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19.03.14
17:53 Uhr
SPD

Beate Raudies zu TOP 27: Das Streikverbot gilt!

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 19. März 2014



TOP 27, Streikrecht für bestimmte Beamtinnen und Beamte einführen (Drucksache 18/1680)



Beate Raudies:
Das Streikverbot gilt!

Vor etwa einem Jahr haben wir uns schon einmal mit diesem Thema beschäftigt. Damals legte die Piratenfraktion einen Gesetzentwurf vor, der die Einführung eines Streikrechts für bestimmte Beamte vorsah. Gestützt war diese Forderung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und ein nicht rechtskräftiges Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen. Die Revision vor dem BVerwG war damals bereits anhängig.
Der Innen- und Rechtsauschuss hat eine schriftliche Anhörung durchgeführt – mit zum Teil vernichtenden Stellungnahmen – und empfahl die Ablehnung. Dieser Empfehlung ist der Landtag im September 2013 auch mit großer Mehrheit gefolgt. Vielleicht hätten wir – wie seinerzeit vorgeschlagen – das Urteil des BVerwG erstmal abwarten sollen. Das hätte uns viel Arbeit erspart. Denn das BVerwG hat die geltende Rechtslage nun weitgehend bestätigt.
Lassen Sie mich den Tenor des Urteils noch einmal zusammenfassen: Beamte in Deutschland sind zur besonderen Loyalität gegenüber ihrem Dienstherrn verpflichtet und dürfen generell nicht streiken. Dieses Streikverbot lässt sich unmittelbar aus der Verfassung ableiten, nämlich aus Art. 33 GG.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dagegen – in Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention – für Bedienstete, die im nicht hoheitlichen Teil 2



der Staatsverwaltung tätig sind, ein Streikrecht bejaht. Die Richter des BVerwG folgern nun, dass die deutsche Rechtsordnung derzeit einen inhaltlichen Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention enthält in Bezug auf das Recht auf Tarifverhandlungen und das Streikrecht derjenigen Beamten, die außerhalb der hoheitlichen Staatsverwaltung tätig sind.
Diese Kollision zwischen deutschem Verfassungsrecht und der Europäischen Menschenrechtskonvention muss der Bundesgesetzgeber auflösen. Art. 33 Abs. 5 und 74 Nr. 27 GG sehen ausdrücklich vor, dass das Statusrecht der Beamten unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln ist. Für die Übergangszeit – bis zu einer bundesgesetzlichen Regelung – bleibt es beim Streikverbot!
Das Bundesverwaltungsgericht hat nicht nur die Zuständigkeiten für eine Weiterentwicklung des Beamtenstatusrechts benannt, es benennt auch deutlich die möglichen Risiken: Die Zuerkennung eines Streikrechts für die Beamten, die nicht in Bereichen der hoheitlichen Staatsverwaltung tätig sind, würde einen Bedarf an Änderungen anderer, für die Beamten günstiger Regelungen – etwa im Besoldungsrecht – nach sich ziehen. Das Beste aus beiden Welten wird es wohl nicht geben können…
Nicht nur der Vollständigkeit halber möchte ich auch noch einmal auf die Rechtsauffassung des Deutsche Beamtenbunds (DBB) hinweisen: Dieser lehnt die Einführung eines Streikrechts nach wie vor kategorisch ab und hält die Bildung verschiedener „Klassen“ von Beamten mit oder ohne Streikrecht für unvereinbar mit Art. 33 Grundgesetz. Gestützt wird diese Auffassung durch ein Rechtsgutachten des ehemaligen Richters am BVerfG, Prof. Udo di Fabio. Dieser hält ein Streikrecht mit dem Beamtenstatus generell für unvereinbar. Der DBB sieht hier die Gefahr des Einstiegs in die Abschaffung des Berufsbeamtentums.
Wir sind, anders als einige Gewerkschaften, der Auffassung, dass Beamtinnen und Beamte kein Streikrecht haben. Ich nehme den Antrag der Piraten aber gerne erneut zum Anlass, wieder zu einer grundsätzlichen Reform des öffentlichen Dienstrechts in Deutschland aufzurufen. Eine Reform, die nicht von oben verordnet, sondern gemeinsam mit allen Betroffenen erarbeitet wird. 3



Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und seine Bewertung der Europäischen Menschenrechtskonvention werden in dieser Gesamtdiskussion über eine Reform des öffentlichen Dienstes einen wichtigen Aspekt darstellen. Alleingänge einzelner Länder sind dabei allerdings wenig aussichtsreich, ggf. sogar hinderlich.
Erlauben Sie mir noch eine Anmerkung zum zweiten Unterpunkt des Piraten-Antrags. Dort wird die Landesregierung aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass Beamten aus dem Gebrauch ihres Streikrechts (soll wohl heißen: bei der Ausübung des Streikrechts) keine Nachteile entstehen. Mal ganz abgesehen davon, dass die Landesregierung hier ganz nonchalant zum Rechtsbruch aufgefordert wird – denn das BVerwG hat den Fortbestand des Streikverbots ja ausdrücklich bestätigt – wie soll das denn bitteschön praktisch gehen?
Nein, es lohnt sich nicht, diesen Antrag weiter zu diskutieren. Eine Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss kommt für uns nicht in Betracht, ich beantrage Abstimmung in der Sache.