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21.02.13
15:20 Uhr
SPD

Ralf Stegner zu TOP 4: Damit gute Bildungspolitik gelingen kann

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 21. Februar 2013



TOP 4, Änderung des Schulgesetzes – Vorschaltgesetz (Drucksache 18/200)



Ralf Stegner:
Damit gute Bildungspolitik gelingen kann


Bildung ist und bleibt die zentrale Zukunftsfrage unseres Landes. Unsere Bildungspolitik entscheidet über die weitere Entwicklung unserer Kinder und Enkel – und damit über die Zukunft Schleswig-Holsteins. Deshalb ist es richtig, dass wir den Familien, den Schülerinnen und Schülern, den Lehrerinnen und Lehrern und auch den kommunalen Schulträgern Verlässlichkeit und Planungssicherheit geben. Deshalb ist es so wichtig, dass wir alle Betroffenen beteiligen. Unser Bildungsdialog ist schon jetzt ein Erfolg und ich freue mich auf die Ergebnisse.
Ich danke unserer Bildungsministerin Wara Wende und ihrem Team im Namen meiner Fraktion herzlich, dass und wie sie diese komplexe Aufgabe bewältigen. Viele von uns wissen, wie schwierig es ist, sich schon in diesem Haus auf eine gemeinsame Bildungspolitik zu verständigen. Dies mit einer Vielzahl weiterer Akteure zu tun, ist bisher keine Selbstverständlichkeit gewesen, sondern einmalig. Unsere Vorgängerregierung hat auf einen solchen Dialog ja komplett verzichtet, was sie nicht daran hindert, jetzt an diesem Prozess herumzumäkeln und geradezu ein Füllhorn an miesepetrigen und alarmistischen Presseerklärungen in die Öffentlichkeit zu blasen.
Aber: Die Zustimmung aus allen Teilen der Gesellschaft gibt uns Recht. Wir führen erst den Dialog und treffen dann Entscheidungen. Wahr ist aber auch: Der Ausgangszustand der gänzlich unklugen Politik unserer Vorgänger zählt zu den maßgeblichen Gründen, aus denen die Bürgerinnen und Bürger 2012 den Politikwechsel gewählt haben. Die schwarz-gelbe Bildungspolitik hatte viele gute Wege verlassen, auf die wir uns zuvor – bei Rot-Grün, aber auch in der Großen Koalition – gemacht hatten. 2



Herbert Spencer hat gesagt: „Das große Ziel der Bildung ist nicht Wissen, sondern Handeln.“ Wir in diesem Haus tragen Verantwortung und die gebietet es, dort zu handeln, wo es notwendig ist, wenigstens aber die schlimmsten Fehler der schwarz-gelben Vorgängerkoalition zu korrigieren und damit den Grundstein für ein gutes Schulgesetz zu legen. Mein Kollege Martin Habersaat hat es vor wenigen Tagen auf den Punkt gebracht: Unser Vorschaltgesetz beendet den Bildungsdialog nicht, sondern ermöglicht ihn erst.
An drei Stellen wollen und werden wir dies tun:
Zum einen sollen Gemeinschaftsschulen künftig keine abschlussbezogenen Klassen mehr einrichten. Abschlussbezogene Klassen entsprechen nicht unserem Verständnis von längerem gemeinsamem Lernen. Wo Gemeinschaftsschule draufsteht, muss Gemeinschaftsschule drin sein! Wir wollen das alte, dreigliedrige Schulsystem nicht in anderen Schulformen bewahren, sondern überwinden. Wir wollen nicht in FDP-Retro-Manier, wie das die Kollegin Erdmann so passend nennt, die Schülerinnen und Schüler nach Klasse 4 in drei Sorten Mensch sortieren. Gerade Gemeinschaftsschulen sollen andere pädagogische Konzepte verfolgen. Dafür haben wir mit dem Haushalt 2013 die Zahl der Differenzierungsstunden pro Klasse und Woche von drei auf fünf erhöht, um die Möglichkeiten des längeren gemeinsamen Lernens zu verbessern. Versprochen – gehalten. Das ist unser Prinzip und das ist ein wichtiges Stück Politikwechsel.
Zum zweiten wollen wir keine neuen G9- oder Y- Gymnasien mehr einrichten. Wir wollen stattdessen möglichst für alle Kinder in Schleswig-Holstein ein quantitativ und qualitativ hochwertiges und räumlich erreichbares Abitur-Angebot: Flächendeckend G8 an Gymnasien, G9 an Gemeinschaftsschulen und beruflichen Schulen – auch deshalb brauchen wir so viele Oberstufen wie irgend möglich. Die Landeselternvertretungen für Gemeinschaftsschulen und Gymnasien ebenso wie die Landesschülervertretungen sind da an unserer Seite. Das zwingt übrigens keine Schule zur Änderung des Bestehenden, alle können in Ruhe weiter arbeiten – das ist Fakt trotz Ihrer permanenten Alarm-Propaganda.
Und schließlich wollen und werden wir drittens mit der heutigen Gesetzesänderung die Einrichtung von weiteren Oberstufen an Gemeinschaftsschulen ermöglichen. Dies ist übrigens auch ein Ergebnis des Dialogs im Anhörungsverfahren.
Der demographische Wandel und die damit einhergehende Schulentwicklung haben diesen Eilbedarf beim Schulgesetz gezeigt. Und deshalb ist es eben auch Teil des Dialogs, dass wir Hinweise aus der Anhörung aufnehmen und da helfen, wo schnelle Hilfe Not tut. Nicht das schwarz-gelbe Motto „Schuster, bleib` bei deinen Leisten“, weil es so schon ist, mit dem Oben 3



und Unten in unserer Gesellschaft. Schleswig-Holstein darf gerade in dieser Frage nicht länger unter Wert regiert werden.
Auch wenn wir die anderen Bildungsabschlüsse, z. B. in der beruflichen Bildung, keineswegs gering schätzen, gilt doch: Wir wollen, dass mehr Kinder in Schleswig-Holstein Abitur machen können. Dafür brauchen wir flächendeckend Oberstufen im Land. Dabei geht es uns gerade nicht darum, Gymnasien und Gemeinschaftsschulen gegeneinander auszuspielen.
Wenn man nichts ändert, bekommt man auch nicht mehr Abiturienten. Es geht um die Frage, wie wir mehr Schülerinnen und Schüler zum Abitur bringen – und zu diesem Ziel haben wir im Verlauf der vergangenen Wochen fast ausnahmslos Zustimmung erhalten. Die unter- durchschnittliche Abiturquote in Regionen unseres Landes ist doch kein Naturgesetz!
Die Kollegin Klahn von der FDP hatte am 30. November per Pressemitteilung gefordert: „Keine weiteren Oberstufen an Gemeinschaftsschulen“. Und sehen Sie, genau das ist der Unterschied, meine Damen und Herren. Wir wollen möglichst viele Oberstufen, die allen Kindern offen stehen. Sie wollen eine Elite oder das, was Sie dafür halten!
Wenn Sie sich die Stellungnahmen der Anzuhörenden ansehen, erkennen Sie schnell: Fast alle eint das Ziel, möglichst vielen jungen Menschen das Abitur zu ermöglichen. Das geht aber nur über Veränderungen. Wir sind uns sicher: Mehr Oberstufen im Land werden auch zu mehr Schülerinnen und Schülern führen, die ihre Schulzeit mit dem Abitur abschließen. Wir denken uns das übrigens nicht aus. Schon heute gibt es dort mehr Abiturientinnen und Abiturienten, wo es auch mehr Oberstufen gibt.
Ein Schulwechsel nach der 10. Klasse kommt für viele Jugendliche aus Angst vor einem Scheitern nicht in Frage. Erst die an der eigenen Schule anschließende Oberstufe schafft hier wirksam Abhilfe.
Die derzeit gültige von Schwarz-Gelb beschlossene Fassung des Schulgesetzes macht die Einrichtung von Oberstufen an Gemeinschaftsschulen praktisch unmöglich. Der ,,Oberstufenverhinderungsparagraf" gehört zu den so eifrig gehätschelten Schikanierungsinstrumenten des ehemaligen Ministers Dr. Klug gegen die Gemeinschaftsschulen.
Die ersten der 2007 gegründeten Gemeinschaftsschulen sind mittlerweile so weit aufgewachsen, dass sie nach den Sommerferien 2013 mit dem Oberstufenbetrieb starten könnten. Auch andere Schulträger wünschen sich Planungssicherheit für die Einrichtung neuer Oberstufen. Und genau deshalb ist die heutige Änderung des Schulgesetzes nur ein konsequenter Schritt, der sich aus 4



der Einführung der Gemeinschaftsschule ergibt. Das ist übrigens die Schulart, bei der die Eltern buchstäblich mit den Füßen gegen Ihre schwarz-gelbe Politik abgestimmt haben!
Dafür haben wir im Anhörungsverfahren viel Unterstützung erfahren. Da, wo es Kritik gab, galt diese allenfalls dem Verfahren, nicht aber der Einrichtung neuer Oberstufen. Und ich will an dieser Stelle gerne sagen: Die Kritik an der Eile im Verfahren nehmen wir durchaus ernst. Tatsache ist aber auch: Die Gemeinschaftsschulen brauchen jetzt eine Entscheidung. Schulleitungen, Eltern, Schülerinnen und Schüler haben sich mit ihren Trägern unendlich viel Mühe gegeben und intensiv an überzeugenden Konzepten gearbeitet. Das war harte Arbeit.
Ich gratuliere denjenigen, die eine Oberstufe werden einrichten können. Ihre Arbeit hat sich gelohnt und wir wollen und werden sie nicht enttäuschen.
Und ich möchte an diejenigen appellieren, die gegen unsere Gesetzesänderung sind, weil sie nicht von ihr profitieren. (Der Städteverband hat beispielsweise darauf hingewiesen, dass das Bild der Mitglieder unterschiedlich sei, je nachdem, ob die Städte auf neue Oberstufen hoffen oder nicht.) Es geht uns nicht darum, bestehende Oberstufen zu schwächen, sondern den Familien zusätzliche Angebote zu machen. Viele konstruktive Vorschläge sind bereits gemacht, beispielsweise was die Möglichkeiten der Kooperation von Gemeinschaftsschulen und beruflichen Schulen betrifft. Hieran müssen wir weiterarbeiten.
Und auch hier gilt wieder: Ihre Propaganda – auf der rechten Seite des Hauses – ist falsch! Niemand wird gezwungen, alles passiert auf Antrag der Schulträger. Haben Sie – werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU – denn so gar kein Vertrauen in die Kompetenz der Kommunalpolitik? Das ist eine interessante Haltung, die Sie da wenige Wochen vor der Kommunalwahl an den Tag legen. Auch die Philologen betonen immer die Bedeutung von Entscheidungen vor Ort. Sie darf ich fragen: Gilt das etwa nicht für Gemeinschaftsschulen? Gilt dies nicht, wenn Schule und Schulträger gemeinsam ein Konzept entwickelt und überzeugt haben?
Wir schaffen mit den heutigen Änderungen des Schulgesetzes die Voraussetzung dafür, den Bildungsdialog in Ruhe fortzusetzen. Nach Abschluss des Bildungsdialogs werden wir in ein Gesetzgebungsverfahren eintreten, das wir rechtzeitig zum Schuljahr 2014/15 abschließen wollen. Heute wollen wir dafür die notwendige Grundlage schaffen – damit Bildung in diesem Land gelingen kann.
Bildung entscheidet über Lebenschancen und deshalb ist und bleibt es unsere Verantwortung, dass jedes Kind in Schleswig-Holstein die bestmögliche Bildung erhält! Das wird so kommen – 5



wenn Sie wollen, gerne gemeinsam mit Ihnen, aber wenn Sie nicht wollen, auch mit unserer Mehrheit von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und dem SSW. Darauf können, darauf dürfen Sie sich verlassen!