihren Namen wirklich verdient, jetzt einzuleiten, ist jedoch nicht einmal im Ansatz gelungen. Stattdessen will man bis 2004 überlegen, ob etwas geändert werden soll. Die Bundestagswahl lässt grüßen!
Dass ich auch mit dieser Meinung nicht alleine dastehe, können Sie daraus ersehen, dass der „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ in einer Stellungnahme für das Bundesfinanzministerium zu verstehen gegeben hat, dass er den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Weg zu einer Reform für gescheitert hält. Für eine wirkliche Reform schlägt der Rat eine begrenzte Besteuerungsautonomie der Länder vor, die ein Zu- oder Abschlagsrecht bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer umfassen solle. Zudem sollten die Länder bei jenen Steuern autonom über die Tarife entscheiden können, bei denen ihnen das Aufkommen allein zusteht. Als Beispiele könnten die Erbschaftsteuer und die Kraftfahrzeugsteuer genannt werden. Die fünf Weisen haben Bund und Länder schließlich aufgefordert, bei den Beratungen über das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Maßstäbegesetz den Weg zu einer wettbewerblich orientierten Reform nicht zu verbauen. Leider wurde diese Chance vertan. Der so notwendige Wettbewerbsföderalismus hatte am 23. Juni keine Chance. Hauptsache, jeder Provinzfürst hatte seine Pfründe gerettet. Was geht uns die Zukunft unserer Kinder in einem wettbewerbsorientierten Europa und einer zunehmend globalisierten Welt an?
Kaum hatten Clement und Stoiber ihre Reformvorschläge ausgesprochen, kam heftiger Protest aus Kiel. Ein solcher Schritt hätte, so Ministerpräsidentin Simonis, gerade für die ärmeren Länder weniger Steuereinnahmen zur Folge. Sie müssten noch höhere Steuern erheben und wären noch unattraktiver. Bemerkenswert dabei ist, dass Sie, Frau Simonis, Schleswig-Holstein von vornherein für unattraktiv halten und einfach falsch ist es, dass mehr Steuerautonomie der Länder geringere Steuereinnahmen zur Folge hätte. Gerade geringere Steuersätze bei Landessteuern würden Schleswig- Holstein zusätzlich zu seinen guten natürlichen Lebensbedingungen auch wirtschaftlich attraktiver machen und damit letztlich mehr Steuereinnahmen in die Landeskasse spülen. Aber das scheint sicherlich unserer Diplom-Volkswirtin Simonis völlig fremd!
Der Föderalismus in Deutschland ist in die Jahre gekommen, meine Damen und Herren. Die Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern ist verkümmert. In der Wirtschafts- und Finanzpolitik haben Bundestag und Bundesrat nach und nach fast alle Kompetenzen übernommen und so den Gestaltungsspielraum der einzelnen Länder
immer mehr eingeengt. Um wieder mehr regionalen Wettbewerb zu schaffen, müssen vor allem die Steuerkompetenz des Bundes beschnitten, die Mischfinanzierung abgebaut und der wettbewerbshemmende Finanzausgleich muss ernsthaft reformiert werden.
In der Bundesrepublik Deutschland ist der Steuerwettbewerb zwischen den Regionen so gut wie ausgeschaltet. Diesem weitgehenden Verzicht auf eigenständige Steuerkompetenz der Länder folgen auf dem internationalen Parkett nur wenige Nationen, zum Beispiel Österreich. Als gute Vorbilder für Staaten mit einem ausgeprägten regionalen Steuerwettbewerb gelten dagegen die USA, Kanada und die Schweiz. Die Vorteile dieses Wettbewerbs liegen auf der Hand: 1. Steuerdisziplin, Effektivität und Effizienz 2. Weniger Ausgaben 3. mehr Haushaltsdisziplin.
Lassen Sie uns endlich Schluss machen mit dem Hin- und Hergeschiebe von Steuern und Fördermitteln zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Lassen Sie uns einen wettbewerbsorientierten Föderalismus mit klaren Kompetenzen und Verantwortlichkeiten schaffen. Die Entflechtung der Mischfinanzierungen - wie auch von Bundesfinanzminister Eichel gefordert - wäre ein erster Schritt. Mehr Steuerautonomie sollte folgen.
Das Ergebnis des monatelangen Gezerres um den Länderfinanzausgleich ist die reiche Augenwischerei: Alle können mit dem Kompromiss vom 23. Juni zufrieden sein, nur leider nicht die Bürger und Steuerzahler. Es war keine Sternstunde des Föderalismus. In Schleswig-Holstein würde man sagen: „Dat blivt allens so as dat is!“