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25.04.12
12:29 Uhr
SPD

Martin Habersaat zu TOP 5,22,26,28,30,31,38,54: Gerechte Bildungschancen für alle Kinder

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 25. April 2012


TOP 5, 22, 26, 28, 30, 31, 38, 54: Gesetz zur Lehrerbildung, Anträge u. a. zu individueller Förderung, Lese- und mathematischer sowie Sprachförderung (Drucksachen 17/281, 17/2510, 17/2231, 17/2260, 17/2261)


Martin Habersaat: Gerechte Bildungschancen für alle Kinder
Allein der Blick auf die heutige Antragslage macht deutlich: Es kann nicht mehr lange hin sein bis zur Wahl. Das merkt man aber nicht nur am Inhalt der Anträge. Auch die SPD hat die Essenz ihrer bildungspolitischen Vorstellungen vorgelegt, das merkt man auch am Ton. Und der gefällt mir nicht in allen Fällen. Wir stehen in dieser Woche am Ende einer bildungspolitisch besonders turbulenten halbierten Legislaturperiode. Die im Herbst 2009 gebildete schwarz-gelbe Koalition, die vermutlich in wenigen Tagen abgewählt werden wird, hatte mit einer zweifelhaften demokratischen Legitimation, die sich auf eine Mehrheit der Sitze, nicht aber auf eine Mehrheit der Wähler stützen konnte, wesentliche Weichenstellungen aus der Zeit der Großen Koalition weitgehend verändert.
Die von Ihnen Anfang 2011 durchgedrückte Novellierung des Schulgesetzes ist nicht nur von den üblichen Verdächtigen wie uns, den GRÜNEN, dem SSW oder der GEW scharf kritisiert worden, sondern man musste ja die Verbündeten dieser Landesregierung geradezu mit der Lupe suchen. Die Begeisterung über die schwarz-gelbe Bildungspolitik wollte gar keinen Anfang nehmen.
Es gab seinerzeit Initiativen, die sich für einen Schulfrieden auf der Basis des Schulgesetzes von 2007 ausgesprochen haben – leider vergebens! Ignoriert von CDU und FDP.
• Frau Franzen, Herr Brodersen, wie können Sie eigentlich das Wort „Schulfrieden“ noch guten Gewissens in einen Antrag schreiben nach dem, was Ihre Koalition im Land 2



veranstaltet hat, beispielsweise, indem Sie den Gemeinschaftsschulen durch die Halbierung der Differenzierungsstunden in ihre pädagogischen Konzepte grätschten?
• Herr Callsen, wie sehen Sie eigentlich Ihre Rolle als Fraktionsvorsitzender und wie definieren Sie Verantwortung, wenn Sie in Räumen der CDU-Fraktion Karten mit angeblich zu schließenden Schulen aufhängen und dann Schülerinnen und Schüler daran vorbeiführen lassen mit der falschen Behauptung, die SPD wolle alle diese Schulen schließen?
• Herr de Jager, was ist das eigentlich für ein Wahlkampfstil, die Junge Union vor den Gymnasien aufmarschieren zu lassen mit Flyern, in denen behauptet wird, die SPD wolle diese Gymnasien schließen? Sind Sie schon so verzweifelt?
• Und Frau Herold, was fällt Ihnen eigentlich ein, die Kinder von Kollegen aus Bundestag und Landtag für Wahlkampfzwecke zu instrumentalisieren? Sie sollten sich was schämen!
Die SPD wünscht sich, dass es eines Tages „eine Schule für alle“ gibt. Das ist unsere Vision – eine Schule, die fördert und nicht sortiert. Es ist unser Ziel, dass Kindern nicht mehr in Anschluss an Klasse 4 gesagt wird, was aus ihnen werden kann. Es ist unser Ziel, dass Kinder auch mit schwierigem Hintergrund gerechte Bildungschancen haben, für ihre persönliche Entfaltung und ihre Chancen im Beruf. Und es ist unser Ziel, dass wir über bestmögliche individuelle Förderung reden und nicht über bestmögliche Sortierung von Kindern.
Und es hilft, ein Ziel zu haben. Denn dann kann man Schritte in diese Richtung gehen. Was die CDU in diesem Land bildungspolitisch gezeigt hat, ließ leider nicht auf Ziel und Richtung schließen. Dabei gibt es Christdemokraten, die weiter sind, die feststellen, dass die Sortierung von Schülern weder gerecht ist, noch zu überzeugenden PISA-Ergebnissen führt. „Wenn einige Politiker sich nun hinstellen und behaupten, dass unser bisheriges Schulsystem weltweit anerkannt sei, erfolgreich und verlässlich, dann ist das schlicht nicht wahr.“ Das schreibt Ole von Beust in „Mutproben“. Wenn solche Erkenntnisse der Grund sind, warum Sie bildungspolitisch Hilfe in Hamburg suchen, mir wäre etwas wohler. Allerdings, musste es ausgerechnet die Frau sein, die nach Amtsantritt in Hamburg den Schulen beschied, sie 3



hätten „über die Maßen zuviel an Ressourcen“? Die Bildungssenatorin, die mitteilte, die Größe der Klasse spiele keine Rolle für guten Unterricht?
Wir wollen ein Schulsystem, dessen Grundpfeiler Verlässlichkeit, Durchlässigkeit und individuelle Förderung sind. Diese Förderung fängt in der Kita an und geht in der Grundschule weiter. Wir wollen Kinder, die gerne lernen, die mit Zuversicht Verantwortung für sich und andere übernehmen können und wollen. Bis ich in den Landtag kam, dachte ich, das wollen alle Fraktionen. Wir waren schon mal weiter.
Unsere Schulen brauchen in der Praxis die erforderliche Ausstattung und nicht in der Theorie eine Vervielfachung des Vertretungsfonds. Dafür brauchen wir Schulformen, die wir landesweit flächendeckend anbieten können. Und wir müssen Sackgassen und teure Sonderwege vermeiden.
Wir sagen nicht, dass die Lehrerinnen und Lehrer an den Regionalschulen schlechte Arbeit leisten. Sie leisten gute Arbeit. Und wir sagen auch nicht, dass die Schulgemeinschaften sich nicht gut für ihre Schulen einsetzen. Sie setzen sich gut ein. Aber wir sagen, dass nur 13,5% der Viertklässler sich für eine Regionalschule entscheiden, und dass es zahlreiche Regionalschulen gibt, die die vorgesehene Mindestgröße nicht erreichen. Deshalb wollen wir diese Schulen weiterentwickeln. Deshalb, und weil es bundesweit einen unbestrittenen Trend zu einem zweigliedrigen Schulsystem gibt. Wir wollen Schleswig-Holstein nicht als Insel. Im Schulsystem ebenso wenig wie beim Glücksspiel.
Die CDU will neben dem Gymnasium ja auch nur noch eine Schulart. Steht zumindest im Programm. Und ich bin ein Mensch, der glaubt, was in Programmen steht. Aber wir wollen nicht die Gemeinschaftsschulen zu Regionalschulen degenerieren lassen, sondern wir wollen mit den Schulträgern gemeinsam nach Wegen suchen, um in der Form der Gemeinschaftsschule alle Schulabschlüsse in der Fläche anzubieten. Das wird ein konstruktiver Prozess sein und keiner, der die Angstkampagnen der CDU rechtfertigt.
Wir können in Schleswig-Holstein nicht flächendeckend G8, G9 und GY-Gymnasien anbieten. Aber können flächendeckend G8 an Gymnasien und G9 an Gemeinschaftsschulen anbieten. Und das wollen wir tun. 4



Wir wollen die Wahlfreiheit zwischen G8 und G9. Anders als in anderen Bundesländern, in denen konservative Regierungen den Umbau des Schulsystems zu lange verschlafen haben, wird es bei uns in naher Zukunft für jeden Schüler und für jede Schülerin in räumlicher Erreichbarkeit die Alternative zwischen G8 am Gymnasium und G9 an der Gemeinschaftsschule geben. An einer Gemeinschaftsschule, die ihre Differenzierungsstunden zurück erhält und deren Arbeit nicht mehr von der Landesregierung sabotiert wird.
Neue Oberstufen von Gemeinschaftsschulen werden dort entstehen, wo sie nach der Schulentwicklungsplanung notwendig und sinnvoll sind. Sie werden nicht eingerichtet, wo sie bestehende gymnasiale Oberstufen oder Berufliche Gymnasien in ihrem Bestand gefährden würden. Wir glauben, dass wir etwa 20 bis 25 neue Oberstufen einrichten können. Und ein Blick auf die Abiturquote in den Kreisen stützt die These, dass wir mit einer besseren Erreichbarkeit von Oberstufen die Abiturquote erhöhen können. Und eine höhere Abiturquote bedeutet bessere Lebenschancen für viele junge Menschen, bedeutet mehr Gerechtigkeit.
Wir werden nicht mit der Abrissbirne durchs Land fahren. Bereits die aktuellen Zahlen machen klar, dass wir an der Mindestgrößenverordnung etwas tun müssen. Es erstaunt mich, dass CDU und FDP zu diesem Problem die Aussage verweigern. Wir werden notwendige Korrekturen nicht auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler ausführen.
Wandel der Erlasslage im Laufe des Schuljahrs, Kürzung von Differenzierungsstunden, Streit in die Schulen vor Ort tragen – das ist schwarz-gelbe Bildungspolitik.
Wir sagen beispielsweise allen Schülerinnen und Schülern, die sich in einem G9- Bildungsgang an einem Gymnasium befinden oder zum nächsten Schuljahr in einem solchen eintreten, dass sie diesen auch abschließen können.
Wir schaffen starke Grundschulen, starke Gemeinschaftsschulen, starke Gymnasien und starke berufsbildende Schulen. Wir schaffen langfristige Perspektiven für die Profilentwicklung von Schulen.
Wir wissen, und zwar nicht nur durch Umfragen, welch hohen Stellenwert die Menschen dem wichtigsten Verantwortungsbereich der Bundesländer, der Bildungspolitik, zumessen. Und wir wissen auch aus eigener Erfahrung, dass man sich gerade in diesem Politikfeld wenig 5



Applaus, aber umso mehr Protest abholt. Das ist Ihrer Regierung so gegangen, das ist aber auch allen Vorgängerregierungen passiert.
Wir können niemals genug Ressourcen für Bildung einsetzen, erst recht nicht vor dem Hintergrund des Neuverschuldungsverbots ab 2020. Aber es gibt verschiedene Formen des Sparens, und die von Ihnen gewählte ist falsch, weil sie nicht nachhaltig ist. Was wir heute nicht ins Bildungssystem investieren, werden wir in der Zukunft um ein Vielfaches in Transferleistungen stecken müssen.
Deshalb war es falsch, dass Sie im Doppelhaushalt 2011/12 600 Stellen gestrichen haben. Wir bleiben dabei, dass mindestens die Hälfte der wegen des Schülerrückganges rechnerisch entbehrlichen Stellen in den Schulen bleiben muss; wir brauchen sie für die Inklusion, fürs längere gemeinsame Lernen mit Binnendifferenzierung und für vieles andere.
Sie haben geglaubt, die Zahlen, die Ihnen Ihr eigener Minister aufgeschrieben hat, in den Wind schlagen zu können. Wir haben aus seiner Berechnung Anträge abgeleitet, die Sie natürlich ablehnen werden, aber das wird Sie einholen, oder vielmehr: das hat Sie schon eingeholt. Ihnen traut die Mehrzahl der Wähler im Bereich der Bildung nichts mehr zu.
Wir machen zur Wahl ein programmatisches Angebot, mit dem die SPD zu dem steht, was sie in der Vergangenheit in Regierungsverantwortung eingeleitet hat und was sie nach ihrer Rückkehr in die Regierung fortsetzen will. Wir schüren keine Angst. Wir beschreiben Perspektiven. Wir wollen mit Zuversicht Verantwortung übernehmen.