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19.02.14
16:03 Uhr
SPD

Thomas Rother zu TOP 15: Für eine zeitgemäße Überarbeitung von Strafrechtsbegriffen

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 19. Februar 2014



TOP 15, Bericht zum Stand der Bundesratsinitiative zur Wortlautbereinigung der §§ 211 und 212 im Strafgesetzbuch (Drucksache 18/1559)



Thomas Rother:
Für eine zeitgemäße Überarbeitung von Strafrechtsbegriffen


Wir treffen immer wieder auf die Schatten der nationalsozialistischen Vergangenheit unseres Landes. Zuletzt haben wir uns hier mit der personellen Kontinuität in Politik und Verwaltung befasst. In vielen Kommunen stehen Namensgebungen in der Diskussion wie hier ein paar Meter weiter die nach Herrn Hindenburg. Oder wenn ich mal in meiner Nachbargemeinde Bad Schwartau unterwegs bin und von der Carl-Diem-Straße zur Rudolf-Harbig-Halle will, denke ich immer wieder, dass ich dazu wohl von der Adolf-Hitler- Allee abbiegen müsste – das würde passen.
Aber nicht nur über Menschen und ihre Taten wird gestritten, es geht auch um Begriffe. Manche Begriffe aus der NS-Zeit, wie beispielsweise der der Daseinsvorsorge, welcher aus der Feder des Nationalsozialisten Ernst Forsthoff stammt, gefallen auch meiner Partei unabhängig vom Erfinder. Die Herkunft dieses Begriffs wird allerdings sogar zur Ablehnung von Rekommunalisierungen öffentlicher Aufgaben angeführt, wie beispielsweise in der gerade aktuellen Zeitschrift der IHK’en, also der Februar-Ausgabe. Herr Steen, Geschäftsführer bei Remondis Nord, führt auf der Seite 1 zur Daseinsvorsorge aus: „Dass dieser verwaltungstechnische Begriff eher unrühmliche historische Wurzeln hat, sei hier nur am Rande erwähnt.“ 2



Es ist also noch lange nicht alles vorbei! Daher ist es gut und richtig, dass die Justizministerin das Beseitigen von Altlasten im Strafgesetzbuch auf den Weg gebracht hat. Mit der Strafrechtsreform vom September 1941 lösten die Nationalsozialisten den bisherigen Mordbegriff ab, der auf Überlegung – also psychische Gesichtspunkte – abstellte. Man orientierte sich nun an einem „Tätertyp“, statt an einem Handeln, das im Gesetzbuch möglichst genau beschrieben ist. Lediglich entfernt wurde aus der NS-Zeit die Sanktion, nämlich die Todesstrafe, die durch lebenslange Freiheitsstrafe ersetzt wurde. Für die praktische Rechtanwendung hatte der NS-Begriff keine Bedeutung.
Frühere Anläufe, die erforderliche Begriffsbereinigung durchzuführen, wurden nicht weiter verfolgt. Ursache dafür ist sicherlich die Diskussion um die Abgrenzung von Mord zu Totschlag sowie die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und das zu verhängende Strafmaß bei einer Tat.
Daher ist die Initiative der Landesregierung zu begrüßen, dies nicht nur sprachlich, sondern auch zeitgemäß und systemkonform zu überarbeiten. Zudem hat Bundes- Justizminister Heiko Maas sich vorgenommen, diese Fragen endlich zu klären. Dafür gebührt ihm Respekt.
Der Deutsche Anwaltsverein schlägt darüber hinaus vor, die lebenslange Haftstrafe als absolute Strafandrohung abzuschaffen und nur noch einen Strafrahmen mit der lebenslangen Freiheitsstrafe als Obergrenze ins Gesetz zu schreiben. Das alles hat nun den bayerischen Justizminister auf den Plan gebracht, dass doch alles beim alten bleiben solle, und er befürchtet, dass die lebenslange Haftstrafe nun ganz zu Fall käme.
Damit sind wir mitten in der Bundespolitik und vor allem in der Diskussion um Strafmaße – dies auch vor dem Hintergrund der Entscheidungen über Regelungen zur Sicherungsverwahrung. Dauerhaftes Wegschließen von Personen ist – unabhängig von der Sinnfrage – angesichts der europäischen Rechtsprechung nicht einfach so zu machen und besonderen Anforderungen unterworfen.
Genauso ist es eine Binsenweisheit, dass eine hohe Strafandrohung – erst recht bei Mord oder Totschlag – abschreckend wirkt. Und die Rückfallquote ist bei Mördern am 3



geringsten. Daher kann es in der von Heiko Maas angekündigten Arbeits- oder Expertengruppe zu einer auf diese beiden Paragrafen bezogenen Strafrechtsreform spannend werden.
Das Grundanliegen, das Frau Spoorendonk formuliert hat, sollte dabei nicht in den Hintergrund treten, sondern als Selbstverständlichkeit aufgenommen werden. Über alle anderen diskutierten Änderungsvorhaben sollten wir rechtzeitig und umfassend im Innen- und Rechtsausschuss informiert werden.