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13.06.12
14:15 Uhr
FDP

Wolfgang Kubicki: Viel Lyrik, wenig Politik, kaum Ideen und erst recht keine Visionen!

FDP-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1



Presseinformation

Sperrfrist: Redebeginn! Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Es gilt das gesprochene Wort! Christopher Vogt, MdL Stellvertretender Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Nr. 237 / 2012 Parlamentarischer Geschäftsführer



Kiel, Mittwoch, 13. Juni 2012



www.fdp-sh.de Regierungserklärung
Wolfgang Kubicki: Viel Lyrik, wenig Politik, kaum Ideen und erst recht keine Visionen! Zur Regierungserklärung von Ministerpräsident Torsten Albig erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki:
„Sehr geehrter Herr Präsident,
nach nun zwei träumerischen Prosa-Essays wird es Zeit, zur Wirklichkeit zurückzukehren.
Die SPD hat unter Ihrer Führung, Herr Ministerpräsident, das drittschlech- teste Ergebnis in der Geschichte unseres Bundeslandes erzielt. Für die von Ihnen angeführte Koalition der Willigen stimmten ganze 48,2 % der Wähle- rinnen und Wähler. Zuneigung des Wahlvolkes sieht anders aus und allein diese Zahlen verdeutlichen, dass Sie noch erhebliche Überzeugungsarbeit leisten müssen. Nur sich von der Sparpolitik der Vorgängerregierung aus FDP und CDU abzugrenzen und im ersten Jahr Ihrer Regierung das Geld auszugeben, das FDP und CDU über die Vorgaben der Schuldenbremse hinaus eingespart hatten, wird nicht reichen.
Es gab historisch gesehen unterschiedliche Regierungserklärungen, die al- le in ihrer Art und Weise etwas Besonderes ausstrahlten. Die Regierungs- erklärung Willy Brandts, die uns mit den Worten „Mehr Demokratie wagen“ in Erinnerung geblieben ist, läutete eine neue Zeitphase in der Bundesre- publik ein. Die Regierungserklärung Helmut Kohls 1982 leitete eine geistig- moralische Wende ein, eine Zielumsteuerung der Bundesrepublik nach dreizehn Jahren sozialliberaler Koalition. Gerhard Schröders Regierungs- erklärung 1998 stellte für viele nach 16 Jahren Kohl-Herrschaft eine Befrei- ung vom Konservatismus dar.
Herr Ministerpräsident, müsste ich Ihrer Regierungserklärung passende Ei- genschaftsworte geben, dann wären das: scheu und rückwärts gewandt.
Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 2 Scheu, weil sich von Ihren großen Versprechungen im Wahlkampf nur we- nig Substanzielles im Koalitionsvertrag wiederfinden lässt und auch Ihre heutige Regierungserklärung eher vage bleibt. Aus den versprochenen 120 Millionen Euro für die Kommunen bleibt unterm Strich nichts übrig. Diese Forderung wird mit folgendem Satz im Koalitionsvertrag gewürdigt: „Wir er- kennen an, dass die Kommunen durch die Eingriffe in Höhe von 120 Millio- nen Euro in den kommunalen Finanzausgleich belastet wurden.“ Dieser Satz ist für die neue Regierung prägend. Erstens erzählen Sie den Kom- munen und Bürger damit etwas, was Sie selbst schon wissen. Zweitens, gestehen Sie damit die eigenen Fehler der Vergangenheit ein, denn es war ja auch die SPD, die dies zu verantworten hat, und drittens wollen Sie nichts am Status quo verändern.
Die Politik insgesamt gerät unter einen immensen Rechtfertigungsdruck, wenn sich zwischen Wahlversprechen und Regierungsarbeit eine so große Lücke vorfindet, wie das bei Ihnen der Fall ist. Wenn Anspruch und Wirk- lichkeit einen solchen Abstand aufweisen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Gesellschaft beginnt, der Politik die Frage nach der Legitimati- onsberechtigung zu stellen.
Dabei rührt die Enttäuschung großer Teile der Wählerschaft nicht unbe- dingt in der konkreten Umsetzung, sondern in der Unzufriedenheit über die unzureichenden Schritte und den Stillstand. Man kann nicht mutig um ein Amt kämpfen, das man im Anschluss nur halbherzig ausfüllt.
Die Gestaltung, nicht die Macht an sich, muss die Antriebskraft der politi- schen Arbeit sein.
Die Koalition zeichnet sich nicht nur durch Mutlosigkeit, sondern auch durch eine rückwärtsgewandte Politik aus. Statt das hohe Tempo der Vor- gängerregierung beizubehalten und unser Land in eine fortschrittliche Zu- kunft zu führen, drückt der rote Schuh auf das grüne Bremspedal. Es ist kurzsichtig, wenn dem Koalitionsfrieden die wirtschaftliche Entwicklung des Landes geopfert wird. Der offensichtliche Widerspruch zwischen Wachs- tumsankündigungen im Wahlkampf und Wachstumsverhinderung im Koali- tionsvertrag ist selten so offen nach außen getragen worden, wie bei Ihnen.
Auf Ihrer Internetseite „Chancen nutzen, Potenziale stärken“ gaben Sie, Herr Ministerpräsident, im Wahlkampf die Richtung vor. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitiere ich die folgenden Stellen. Ich muss das noch mal vorlesen, damit deutlich wird, dass der Verfasser dieser Zeilen und der Mi- nisterpräsident dieses Koalitionsvertrages ein und dieselbe Person sind. Auf der Internetseite steht: „Schleswig-Holstein ist kein reiches Land – die- ser Umstand zwingt uns zu einem bodenständigen Realismus und gebietet uns eine liberale Weltoffenheit. Ich weiß, dass die Menschen in unserem Land ihre Stärken kennen. Ich will sie dabei unterstützen, diese Kraft zu entfalten. Das Land fordert uns heraus zu neuen Horizonten. Unser Land braucht mehr Wirtschaftskraft und mehr Arbeitsplätze. Ich will ein Schles- wig-Holstein mit starken Unternehmen, die hier investieren und Erfolg ha- ben. Damit alle Menschen Arbeit haben.“
Die Menschen, die Sie aufgrund dieser Sätze gewählt haben, müssen sich verwundert die Augen reiben, wenn sie nun den Koalitionsvertrag lesen. Wirtschaftliche Entwicklung geht einher mit staatlicher Daseinsvorsorge.
Wenn der Staat nicht durch Straßen die notwendige Infrastruktur zur Verfü- gung stellt, können weder Chancen genutzt, noch Potenziale gestärkt wer- Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 3 den. Mir ist geschichtlich kein Koalitionsvertrag bekannt, bei dem der klei- nere Koalitionspartner seine Parteiinteressen so zu Ungunsten der Zukunft und des Fortschritts durchsetzen konnte, wie im vorliegenden Fall Bündnis 90/Die Grünen bei der Verkehrspolitik.
Wie nur war es möglich, Herr Ministerpräsident, dass die Grünen Sie über- zeugt haben, dass zentrale Infrastrukturprojekte für Europa nicht mehr er- forderlich seien? Ein Ministerpräsident muss die Weitsichtigkeit besitzen und darauf hinweisen, dass trotz aller utopischen Wunschvorstellungen auch zukünftig der Güterverkehr nicht über Radverkehrswege abgewickelt werden kann.
Ein Ministerpräsident eines rohstoffarmen Landes muss den bodenständi- gen Realismus vorweisen und darf nicht die Zukunft des Landes dem Koali- tionsfrieden opfern. Ohne die A 20 wird Schleswig-Holstein nicht nur die sich aus einem Ausbau ergebenden Chancen verspielen, sondern zugleich auch die bestehenden Unternehmen und Arbeitsplätze in Frage stellen. Welcher Logistikkonzern soll zukünftig noch sein Geschäft in Steinburg, Dithmarschen oder Pinneberg unterhalten, wenn er weiß, dass das zentrale Projekt der Ost-West Verbindung Europas nicht weitergeführt wird?
Dadurch werden überflüssigerweise die bereits bestehenden demografi- schen Probleme vor Ort weiter verstärkt. Wer bleibt dort wohnen, wo wirt- schaftliche Perspektiven verschwinden? Mit dieser Politik werden Men- schen aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, ihr Lieblingsland zu ver- lassen und anderenorts ihr Talent und ihre Kreativität zu entfalten.
Welche ökonomische Unvernunft verbirgt sich hinter dem Gedanken, die Menschen zuerst ausgezeichnet auszubilden, was wir ja alle im Landtag unterstützen, aber sie anschließend zur Emigration zu zwingen, da die ört- liche Infrastruktur ihnen keine Möglichkeit bietet, sich wirtschaftlich einzu- bringen? Mit Ihrer Verhinderungs- und wachstumsfeindlichen Politik ist es Rot-Grün bereits einmal gelungen, die Leistungsfähigkeit der Menschen im Land zu behindern. An den Folgen leiden wir noch heute.
Eine A 20 ohne westliche Elbquerung löst keine bestehenden Probleme, sondern im Gegenteil verstärkt diese sogar noch. Der Bau der A 20 bis zur A 7 hat zur Folge, dass das Nadelöhr Hamburg nicht wie Vorgesehen ent-, sondern zusätzlich belastet wird. Der erwartete Verkehr aus dem Tiefsee- hafen Wilhelmshaven kann dann nicht um Hamburg umgeleitet werden, sondern müsste durch Hamburg durch geleitet werden. Das ist nicht nur verkehrspolitisch fatal, sondern durch zusätzliche Verkehrsüberlastung ökologisch schädlich.
Die Hoffnungen des Landes bei der Infrastruktur ruhen auf den Schultern der Vernünftigen in der Regierung.
Die Aussagen des neuen Wirtschaftsministers Meyer in den Kieler Nach- richten stimmen mich zumindest vorsichtig zuversichtlich und zeigen, dass wirtschafts- und verkehrspolitischer Sachverstand in der neuen Regierung durchaus vorhanden ist. In den Kieler Nachrichten vom 07. Juni räumen Sie, Herr Meyer, ja ein, dass sich die gesamtverkehrliche Wirkung der A 20 erst dann entfalte, wenn sie bis nach Niedersachsen hineinführe. Dieser diplomatischen Ausführung hängen Sie zum Schluss auch noch die Aussa- ge an, dass ohne die Querung das ganze keinen Sinn mache.

Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 4 Dazu fällt mir der Satz ein: Ihr Wort in Gottes Ohr oder in diesem Falle ihr Wort in die Ohren des Koalitionspartners. Im gleichen Artikel dagegen wer- den Sie, Herr Ministerpräsident, mit folgendem Satz zitiert: „Die SPD wird dafür werben, dass es westlich weitergeht.“ Wie soll ich mir das vorstellen? Montags auf der SPD-Vorstandssitzung weisen Sie auf die Bedeutung und die Wichtigkeit des Projekts hin, und dienstags in der Kabinettssitzung leh- nen Sie es ab? Man kämpft doch um die Braut, bevor sie vergeben ist und nicht erst, wenn sie bereits unter der Haube ist.
Keine Bundesregierung, unabhängig ihrer Couleur, wird sich hinter ein ver- kehrspolitisches Projekt stellen, das von der Landesregierung abgelehnt wird. Es besteht die Befürchtung, dass, wenn Sie die Planung der A 20 nicht fortführen, diese Mittel auf ewig Schleswig-Holstein umgehen werden. Bei den Verkehrsministern in den anderen Bundesländern, auch in den von Sozialdemokraten regierten, muss Ihr Koalitionsvertrag Freude ausgelöst haben. Wenn sich einige vom nicht gerade üppig gedeckten Buffet entfer- nen, werden andere entsprechend mehr abgreifen.
Die Gelder werden statt nach Schleswig-Holstein dann nach Nordrhein- Westfalen und Berlin fließen. Dabei werden die bereits in Planungskosten geflossenen Ausgaben für Teilstücke westlich der A 7 für immer in Akten- schränken und Schubladen verschwinden. Die dafür aufgewendeten Millio- nen sind dann unwiederbringlich verloren.
Was Sie vorhin als Phantomdebatte bezeichnet haben, ist die Geschäfts- grundlage des Spediteurs in Steinburg und Dithmarschen. Über die berech- tigten Existenzsorgen der Unternehmen und deren Angestellten gehen Sie einfach hinweg.
Dass es gegen den Erpressungsversuch der Grünen auch andere Alterna- tiven als den Verzicht auf wirtschaftliche Entwicklung gegeben hätte, hat vor einigen Monaten Ihr Parteifreund in Berlin, Klaus Wowereit, bewiesen.
Statt gegen die Interessen des Landes zu handeln und damit den Grünen entgegen zu kommen, hat er kurzerhand die Koalitionsgespräche abgebro- chen und sich auf neue Möglichkeiten eingelassen. Diesem Beispiel hätten Sie folgen können! Zum Wohl Ihres Lieblingslandes, zum Wohle der Men- schen im Lande.
Damit hätten Sie nicht nur ein Zeichen der Vernunft und der Weitsicht ge- setzt, sondern auch gezeigt, dass Erpressungsversuche kein Mittel einer vertrauensvollen Zusammenarbeit sein dürfen. Stattdessen war der Machtwille bei Ihnen die prägende Antriebskraft, der Sie alles rücksichtslos unterstellt haben. Dies zeugt eher von persönlich menschlicher Schwäche als von politisch visionärer Größe.
Lassen Sie mich zum nächsten Infrastrukturprojekt schreiten, das die Schleswig-Holstein-Ampel mit ihrem Koalitionsvertrag zu Grabe getragen hat: die Hinterlandanbindung der festen Fehmarnbeltquerung. Sie betonen selbst die Bedeutung des Projektes im Koalitionsvertrag und weisen auf die europäische Dimension dieses Vorhabens hin. Ein Projekt von immenser Tragweite für die Metropolregionen Kopenhagen/Malmö und Hamburg. Die Möglichkeiten, die sich daraus für unser Land bieten, sind immens. Es ist nämlich nicht so, wie einzelne Akteure der Regierungsfraktionen gerne darstellen, dass der Bau der Strecke nur die Pole A und B stärken würde und die Menschen dazwischen nur Belastungen und keine Vorteile ziehen könnten. Mitnichten. Seit je her haben sich an wichtigen Verkehrsstrecken Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 5 Gewerbe und Menschen angesiedelt und somit von den sich bietenden Chancen profitiert. Das war mit dem Bau der Eisenbahn in den Westen der USA so, ebenso mit dem Anschluss von Ortschaften ans Fernverkehrsnetz in Deutschland.
Diese Gebiete werden attraktiv, der Ansiedlung von Gewerbe folgt das ent- sprechende Arbeitskräftereservoir, womit die Wertschöpfung steigt und die Steuerkraft zunimmt.
Herr Ministerpräsident, wenn Sie schon die Argumente der Wirtschaftsver- bände nicht überzeugen können, dann bitte ich Sie doch wenigstens auf den Rat der Grand Dame Ihrer Partei, der ehemaligen Ministerpräsidentin Heide Simonis zu hören. Ich verweise auf das Interview von Frau Simonis aus der Zeitung „Die Welt“ vom Montag. Auf die Frage, ob es klug sei, dass die neue Regierung die Haushaltsmittel für die Hinterlandanbindung der Fehmarnbeltquerung gestrichen habe, äußert sich die ehemalige Minister- präsidentin wie folgt:
„Die Fehmarnbeltquerung ist sauber ausdiskutiert worden. Es gibt einen Staatsvertrag zwischen Deutschland und Dänemark. Eine schleswig- holsteinische Landesregierung sollte sich an geltendes Gesetz halten, statt immer wieder an der gleichen Stelle gegen die Wand zu laufen.“
„Europa schaut heute auf uns" haben Sie Ihre Rede begonnen.
Ein gemeinsames Europa aber Herr Ministerpräsident entsteht aus Taten und Handlungen, nicht aus Floskeln und Bemerkungen. Mit Ihrem Rich- tungswechsel bei der festen Fehmarnbeltquerung und der A 20 sorgen Sie dafür, dass das Zusammenwachsen Europas gehindert und nicht gefördert wird. Damit zeigen Sie doch, dass das in Sonntagsreden propagierte drin- gende Wirtschaftswachstum für Europa für Sie nur ein Lippenbekenntnis ist. Wie sonst könnten Sie ein solches europaweit bedeutendes Projekt so widerstands- und geräuschlos beenden wollen?
Skurril empfand ich in Ihrem Koalitionsvertrag die Passagen, indem Sie et- was ablehnen, was überhaupt niemand fordert. Auf Seite 31 des Koaliti- onsvertrages heißt es: „Eine weitere Vertiefung der Unterelbe lehnen die Koalitionspartner ab, weil sie ökologisch problematisch ist und dadurch er- hebliche Umweltrisiken mit unkalkulierbaren finanziellen Folgelasten ver- bunden sind.“ Trotz mehrmaligen Lesens hat sich die Passage für mich nicht erschlossen. Eine weitere Vertiefung wird derzeit von keiner Seite ernsthaft diskutiert. Der Grünen-Basis zu liebe wurde hier ökologisch ein Projekt ausgeschlossen, was politisch niemand fordert.
Überhaupt findet sich im Koalitionsvertrag nicht der vernünftige Konsens al- ler, der das Ziel verfolgt, das Land voranzubringen, sondern die partiellen Interessen Einzelner, die ihre eigenen Lebensziele verwirklichen wollen. Die Meisten unter Ihnen wissen, wer und was gemeint ist. Richtig die Stadt- Regional-Bahn! Hier wird ein verkehrspolitisch sinnloses und haushaltspoli- tisch höchst fragwürdiges Projekt gefördert, bei dem selbst die beteiligten Kreise sich gegen das Projekt aussprechen. Das wäre alles noch nicht so schlimm, würden dadurch nicht andere, wichtige verkehrspolitische Projek- te im Hamburger Umland, insbesondere der Ausbau der S 4, in ihrer Um- setzung massiv gefährdet. Partielle Parteiinteressen vor Landesinteresse – das kann doch nicht der Aufbruch des Nordens sein.

Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 6 An einzelnen Punkten kann man auch die Politik des Ministerpräsidenten voraussehen. Da sieht man, wie der Pressesprecher, der Verkäufer, in ihm wieder hochkommt.
Auf Seite 27 des Koalitionsvertrag heißt es: „Die Landesregierung wird die- se Entwicklung aufgreifen, um weitere Innovationen im ÖPNV, wie Rufbus- und Ruftaxisysteme, ehrenamtliche Bürgerbusse, Car-Sharing und Mitfahr- portale voranzubringen.“ Da werden nämlich bereits gut laufende Projekte öffentlich mit einem Bild des Ministerpräsidenten in der Zeitung abgedruckt. Mehrwert Null, aber schöne Bilder.
Ein Blick auf die Internetseite www.mitfahrgelegenheit.de löst das ange- sprochene Innovationsproblem der Landesregierung.
Zugleich, Herr Ministerpräsident, versuchen Sie im Koalitionsvertrag durch die Verwendung von Anglizismen, eine gewisse Modernität und eine Auf- bruchsstimmung zu suggerieren. Sie sprechen davon, dass Sie im öffentli- chen Personennahverkehr eine Art Flatrate entwickeln wollen. Meine erste Frage, nachdem ich diese Zeilen im Koalitionsvertrag gelesen habe, war: Wessen Idee war es eigentlich, das Rad neu zu erfinden? Sie, die Bürger und ich wissen doch, dass unter Flatrate nichts anderes gemeint ist als das bekannte Monatsticket. Für 53 Euro im Stadtverkehr Kiel seit Jahrzehnten erhältlich. Innovationen werden nicht durch Begriffe, sondern durch neue Ideen vorangebracht.
Grüne Ideologie – frei von wirtschaftlichen, ökologischen und finanziellen Sachzwängen. Das ist der rote Faden, der den Koalitionsvertrag durch- zieht. So wird im Koalitionsvertrag festgezurrt, dass der Erdölförderzins zum folgenden Haushaltsjahr angehoben wird. Wir erinnern uns: Im ersten Haushaltsentwurf zum Doppelhaushalt 2011/2012 wollten die Grünen die Erdölförderzinsabgabe von 15 auf 17,5 Prozent erhöhen. Der Hinweis der FDP-Fraktion, dass dieser Zins bereits 2009 auf 18 Prozent erhöht wurde, verleitete die Grünen dazu, eine willkürliche Erhöhung auf 21 Prozent zu fordern.
Dieser Vorschlag – so verlockend er im ersten Moment auch klingen mag – ist ökonomisch unbegründet, gefährdet Arbeitsplätze, ist finanzpolitisch abwegig und umweltpolitisch schädlich.
Ökonomisch unbegründet ist er, da bei der letzten Erhöhung im Sommer 2008 der Ölpreis bei über 140 US-Dollar je Barrel lag. Der Preis für die Rohölsorte Brent lag am vergangenen Freitag bei unter 100 US Dollar, also um fast 30 Prozent niedriger. Eine Erhöhung der Erdölförderzinsabgabe hat zur Folge, dass die Abgaben steigen, während die Erlöse sinken. Ab einem gewissen Punkt unterschreiten diese die Gewinnschwelle. Eine Produktion unterhalb dieser Schwelle ist nicht lohnenswert, sodass die weitere Förde- rung eingestellt würde. Damit würden die Einnahmen aus der Erdölförder- zinsabgabe auf null sinken.
Dies hätte natürlich massive Auswirkungen auf die Beschäftigten in Hemmingstedt und Brunsbüttel.
Bei einer solchen Gefahr müsste man doch zumindest davon ausgehen, dass sie finanzpolitisch eine gewisse maßgebliche Relevanz aufweisen, auf die die Grüne Finanzministerin schielt. Leider auch hier Fehlanzeige. Durch die verzwickte Wirkung des Länderfinanzausgleiches ist es so, dass 90
Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 7 Prozent der zusätzlichen Einnahmen aus der Erhöhung der Erdölförder- zinsabgabe das Land wieder direkt verlassen.
Ja, ist denn die Erhöhung zumindest umweltpolitisch gerechtfertigt? Sie können sich die Antwort vorstellen. Nein. Im Gegenteil: Sie ist sogar um- weltpolitisch schädlich. Da nicht davon auszugehen ist, dass die Erhöhung der Erdölförderzinsabgabe in Schleswig-Holstein den globalen Ölmarkt be- einflusst, wird bei einer Einstellung der Produktion das Öl nicht mehr von der Mittelplatte, sondern aus dem Nahen Osten kommen. Durch den lan- gen Transportweg würde die Energiebilanz, bis das Öl in unserem Tank landet, deutlich negativer ausfallen.
Die Einzigen, die von dieser Maßnahme nachhaltig profitieren würden, wä- ren Exxon, Gazprom und die uns nicht wohl gesonnenen Regime im Mittle- ren Osten. In diesem Lichte appellieren wir an die Vernünftigen in der Re- gierung, von dieser Idee Abstand zu nehmen.
Lassen Sie uns bei der Wirtschaft verbleiben. Unter der Regierung Albig muss jeder sein wirtschaftliches Wachstum bremsen. Auch die Tourismus- branche. Auf Seite 26 des Koalitionsvertrages heißt es: „Wir werden im Dialog mit den Akteuren die schleswig-holsteinische Bäderregelung auf ein ausgewogenes Ausnahme-Regel-Verhältnis zurückführen.“
Soll das heißen, dass der bisher von der großen Koalition geschlossene Kompromiss unausgewogen war?
Wieder scheinen sich einzelne Akteure durch diesen Satz im Koalitionsver- trag verewigen zu wollen und die Konsequenzen ihres Handelns nicht zu bedenken. Ich bitte die Regierung, die außerhalb des Parlaments geäußer- te Kritik zur Kenntnis zu nehmen, den Betroffenen zuzuhören und, nach ei- nem Gespräch mit eben jenen, Ihre getroffene Entscheidung nochmals zu überdenken.
Die Auswirkungen auf Schleswig-Holstein wären verheerend. Eine Ände- rung der Regelung hätte viele Verlierer und keine Gewinner. Eine geringere Attraktivität der Urlaubsdestination hätte auch Auswirkungen auf das lokale Gastronomie- und Hoteleriegewerbe. Für einen wesentlichen Teil der Tou- risten gehört der Sonntagsbummel zum perfekten Urlaub genau so dazu, wie ein gutes Glas Wein und ein leckeres Essen.
Das kann man gut finden oder auch nicht, aber es ist nicht zu ändern. Wenn den Urlaubern der Sonntagseinkauf verwehrt bleibt, werden sie künf- tig einen Bogen um unser Land machen und ihren Urlaub anderswo ver- bringen.
Im Hinblick auf die Äußerungen der Kirche, die über den Vorstoß zur Neu- regelung der Bäderregelung ihre Freude bekundete, möchte ich darauf hinweisen, dass die Vernichtung von Arbeitsplätzen und Existenzen kein Gebot der christlichen Nächstenliebe ist. Es ist nicht zu erwarten, dass die Kirchenränge sich füllen, wenn die Läden sonntags geschlossen bleiben.
Herr Meyer, als Wirtschaftsminister und Vorsitzender des Deutschen Tou- rismusverbandes sind Sie gezwungen, bei diesem Thema der wirtschafts- politischen Vernunft und nicht der Symbolpolitik die Vorfahrt zu gewähren.
Symbolpolitik – ich hoffe dieses Wort wird Ihre Regierungszeit nicht derart begleiten, wie es Ihre bisherige Arbeit auszeichnete. Großen Symbolen fol- Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 8 gen große Enttäuschungen – das wäre die passende Beschreibung des Ergebnisses. Herr Ministerpräsident, Sie haben bei Ihren Ministern eine zehnprozentige Kürzung angeordnet, damit die Regierung auch bei sich selbst den Sparstift ansetzt. 100.000 Euro wollten Sie damit einsparen. Da Sie aber zugleich einen Staatssekretärsposten mehr geschaffen haben, wurde aus den 100.000 Euro schnell eine rote Zahl. Täuschen Sie sich nicht, die Bürger werden diese Maßnahme nicht vergessen.
Verantwortung scheuen und Forderungen erheben. Fremdverwaltung statt Selbstgestaltung ist die Maßgabe Ihrer Finanzpolitik. Da wird in poetischen Tönen auf die Bundesregierung verwiesen. Diese müsse die Kosten der Unterkunft für SGB II-Bezieher vollständig übernehmen – Kostenpunkt 8,7 Mrd. €. Diese müsse sich stärker an den Schulkosten beteiligen, am besten vielleicht auch gleich die bundeseinheitliche Schule einführen. Da soll die Bundesregierung massiv die Steuern erhöhen, damit das Land seinen rot- grünen Konsolidierungs- und Wachstumskurs beginnen kann. 600 Millionen Euro verspricht man sich fürs Land. Wer etwas rechnet, stellt schnell fest:
Wer den Ländern diese Einnahmebasis ermöglichen möchte, müsste die Mehrwertsteuer um 5 Prozentpunkte erhöhen. Und dabei hätte der Bund zeitgleich geringere und nicht höhere Steuereinnahmen zu befürchten. Die- se Politik ist selbst in einer sozialistischen Utopie nicht möglich. – Es kann nicht sein, dass Sie im Wahlkampf die Verantwortung im Land anstreben, um Sie anschließend an den Bund weiterzureichen. Einen Steuermann und keinen Frühstücksdirektor braucht dieses Land.
Insgesamt scheint die Koalition sich mit den Realitäten der Schuldenbrem- se, des Fiskalpaktes und der finanzwirtschaftlichen Situationen nicht ausei- nandersetzen zu wollen. Es geht vor allem um das Mehr-Geld-Ausgeben. Konsolidierung – damit möchte sich die Schleswig-Holstein Ampel nicht beschäftigen. Lieber finanzpolitische Früchte der Vorgängerregierung ern- ten und einen Ein-Jahres-Haushalt einbringen.
Andererseits wäre man gezwungen, bereits dieses Jahr Einsparungen vor- zustellen und die wacklige Mehrheit bereits jetzt auf die Probe zu stellen. Lieber noch etwas in den Versprechungen des Wahlkampfes schwelgen, statt sich den Realitäten der Regierungsverantwortung zu stellen. Es hat nichts mit sozialer Gerechtigkeit zu tun, wenn Sie heute soziale Wohltaten beschließen und deren Kosten künftigen Generationen in Rechnung stel- len.
Die Einhaltung der Schuldenbremse ist die Verantwortung des Landtages. Wir werden darauf achten, dass die Schuldenbremse weder aufgeweicht noch von ihr abgewichen wird. Wir werden Sie an die Verfassung bei Be- darf erinnern.
Apropos Verfassung:
Die hätten Sie bei den Koalitionsverhandlungen schon beachten sollen, auch wenn es, wie wir ja wissen, dem Kollegen Dr. Stegner gelegentlich schwer fällt.
Auf Seite 58 Ihres Koalitionsvertrages heißt es u.a.:
„Der SSW stellt die zweite stellvertretende Ministerpräsidentin …“

Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 9 Ein Blick in Artikel 26 Abs. 2 der Landesverfassung hätte Sie vor einer sol- chen Formulierung bewahrt. Dort heißt es:
„Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident wird vom Landtag ohne Aussprache gewählt. Sie oder er beruft und entlässt die Landesministerin- nen und Landesminister und bestellt aus diesem Kreis für sich eine Vertre- terin oder einen Vertreter.“
Vielleicht, Herr Ministerpräsident, wäre es doch ratsamer gewesen, Innen- und/oder Justizministerium von einer oder einem Juristen führen zu lassen.
Lassen Sie uns jetzt bei der Bildungspolitik ein Stück verweilen. Was wurde in Ihrer Zeit noch von Einbeziehung, grünen Tischen und Dialog geredet. Man dürfe keine Entscheidung im Vorhinein treffen, sondern müsse ge- meinsam mit den Beteiligten an Lösungen arbeiten. Kaum an Machtver- handlungen beteiligt, werden die alten Grundsätze über Bord geworfen. Da wird der rot-grüne Wille der Dänen-Ampel den anderen aufgedrängt.
Da werden das Y-Modell abgeschafft, die Wahlmöglichkeiten der Schulkon- ferenzen aufgehoben und die abschlussbezogenen Klassen an Gemein- schaftsschulen gestrichen. Zum Runden Tisch wird nur noch eingeladen, um die eigene Übermacht zu demonstrieren.
Man kann nicht jemandem die rechte Hand reichen und mit der linken Faust zugleich auf den Tisch schlagen. Oder um es mit Ihren Worten aus- zudrücken, Herr Ministerpräsident, man kann nicht sagen, das ist meine Meinung und die hast du zu akzeptieren. Seien Sie wenigstens so ehrlich zu sich selbst und geben Sie zu, dass der grüne Tisch ein öffentlich wirk- sames Oppositionsinstrument war. Nicht mehr und nicht weniger.
Ehrlichkeit – das würde auch Ihrer Bildungspolitik gut anstehen. Geben Sie zu, dass Sie das zweigliedrige Schulsystem zutiefst ablehnen. Geben Sie zu, dass Sie die Gymnasien lieber heute als morgen schließen würden. Geben Sie zu, dass Sie die Gymnasien in die Gemeinschaftsschule integ- rieren wollen, dass das gemeinsame Lernen bis zum Abschluss ihr Non- plus Ultra der Bildungspolitik darstellt. Scheuen Sie nicht die Auseinander- setzung.
Versuchen Sie die Menschen davon zu überzeugen, dass die Einheitsschu- le gut für sie ist und das Gymnasium abgeschafft werden muss. Mit der Stufenausbildung bei Lehrern geben Sie doch die gewünschte Richtung vor.
Lassen Sie uns zu dem zweiten wichtigen landespolitischen Thema kom- men: Innere Sicherheit. Den Menschen im Land wird angst und bange wenn sie sehen, welche Vorstellungen Sie zur Inneren Sicherheit haben.
Da wird an einem 120 Jahre alten Gefängnis festgehalten, als ob das wirt- schaftliche Wohl und Wehe einer ganzen Region, ja des gesamten Landes, an 69 Haftplätzen und 35 Mitarbeitern des allgemeinen Vollzugsdienstes hängt. Da soll nun ein zweistelliger Millionenbetrag in die Justizvollzugsan- stalt Flensburg fließen, damit diese den gesetzlichen Standards wieder entsprechen kann. Dabei ist das Projekt weder aus fehlenden Kapazitäts- gründen notwendig, noch sicherheitspolitisch erforderlich – geschweige denn regionalpolitisch unerlässlich.

Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 10 Die interessante Frage, wie dieses Projekt finanziert wird, beantwortet der Koalitionsvertrag auch: Aus dem Budget des neuen Ministeriums für Justiz, Kultur und Europa.
Da bei Europa keine nennenswerten Kürzungen möglich sind und bei der Kultur Einsparungen ausgeschlossen wurden, müssen die Justiz, die Ge- richte und Staatsanwälte und der Vollzug an anderer Stelle zurückstecken, damit der SSW ein völlig unbegründetes Regionalprojekt befördern kann.
Der Nutzen von 35 Beschäftigten des Justizvollzugsdienstes und von 69 Häftlingen steht in keinem Verhältnis zu den Kürzungen bei der Inneren Si- cherheit für 2,8 Millionen Schleswig-Holsteiner. Hier wurde mal wieder frei nach dem Motto gehandelt: partielle Parteiinteressen vor Landesinteres- sen! - So kann man einen Ortsverband, aber kein Land führen.
Aber nicht nur, dass Sie das falsche Lied bei der Inneren Sicherheit anspie- len. Nein, Sie geben auch noch mit Ihren Entscheidungen einen völlig fal- schen Takt vor. Für die Polizeibeamten wollen Sie eine Kennzeichnungs- pflicht einführen.
Mit dieser Maßnahme erwecken Sie den Eindruck, als ob unsere Bürger vor der Polizei geschützt werden müssten. Dass unter über 7.000 Polizei- beamten Einzelnen Fehlverhalten vorzuwerfen ist, ist nicht verwunderlich. Das wird in unserem Rechtsstaat auch anstandslos geahndet. Aber man kann doch nicht alle 7.000 Polizeibeamte deswegen unter Kollektivhaftung stellen. Unsere Polizeibeamten im Land leisten eine hervorragende Arbeit. Sie riskieren jeden Tag ihr Leben im Dienst und haben es nicht verdient, von Ihnen unter Generalverdacht gestellt zu werden.
Schon heute sehen sich Polizeibeamte, die in Großlagen zum Einsatz kommen, und ihre Familien vielfältigen und subtilen Bedrohungen ausge- setzt.
Die Zusammenstellung Ihres Ministeriums, Herr Dr. Habeck, zeigt auch, wie unfreundlich und wenig zielorientiert das Klima bereits in den Koaliti- onsverhandlungen gewesen sein muss. Hier hat die SPD die späte Rache für die verhinderten Verkehrsprojekte geübt.
Das haben Sie als neuer Energiewendeminister zu spüren bekommen. Sie haben zwar die zwei Energiereferate aus dem Wirtschaftsministerium, nicht aber die essentiell wichtige Planungsabteilung aus dem Innenministerium erhalten. Ohne diese Abteilung ist aber die Energiewende nicht möglich. Der Ausbau der Energienetze, die Novellierung des Windkraftanlagener- lasses und die Umsetzung des Landesentwicklungsplans, nichts davon fällt in ihre Zuständigkeit.
Statt Energiewendeministerium empfehle ich den zweckmäßigen Begriff des Energieverwaltungsministeriums. Ihre Planungsmöglichkeiten als Energiewendeminister, Herr Dr. Habeck, enden bei der Wahl der Decken- oberbeleuchtung im Ministerbüro.
In Ihrem Koalitionsvertrag schreiben Sie zudem fest, dass der künftige Mindestwirkungsgrad von Kraftwerken bei 57 Prozent liegen muss. Da Sie Atom- und Kohlekraftwerke ausschließen, kann sich dies doch nur auf alle anderen Kraftwerke konzentrieren. Dabei scheint den Akteuren gar nicht bewusst gewesen zu sein, dass Windkraftanlagen einen Wirkungsgrad von
Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 11 etwa 50 Prozent und Photovoltaikanlagen nur einen Wirkungsgrad von 20 Prozent aufweisen.
Unüberlegt, unausgereift und vorschnell – lassen Sie uns die grüne Ener- giepolitik wieder in die Realität zurückholen.
Woher soll der Strom denn künftig kommen? – Im Energieministerium wird nach dem Motto gearbeitet: völlig egal woher, planen soll es die Staats- kanzlei. Unter diesen Umständen wird nicht deutsche Ingenieurskunst, sondern märchenhafte Zauberkunst benötigt.
Herr Minister, bezüglich der Energiewende möchte ich Ihnen gern die Wor- te unseres Bundespräsidenten Joachim Gauck mit auf den Weg geben. Joachim Gauck hat bei der Eröffnung der Woche der Umwelt am 5. Juni auf folgende Punkte bei der Energiepolitik hingewiesen: „Es wird uns nicht gelingen allein mit planwirtschaftlichen Verordnungen. Wohl auch nicht mit einem Übermaß an Subventionen.
Es kann uns aber mit überzeugenden Innovationen und im fairen Wettbe- werb gelingen. Ich bin überzeugt: Es gibt keinen besseren Nährboden für unsere Ideen und Problemlösungen als unsere offene Gesellschaft mit of- fenen Märkten und freiem und fairem Wettbewerb.“
Herr Habeck, führen Sie sich diese Sätze zu Gemüte und füllen Sie sie mit Leben aus. Auf meine Partei können Sie dabei als Gefährten zählen.
Aber nicht nur in ihrer Energie-, sondern auch in der Landwirtschaftspolitik gibt es Überraschungen.
Hier wird mit grüner Ideologie Recht und Gesetz außer Kraft gesetzt. Ob- wohl Ihnen der wissenschaftliche Dienst bestätigt hat, dass sie den Bauern nicht vorschreiben dürfen, was diese anbauen möchten, wollen Sie von dieser Idee keinen Abstand nehmen.
Aber Vorschriften und Gebote von Ihnen sind uns ja bekannt. Auf die Spit- ze treiben wollen Sie es, indem Sie eine Eiweißstrategie etablieren möch- ten.
Das heißt, dem Bauern wird nicht nur verwehrt, etwas anzubauen. Nein, ihm wird vorgeschrieben, etwas Bestimmtes anzubauen. Eine große Aus- wahl gibt es freilich nicht. Eiweißhaltige Pflanzen sind Erbsen, Bohnen, Lin- sen und, wer es exotisch mag, Kichererbsen. Diese Vorschriften erinnern eher an die Ernährung in einer Mangelwirtschaft, passen aber nicht in eine frei bestimmte Landwirtschaft.
Zum Schluss möchte ich auf die Art der Debatte und den geführten Wahl- kampf zurückkommen. Ich weiß selbst aus eigener Erfahrung, dass die po- litische Auseinandersetzung häufig überspitzt geführt werden muss. Jedoch dürfen Sie nicht, wie im letzten Wahlkampf, Menschen und deren Lebens- vorstellungen denunzieren und herabwürdigen.
Verstehen Sie mich nicht falsch, meine Partei und auch ich persönlich leh- nen aus inhaltlichen Gründen das von der Union angestrebte Betreuungs- geld ab.
Ihre Argumentation im Wahlkampf richtete sich aber nicht inhaltlich gegen das Betreuungsgeld als Sozialleistung an sich, sondern gegen die Lebens- Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de 12 weise einzelner Bevölkerungsgruppen selbst. Es wurde der Eindruck ver- mittelt, dass Eltern, insbesondere wenn sie über ein geringes Einkommen verfügen oder einen Migrationshintergrund haben, gar nicht in der Lage seien, ihre Kinder selbst zu erziehen. Diese unsägliche Art, die in dem Wort Herdprämie gipfelte, diffamierte die Mütter und Väter, die sich entschließen, die Erziehung selbst in die Hand zu nehmen. Diese an den Pranger zu stel- len, hat rein gar nichts mit einer liberalen, offenen und verantwortungsvol- len Politik zu tun.
Die von Ihnen häufig gepredigte politische Korrektheit darf nicht bei Inhal- ten fremder Parteien halt machen. Kontroverse politische Auseinanderset- zung JA, aber Diffamierung NEIN. Daran sollten wir uns alle halten.
Herr Ministerpräsident, Sie werden feststellen, dass politische Gestaltung einhergeht mit der dazu notwendigen Verantwortung. Gerade wenn es hart und konfliktreich wird, darf man sich nicht wegducken, sondern muss für seine Überzeugung und für das Wohl des Landes gerade stehen. Und Poli- tik verlangt häufig, wenn es die Lage erfordert, auch schnelles, konsequen- tes und unbequemes Handeln. Wenn ein Haus brennt, dann müssen Sie zum Wasserschlauch greifen und nicht etwa, wie manche in diesem Haus meinen, erst mal ein Meinungsbild einholen.
Gerne werden wir Sie an die gemeinsamen Punkte in Ihrem Koalitionsver- trag erinnern und Ihnen dabei auch als Partner zur Seite stehen.
Dabei möchte ich insbesondere die Abschaffung des Optionszwanges bei Einbürgerungen, die Kann-Regelung bei den Schülerbeförderungskosten, die Streichung der Verordnungsermächtigung zur Erhebung einer Küsten- schutzabgabe sowie die Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung erwäh- nen.
Ich fasse zusammen: Der Koalitionsvertrag ist gespickt mit viel Lyrik, wenig Politik, kaum Ideen und keinen Visionen.
Im Oktober 2013 zu den Haushaltsberatungen 2014 wird diese Koalition zeigen müssen, ob sie wirklich mehr kann als Geld auszugeben, das sie dann nicht mehr hat.
Unser Land hat jede Chance verdient. Und wir werden mit Ihnen – parla- mentarisch fair – darum ringen, dass es sie auch erhält.“



Susann Wilke, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: susann.wilke@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de