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16.11.12
11:00 Uhr
SPD

Martin Habersaat zu TOP 38 + 55: Versorgungslücke ehrlich benennen

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 16. November 2012



TOP 38 + 55: Ausstattung mit Lehrkräften / Unterrichtssituation im Schuljahr 2011/2012 (Drucksachen 18/308 und 18/241)



Martin Habersaat:
Versorgungslücke ehrlich benennen

Ehrlich währt am längsten. Jetzt ist es raus: Es gibt eine Lücke zwischen der Zahl der Lehrkräfte, die der Haushaltsgeber – das sind übrigens wir! – zur Verfügung stellt, und den Aufgaben, die zu erfüllen sind. Und trotzdem erwarten wir viel von unseren Schulen. Frau Ministerin, es ist mutig, das heute in dieser Deutlichkeit auszusprechen. Und es ist richtig, weil diese Aufrichtigkeit an den Schulen im Land honoriert werden wird. Ich danke Ihnen dafür!
Der diesjährige Jahresbericht zur Unterrichtsversorgung betrifft ein Schuljahr, für das die politische Gesamtverantwortung bei der CDU/FDP-Regierung lag. Er weist eine immerhin stabile Unterrichtsversorgung aus. Das können wir Ihnen ehrlich zugestehen.
Der Unterrichtsausfall ist über alle Schularten gerechnet leicht rückläufig. Aber ist er auch ehrlich erhoben? Über die methodischen Probleme werden wir nachher noch reden; das wird mein Kollege Kai Vogel übernehmen.
Die GEW hatte sich dankenswerterweise schon vor knapp zwei Jahren die Mühe gemacht nachzurechnen und kam auf die Zahl von 24.305 Lehrkräften, die für die erforderlichen Aufgaben benötigt würden (davon gut 20.100 für den lehrplanmäßigen Unterricht und gut 4.200 für sonstige Pflichtaufgaben), fand aber im Haushalt nur 22.817. Das ergab eine Versorgungslücke von 1.488. 2



Herr Dr. Klug hat als damaliger Minister diese Zahlen nicht bestätigt, aber in einer eigenen Aufrechnung – wir erinnern uns: kurz vor Ende der Regierung Carstensen wollte man dann doch einmal wissen, wie die Lage an den Schulen ist – eine Versorgungslücke von 628 Stellen eingeräumt, die erforderlich seien, um verschiedene Schwerpunktaufgaben zu erfüllen. Leider folgte daraus nichts. Obwohl, ehrlicherweise doch: Es folgte immerhin ein Parteitagsbeschluss der FDP, der 300 Lehrerstellen mehr forderte.
Die Landesregierung hat sich nun vernünftigerweise mit der GEW zusammengesetzt – Dialog! – und die wechselseitigen Berechnungsverfahren überprüft. Dabei kam heraus: es gibt eine Lücke von 1.263 Lehrerstellen plus 350 Erziehern. Wir sind damit meines Wissens die erste Regierungskoalition, die auf rosa Tünche bei der Darstellung der Unterrichtsversorgung verzichtet.
Bleiben wir bei Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit: Was ist von einem Angebot über Gespräche zu einem Schulfrieden zu halten, zu dem die Kieler Nachrichten in ihrem Kommentar schreiben: „Aber, ach: Wenn das, was CDU-Chef Jost de Jager vorlegt, ein Friedensangebot sein soll, fragt man sich, wie bei ihm eine Kriegserklärung aussieht.“
Lassen Sie mich die Aufrichtigkeit des CDU-Vorsitzenden an einem Beispiel auf die Probe stellen. Im shz-Namensartikel heißt es: „Die jüngste Studie zu den Kompetenzen von Kindern nach vier Jahren Grundschule zeigt deutlich, dass es offenbar Anlass gibt, umfassend über die Qualität unserer Bildungsangebote nachzudenken. Denn die schleswig-holsteinischen Grundschulkinder liegen im Ländervergleich beim Lesen und Rechnen nur im unteren Mittelfeld. Das zeigt: Das von der Landesregierung präferierte gemeinsame Lernen schafft allein für sich genommen noch keine höhere Bildungsqualität. In der Grundschule wird ja gemeinsam gelernt.“
Merken Sie es selbst? An allen Grundschulen in Deutschland wird gemeinsam gelernt, an den erstplatzierten genauso wie an den letztplatzierten. Über gemeinsames Lernen kann die Studie also gar nichts aussagen. Trotzdem wird sie hier für einen Ellenbogencheck gegen das gemeinsame Lernen missbraucht. Müssen wir da jetzt von fehlender Aufrichtigkeit ausgehen oder sollen wir jetzt aus moralischen Gründen hoffen, dass der CDU-Vorsitzende es einfach nicht besser wusste? 3



Die Bildungskonferenzen laufen und die CDU ist eingeladen, mitzumachen. Vielleicht führt das ja auch zu hilfreichen Erkenntnissen bei ihrer Suche nach sich selbst.
Auf die Suche machen müssen wir alle uns nach Möglichkeiten, die heute offengelegte Lücke zu schließen. Selbstverständlich sind wir nicht in der Lage, eben einmal schnell 1.263 zusätzliche Planstellen und 350 Erzieherstellen zu schaffen. Was wir leisten, ist, noch im laufenden Schuljahr 300 Lehrerstellen in den Schulen zu erhalten und im Laufe dieser Legislaturperiode etwa 750 Lehrerstellen an den Schulen zu lassen, die nach den Plänen der früheren Landesregierung als demographische Rendite gestrichen worden wären. Darüber hinaus werden 264 Stellen nicht in Form von Planstellen, sondern in finanziellen Mitteln an den Schulen bleiben.
Im nächsten Jahr wird die SPD 150 Jahre alt. Ferdinand Lassalle hat 1863 gesagt: „Alle große politische Aktion besteht in dem Aussprechen, was ist, und beginnt damit.“ Das ist heute geschehen. Vielen Dank.