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10.09.14
15:31 Uhr
SPD

Martin Habersaat zu TOP 40: Inklusion ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 10. September 2014


TOP 40: Inklusion an Schulen (Drucksache 18/2065)



Martin Habersaat:
Inklusion ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft


Das Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention ist ein großes: „Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.“ Und immer gilt, auch laut Konvention: „Bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen betreffen, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“
Diese UN-Konvention wird die Schulen verändern. In der Welt, in Deutschland, in Schleswig- Holstein. Dabei machen wir uns auf den Weg zu einem Ziel, das wir vermutlich nie ganz erreichen können – dem wir aber mit diesem Konzept ein erhebliches Stück näher kommen können.
Ich bin Mitglied der größten regierungstragenden Fraktion und lobe das Konzept der Landesregierung. Und wissen Sie was? Ich tue das aus Überzeugung und mit guten Gründen.
Erstens legt dieses Konzept viel Wert auf die Qualität der Bildungsangebote und lässt sich nicht auf einen Wettlauf um die höchste Quote ein. Das ist für Schülerinnen und Schüler, für Eltern, aber auch für Lehrerinnen und Lehrer und alle an Schule beteiligten die entscheidende Botschaft. Wir wollen es gut machen. Dafür haben wir die Lehreraus- und Weiterbildung 2



reformiert. Dafür wollen wir die Zahl der Sonderpädagogen an unseren Schulen ausbauen und verlässlicher gestalten.
Zweitens erkennt der Bericht an, dass Inklusion nicht ohne zusätzliche Ressourcen zu erreichen sein wird – das hatten CDU und FDP in der letzten Legislaturperiode noch bestritten. („Die bisherige Entwicklung hat gezeigt, dass sich die inklusive Beschulung im Rahmen der vorhandenen Ressourcen verwirklichen lässt.“ (Zitat aus dem Bericht zur landesweiten Umsetzung von Inklusion in der Schule, Drucksache 17/1568, S.34) Wir wollen unsere Schulen durch eine zusätzliche schulische Assistenz stärken (für den Anfang mit 13,2 Mio. Euro im Jahr). Zunächst die Grundschulen. Nun gibt es kritische Stimmen, die den Vorwurf erheben, die Arbeitsplatzbeschreibung für die schulischen Assistenten sei noch nicht fertig. Das steht auch im Bericht. Besser als Nörgelei wären Vorschläge, wie wir diese gestalten. Die Schulsozialarbeit wird langfristig durch das Land abgesichert – da sprechen wir aktuell über 17,7 Millionen Euro im Jahr. In diesem Zusammenhang muss auch daran erinnert werden, dass wir die Schüler-Lehrer-Relation im Gegensatz zu unseren Vorgängern deutlich verbessern. Bis Ende 2015 soll der schulpsychologische Dienst auf 32 Stellen nahezu verdoppelt werden.
Drittens wird ein Ziel formuliert, auf das alle Maßnahmen ausgerichtet werden können. Das Ziel ist eine Schule, die offen für alle jungen Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit ist. Offen für Kinder mit oder ohne körperliche und/oder geistige Behinderungen und sonderpädagogischen Förderbedarf. Offen für Kinder aus Bullerbü und aus der Bronx. Offen für Spezialtalente und Hochbegabte. Langfristig sollen alle Schulen mit multiprofessionellen Teams und einer sonderpädagogischen Grundversorgung ausgestattet sein. Zukünftig soll die inklusive Schule so aufgestellt sein, dass jedes Kind in seiner Eigenheit wahrgenommen wird und selbstverständlich die ihm angemessene Unterstützung – unabhängig vom Vorliegen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs – erhält. Wie großartig wäre das? Die Schule ist bereit für das Kind. Egal, wie es kommt. Es müsste nicht mehr erst ein ‚Mangel‘ bei einem Kind festgestellt werden, um die erforderlichen Ressourcen zu erhalten. Und schon gar nicht müssten ohnehin schwer belastete Eltern von Pontius zu Pilatus laufen, um Unterstützung zu beantragen. Inklusion auf Antrag – das gibt es nicht. 3



Und viertens stellt der Bericht fest, dass das Prinzip der inklusiven Beschulung immer dann Einschränkungen erfährt, wenn dadurch das Wohl eines Kindes mit Behinderung gefährdet werden könnte. Dasselbe gelte grundsätzlich auch in den Fällen, in denen eine erhebliche Gefährdung für das Wohl anderer Kinder bestehe. Förderzentren bleiben erhalten; als Unterstützung für die inklusive Beschulung an allgemeinbildenden Schulen, als besonders ausgestattete Kompetenzzentren für die Beschulung eigener Schülerinnen und Schüler – sei es vorübergehend oder dauerhaft – und, teilweise, als Zentren für inklusive Bildung mit einem neuen Dienstleistungsprofil auch für Beratung suchende Eltern. Und ja: Wir werden hier neue Lösungen für eine gedeihliche Zusammenarbeit der verschiedenen Kostenträger finden müssen. Auch hier gilt: „Bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen betreffen, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“
Ich bleibe dabei: Inklusion kann nur beginnen, wenn wir sie als Aufgabe der gesamten Gesellschaft verstehen. Das meine ich einerseits ganz menschlich, andererseits aber auch sehr technisch-politisch mit Blick auf den Bund, die Länder und die Kommunen. Mit diesem gesamtgesellschaftlichen Blick möchte ich dann auch noch einmal besonders positiv hervorheben, dass der Übergang von der Schule ins Berufsleben in diesem Konzept mit bedacht wurde.
Wir wollen mit diesem Bericht weiter arbeiten. Nach der Ausschussüberweisung schlage ich eine Anhörung vor, die den Dialogprozess der Landesregierung zum Inklusionskonzept ergänzt. Für diesen Dialog gilt, wie für die Inklusion insgesamt: Dabei sein ist nicht alles. Es muss auch gut sein.