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11.04.14
10:57 Uhr
SPD

Kai Vogel zu TOP 14,15,18,19,28,29,43: Mobilität und Transport konstruktiv denken

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 11. April 2014



TOP 14, 15, 18, 19, 28, 29 und 43: Anträge zur Rader Hochbrücke, zum Weiterbau der A20, zur festen Fehmarnbelt-Querung, zum Schienenverkehr, zum Nahverkehrsplan (Drucksachen 18/1725, 18/1726, 18/1729, 18/1730, 18/1749, 18/1748, 18/1751, 18/1793)



Kai Vogel:
Mobilität und Transport konstruktiv denken

Die Zusammenfassung der Verkehrsthemen unserer Tagung gibt mir Gelegenheit, einmal weit über Einzelaspekte hinauszudenken. Wir haben einige große Verkehrsachsen in Schleswig- Holstein. Dazu zählen der Nord-Ostsee-Kanal, die A20, die Routen zwischen Dänemark und Hamburg, die Vogelfluglinie sowie die Jütlandroute, die A7.
Wir haben auch – darüber haben wir im Landtag schon mehrfach gesprochen – eine ganze Reihe von kleineren Infrastrukturprojekten. Sie sind für die Menschen in unseren Regionen, die darauf angewiesen sind, von ebenso großer Bedeutung. Und wir wissen, dass die Anforderungen an Mobilität und Transport sich ändern. Umso wichtiger, dass wir versuchen, die Verkehrsfragen von morgen nicht mit den Methoden und Ideen von gestern zu lösen.
Verkehrspolitik für Schleswig-Holstein spielt im Bund nicht immer die Rolle, die wir uns wünschen. Zuletzt haben wir das wieder einmal beim Nord-Ostsee-Kanal gesehen. Das jahrlange Hin und Her um Schleusen hier oder dort, Oststrecke ja oder nein, zehrt an den Nerven. Insbesondere an den Nerven der direkt am Kanal beschäftigten Menschen, die täglich mit einem Schaden an den maroden Schleusen rechnen.
Der Nord-Ostsee-Kanal verbindet unsere Produktions- und Umschlagszentren mit dem skandinavischen Raum und dem Baltikum. Dafür, dass das so bleibt, müssen wir uns weiter 2



gemeinsam stark machen. Denn ohne den Kanal würde auch Hamburg einen Teil seiner Attraktivität verlieren und die großen Verkehre liefen in großem Bogen um uns herum. Dieser wirtschaftliche Schaden muss dringend vermieden werden.
Es ist kein Geheimnis, das die Koalitionspartner in einigen Verkehrs- und Mobilitätsthemen unterschiedliche Auffassungen haben. Das sind übrigens bei weitem nicht so große Unterschiede, wie Sie uns immer weismachen wollen. Ich bin überzeugt, dass wir im Koalitionsvertrag sehr kluge Dinge vereinbart haben. Einige davon müssen im Licht neuer Entwicklungen neu betrachtet werden.
Dazu gehört der Weiterbau der A20. Nach wie vor halten wir die Behauptungen, die Strecke könne ratz-fatz fertiggestellt werden, wenn doch nur Punkt a, b oder c einträte, für illusorisch. Fakt ist, dass alle Regierungen bisher große Schwierigkeiten hatten, ihre geplanten Bauabschnitte umzusetzen. Wir haben mit unseren Koalitionspartnern vereinbart, von Osten nach Westen mit logischen Anschlüssen zu bauen. Und wenn Sie über die Jahre Ihrer Verantwortung als Verkehrsminister in Schleswig-Holstein sorgfältiger geplant hätten, könnten wir vielleicht auch schon ein Stück weiter sein.
Jetzt wird es darum gehen, die nächsten Streckenabschnitte genau in den Blick zu nehmen. Wir haben ja alle Abschnitte weiter geplant. Wenn es sinnvoll ist, anderswo weiterzumachen, werden wir darüber mit unserem Koalitionspartner verhandeln und ich bin sehr guter Hoffnung, dass es gelingt. Voraussetzung ist auch hier, dass wir logische Anschlüsse schaffen. Autobahnfragmente in der Landschaft soll es nicht geben. Das wäre wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen, umweltpolitisch fahrlässig und verkehrstechnisch sinnlos.
Für uns gilt auch weiterhin, dass die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern ein hohes Gut ist. Dass aber auch eine noch so konstruktive und umfassende Bürgerbeteiligung kein Garant dafür sein kann, am Schluss ohne Klage durch ein Planungsverfahren zu kommen. Dies zeigt sich gerade an der Oststrecke des Nord-Ostsee-Kanals.
Wir sehen aber auch Klagen von Verbänden oder von einzelnen Bürgerinnen und Bürgern als einen positiven Beitrag zur Entwicklung unseres Landes. Sie haben oft einen anderen Blick auf die Dinge, mitunter, dass müssen wir eingestehen, auch einen sorgfältigeren. Und an der A20 3



können wir wieder einmal sehen, dass es klug gewesen wäre, die Meinungen der Fachleute ernst zu nehmen. Die A7 ist die wesentliche Nord-Süd-Verbindung in Schleswig-Holstein. Der Ausbau zur 6- Spurigkeit ab Herbst dieses Jahres ist für die heutigen Verkehrsströme zwingend notwendig. Ebenso zwingend notwendig ist eine funktionsfähige Rader Hochbrücke. Eine Teilsperrung im letzten Sommer führte bereits zu massiven Verkehrsstörungen. Eine Sperrung wegen Baufälligkeit wäre ein Desaster. Dies wäre ein Desaster für Schleswig-Holstein, es wäre ein Desaster für die deutsch-dänischen Wirtschaftsbeziehungen, für den Tourismus, für die Wirtschaft – schlicht gesagt: für uns alle. Diese Querung muss schnellstmöglich erneuert werden. Hier müssen wir zusammenstehen, denn wenn es noch 12 Jahre der prognostizierten Haltbarkeit sind, dann muss sofort mit den Planungen begonnen werden.
Menschen werden auch in Zukunft mobil sein – aber wie? Diese Frage hat Vorrang vor jedem „weiter-so“, vor jedem Ausbau, vor jeder Maßnahme, die in die Landschaft, in Siedlungen oder in ganze Regionen eingreift.
Mit unserer Zentralisierungspolitik im ländlichen Raum haben auch wir dazu beigetragen, dass es kaum möglich ist, dort auf ein Auto zu verzichten. Es funktioniert nur dort, wo Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit der Politik vor Ort ihr Schicksal in die eigene Hand genommen haben: Mit Car-Sharing, mit Bürgerbussen, mit Markttreffs und kleinen Dienstleistungszentren, mit der Einbindung von Ehrenamt, Engagement und sozialen Einrichtungen.
Die Altersstrukturen ändern sich, auch in Schleswig-Holstein. Noch verzichten in Deutschland nur rund 5% der Haushalte im ländlichen Raum, die keinen PKW haben, bewusst darauf. Wir können aber auch davon ausgehen, dass hier das Sein das Bewusstsein bestimmt. Daher sind Einrichtungen der Daseinsvorsorge, Arbeitsplätze, Kultur und Verwaltung vor Ort wichtige Entscheidungsgründe für die eine oder die andere Art von Mobilität.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Auto in einigen Jahrzehnten für die gleichen Strecken genommen wird wie heute. Es ist gut möglich, dass dies kürzere Wege sind, wenn Arbeitsplätze und Wohnen näher zusammenrücken und weil Glasfaser-Infrastruktur eine andere Arbeitswelt ermöglicht. Und viele Wege werden mit E-Fahrzeugen, mit dem Rad, zu Fuß oder mit 4



öffentlichem Personennahverkehr zurückgelegt, weil das gleich zwei Bedarfe verzahnt: Die Entwicklung des Durchschnittsalters und eine veränderte Einstellung zur Work-Life-Balance.
Lebensqualität spielt für junge Menschen eine wichtige Rolle. Nach der letzten Shell- Jugendstudie ist das Engagement für gesellschaftliche Zwecke gestiegen. Junge Menschen denken mehrdimensional, sie sehen Wirtschaft, Demokratie, Umweltzerstörung und deren wirtschaftliche Folgen im Kontext. Ich bin überzeugt, dass wir  mit der Stärkung alternativer Antriebe,  mit der Energiewende inklusive moderner Speichertechnologien,  mit einem Schwerpunkt auf attraktiven öffentlichen Verkehren,  mit einer engagierten und verantwortungsvollen Landesplanung,  mit unserer Dialogkultur nicht nur in Planungsfragen,  mit dem Vernetzungsgedanken
auf dem richtigen Weg sind. Deshalb ist es so wichtig, dass wir bei der Mobilität viele Entwicklungsrichtungen im Blick behalten. Das Land Schleswig-Holstein sollte sich die Chance nicht entgehen lassen, auch beim Parken und Laden von E-Fahrzeugen vorn mitzumachen. Wenn wir diese Fahrzeuge besser einsetzen können, und wenn es gelingt, sie mit den anderen Verkehren gut zu verzahnen, können sie einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Mobilität leisten.
Verzahnung ist ein weiterer wichtiger Punkt, wenn wir Mobilität von morgen gewährleisten wollen. Konzepte wie Park-and-Ride oder Bike-and-Ride werden dann an Bedeutung gewinnen, wenn es gelingt, sie attraktiv zu gestalten. Oder wenn die Alternativen noch unattraktiver sind, zum Beispiel durch Staus auf der Autobahn oder durch die hohen Energiekosten.
Wenn in Hamburg Parkplätze noch knapper und noch teurer werden, ist das ein Anreiz zum Umsteigen. Und wenn Land und Kommunen es klug anstellen, macht das Bahnfahren sogar noch Spaß und schafft Mehrwert. Und wenn wir mit modernen Fahrzeugen alte Nahverkehrsstrecken neu beleben können, wie die Strecke Kiel–Schönberg, schaffen wir für Berufstätige neue und schnelle Wege in die Stadt, wir werten gleichzeitig den Tagestourismus auf, entlasten die Straßen und die Menschen. 5



Politikerinnen und Politiker tun weder sich noch den Bürgerinnen und Bürgern einen Gefallen, wenn sie sich zu Wortführern einer kleinen, aber lauten veränderungsfeindlichen Minderheit machen, nur um die Politik der Landesregierung in ein schlechtes Licht zu rücken. Wer das tut, verwechselt Politik mit Populismus, und zwar auf Kosten anderer.
Der Nahverkehrsplan, den Minister Meyer vorgelegt hat, betont die ökologische Bedeutung der öffentlichen Verkehre. Er geht aber noch weit darüber hinaus: Er nimmt Cluster in den Blick und stellt dar, unter welchen Voraussetzungen sich Anforderungen an Mobilität verändern. Ein Marktanteil der Nahverkehre von rund 6,6 % jetzt, der sich allein aus der sich verändernden Milieustruktur der Bevölkerung auf 7,0 % in 10 Jahren steigern wird, ist aus meiner Sicht nicht besonders hoch. Er ist in allen gesellschaftlichen Milieus steigerungsfähig, in einigen mehr als in anderen. Hier wird es darauf ankommen, Angebote zu machen, um Menschen nicht nur dort abzuholen, wo sie stehen, sondern sie auch mit den Mobilitätsangeboten abzuholen, die sie attraktiv finden.
Ich glaube, dass Angebote wie ein Ausbau der S4 und S21, wie die Stadtregionalbahn – und hierzu zählt die Strecke Kiel–Schönberg – dazu beitragen können, dass Menschen umsteigen. Das kann dauern. Einstellungen verändern sich langsam. Nur verlässliche und qualitativ gute Angebote verändern das Nutzungsverhalten der Menschen. Bis dahin müssen die Strukturen aber aufgebaut sein, müssen vernetzte Angebote stehen, brauchen wir attraktive Wohnquartiere mit ortsnaher Daseinsvorsorge in den Städten und auf dem Land.
Der Tourismus wird massiv davon profitieren, wenn der echte Norden eines Tages nicht nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht, sondern auch bereist werden kann. Ich meine, dazu brauchen wir mutige Konzepte und den Verzicht auf Tabus. Die konsequente Reduzierung von Barrieren wird ein wichtiger Schritt sein, denn: Barrierefreiheit brauchen 10% zwingend, für 30 bis 40% ist sie hilfreich und 100% der Menschen profitieren davon. Wir alle profitieren davon – und daher bin ich froh, dass dieser wichtige Bereich von der Landesregierung im Landesnahverkehrsplan mit einem hohen Stellenwert aufgenommen wurde.
Schleswig-Holstein ist mit der öffentlichen Ausschreibung von Bahnnetzen vor vielen Jahren einen mutigen Schritt gegangen, der sich aus unserer Sicht gelohnt hat: Wir konnten die Takte steigern, die Kosten dämpfen und Strecken attraktivieren. Mit der Reaktivierung von Strecken 6



gehen wir einen weiteren Schritt, mit der Planung zur Stadtregionalbahn werden wir die Region um Kiel besser anbinden.
Schleswig-Holstein hat in den vergangenen Jahren, auch schon unter CDU-Verkehrsministern, einiges für die Verbesserung der Bahnangebote gemacht: Barrierefreiheit zählt dazu, neue Stationen, Modernisierungen und Verschönerungen. Mit den Neuausschreibungen setzen wir seit 2012 darauf, dass es weitere deutliche Verbesserungen in den Anbindungen gibt. Was bisher fehlte, war der rote Faden, der sich durch unsere Angebote zieht. Er folgt jetzt mit dem neuen Nahverkehrsplan.
Nahverkehr muss transparent organisiert sein, er muss als zusammenhängendes Konzept ersichtlich sein und er muss der Lebenswirklichkeit der Menschen begegnen. Wenn uns das gelingt, kann Schleswig-Holstein nicht nur bei der Energiewende Vorzeigeland sein, sondern auch beim Nahverkehr. Bessere Zugänge, Transparenz und Verlässlichkeit machen die Basis des Nahverkehrs in Schleswig-Holstein aus. Die Vernetzung der Verkehrsmittel und weitere Attraktivitätssteigerungen werden die nächsten Schritte sein. Es gibt noch viel zu tun, aber es lohnt sich!
Zu den Abstimmungen:  Den Antrag der FDP, „Ersatzbauwerk für die Rader Hochbrücke“, Drs. 18/1725, lehnen wir ab.  Den Antrag der FDP, „Weiterbau der A20 westlich der A7“, Drs. 18/1726, lehnen wir ab, dem Änderungsantrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und SSW, Drs. 18/1793, stimmen wir zu.  Der Berichtsantrag der FDP, „Raumordnungsverfahren zum Bau der Hinterlandanbindung der festen Fehmarnbelt-Querung“, Drs. 18/1729, wurde bereits gegeben.  Dem Antrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und SSW, „Auch in Zukunft sicher über den Nord-Ostsee-Kanal“, Drs. 18/1730, stimmen wir zu.  Den „Vierten Landesweiten Nahverkehrsplan bis 2017“, Drs. 18/1748, möchten wir gern im Ausschuss weiter behandeln und beantragen Überweisung, federführend in den Wirtschaftsausschuss. 7



 Den Antrag von FDP und CDU, „Reaktivierung der Bahnstrecke Kiel-Schönberg stoppen“, Drs. 18/1749, lehnen wir ab.  Den Antrag der CDU „Verkehrskonzept Schleswig-Holstein auf Schiene und Straße gescheitert“, Drs. 18/1751, lehnen wir ab.