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19.03.15
10:31 Uhr
SPD

Martin Habersaat zu TOP 29: Wir wollen mit den Beteiligten an Lösungen arbeiten

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 19. März 2015


TOP 29: Schleswig-Holsteins Hochschulen auf den Ansturm des doppelten Abiturjahrgangs vorbereiten (Drucksache 18/2814neu und 18/2841)



Martin Habersaat:
Wir wollen mit den Beteiligten an Lösungen arbeiten


„Lüge ist auch eine Wissenschaft, sprach der Teufel. Er studierte in Kiel.“ Dieser Spruch war Teil der deutsch-dänischen Auseinandersetzungen in den Jahren um 1848. Warum erzähle ich das? Weil die CDU unsere Hochschulen laut Begründung ihres Antrages „vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte“ sieht. Revolutionen, Weltkriege, Diktatur – aber heute ist’s am schlimmsten? Geht es vielleicht auch eine Nummer kleiner?
Unsere Hochschulen, besonders natürlich die CAU als mit Abstand älteste Universität in Schleswig-Holstein, hatten schon ganz andere Widrigkeiten zu überstehen, bei denen sie in der Vergangenheit oft genug Spielball der politischen Verantwortlichen waren. Folge der 1848er- Konflikte war eine Schrumpfung auf 200 Studierende, die von 50 Dozenten betreut wurden – eine Betreuungsintensität, die wir allerdings in nächster Zeit nicht garantieren können.
Ich will hier nicht auf die Krisen anderer Hochschulen in Schleswig-Holstein näher eingehen, auch nicht darauf, dass irgendwelche Feudalfürsten einmal vorhatten, die Universität Lübeck gleich zu schließen. Ich weise aber darauf hin, dass die schleswig-holsteinischen Hochschulen im Bundesvergleich und auch im regionalen Vergleich der norddeutschen Bundesländer immer – unabhängig von der jeweils amtierenden Regierung – schwach finanziert waren. 2



Die Hochschulen hatten immer wieder Phasen, in denen sich ihre Studierendenzahlen innerhalb kurzer Zeit sprunghaft entwickelten, das gilt für die Zeit nach den beiden Weltkriegen, das gilt für die Zeit um 1970.
Wir haben uns vor ein paar Wochen über Berichte der Landesregierung über die Hochschulen und die Zielvereinbarungen ausgetauscht. Die beste Nachricht in diesen Berichten war, dass die Studierendenzahlen in Schleswig-Holstein deutlich ansteigen werden. Das ist eine gute Nachricht, weil SPD, Grüne und SSW sich darin einig sind, dass Schleswig-Holstein und Deutschland mehr Menschen mit akademischer Qualifikation brauchen. Deswegen haben wir in früheren Regierungsverantwortungen ebenso wie jetzt als Küstenkoalition viel daran gesetzt, mehr jungen Menschen den Weg zu einem Hochschulstudium zu öffnen. Zu diesen steigenden Zahlen von Studienanfängern hat auch der völlig richtige Schritt der Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP beigetragen, nicht mehr willkürlich einen Teil der jungen Männer durch Wehrdienst oder Ersatzdienst in Warteschleifen zu halten.
Unser Bundesland ist das letzte, an dessen Gymnasien die Schulzeit auf acht Jahre verkürzt wurde. 2016 verlässt ein doppelter Abiturientenjahrgang die Schulen. Wobei „doppelt“ ein großes Wort ist. Nur die Gymnasien haben von G9 auf G8 umgestellt, nicht die Gemeinschaftsschulen, nicht die beruflichen Gymnasien. Und der „Ansturm“, von dem CDU und Piraten in ihren Anträgen apokalyptisch schreiben, existiert seit bald 10 Jahren.
Ich bin ja auch für ein gesundes Selbstbewusstsein im echten Norden. Aber was ist ein doppelter Abiturjahrgang in Schleswig-Holstein 2016 schon im Vergleich zu einem doppelten Abiturjahrgang in Nordrhein-Westfahlen und Hessen 2013?
Gestützt auf Berechnungen der Kultusministerkonferenz hat die Landesregierung in ihrem Bericht zur Lage der Hochschulen die Prognosezahlen genannt. Danach würden die Studienanfängerzahlen landesweit von 2015 auf 2016 um rund 1.800 ansteigen, im darauffolgenden Jahr wieder um 200 abnehmen und sich ab 2018 auf einem Level von circa 11.500 einpendeln; das wären rund 1.000 mehr, als wir in diesem Jahr erwarten. Das stellt die Hochschulen vor Probleme, und das stellt auch das Land vor Herausforderungen, aber es sind keine Dimensionen, die wir nicht bewältigen könnten. 3



Die Beispiele anderer Bundesländer haben gezeigt, dass in keinem einzigen Fall der doppelte Abiturjahrgang zu einem Kollaps der Hochschulen geführt hätte. Dazu trägt auch die Erfahrung bei, dass viele Studierende gar kein großes Interesse daran haben, in dem Bundesland zu studieren, in dem sie zur Schule gegangen sind. Erstens wollen nicht alle Abiturienten studieren, zweitens nicht sofort, drittens nicht alle in Schleswig-Holstein.
Die Landesrektorenkonferenz hat vor ein paar Tagen einen – nennen wir ihn „offenen“ – Brief an Ministerin Alheit gerichtet, in dem sie zur Vorbereitung der Hochschulkonferenz, zu der die Landesregierung eingeladen hatte, aus ihrer Sicht auf die drängendsten Probleme hingewiesen hat. Aus unserer Sicht ist es vollkommen in Ordnung, so einen Brief zu schreiben. Seitens der Opposition hätte ich eigentlich erwartet, dass sie hier denselben Maßstab anlegt wie an das Schreiben mehrerer Gerichtspräsidenten, mit denen eine Unterstützung der Justizministerin beabsichtigt war. Aber wenn zwei dasselbe tun, ist es offensichtlich nicht immer dasselbe.
Natürlich soll der doppelte Abiturjahrgang nicht dazu beitragen, die die Unterfinanzierung unserer Hochschulen zu verstärken. Über die Kofinanzierung des Hochschulpaktes hinaus hat das Land in unserer Verantwortung deshalb wichtige Schritte zur Unterstützung seiner Hochschulen ergriffen:
 das Sondervermögen Hochschulbau mit zurzeit etwa 82 Millionen Euro,
 die Sanierungsvereinbarung mit der CAU über 165 Millionen Euro,
 die Erhöhung der Globalzuschüsse, seit 2011 um fast 30 Millionen Euro,
 weiterhin die Übernahme der Tarifsteigerungen durch das Land,
 Initiativen für die Schaffung von zusätzlichem studentischem Wohnraum.
Darüber hinaus müssen Antworten auf einige wichtige Fragen gefunden werden. Es war eine richtige Entscheidung der Landesregierung, mit der Hochschulkonferenz und der Hochschulkommission den Dialog zwischen Land und Hochschulen zu institutionalisieren und transparenter zu machen, weil viele der anstehenden Entscheidungen nur im Konsens getroffen werden können.
 Wie verteilen wir die Mittel aus dem Hochschulpakt III? Hier wünschen wir uns eine Einigung der Hochschulen vor der Sommerpause. 4



 Die Hochschulen beklagen zu Recht, dass die Hochschulpaktmittel nur vorübergehend zur Verfügung stehen und wenig Planungssicherheit zulassen. Die Landesregierung hat deshalb in ihre Finanzplanung aufgenommen, ihnen auch nach Auslaufen des Hochschulpakts 30 Millionen Euro jährlich zu belassen. Wie kann diese Zusage bereits heute zur Planungssicherheit und zur Entfristung von Stellen beitragen?
 Wo müssen wir die soziale Infrastruktur unserer Hochschulen – z.B. Mensen, Wohnheime, Beratungsangebote – weiter ausbauen?
 Wie können wir es, vereinfacht gesagt, erreichen, dass die Bagger schneller rollen, wenn Geld für Sanierungen und Neubauten vorhanden ist?
 Wie können die Hochschulen welche Rücklagen und künftige HSP-Mittel zur Erreichung dieser Ziele einbringen?
Wir prüfen, was mit dem Haushalt 2016 für unsere Hochschulen unabweisbar geschehen muss, und wir sind den Hochschulen dankbar, dass sie sich dem Dialog mit der Landesregierung und mit uns zu keinem Zeitpunkt verweigert haben. Die Hochschulen wissen, dass wir ihnen nicht das Blaue vom Himmel herunter versprechen, dass wir aber entschlossen sind, an die Grenzen dessen zu gehen, was finanzpolitisch verantwortbar ist. Wir stehen als direkte Ansprechpartner zur Verfügung. Wir sehen die Probleme und wollen mit den Beteiligten an Lösungen arbeiten. Das geben wir ihnen schriftlich in Drucksache 18/2841.
Es ist nicht notwendig, über Bande zu spielen.
Es wird Sie nicht wundern, dass die Koalition dem Antrag der CDU nicht zustimmen kann. Dieser Antrag verkennt die Handlungsmöglichkeiten der Landesregierung auf der Basis der geltenden Landeshaushalte. Er ignoriert, dass in den Zielvereinbarungen sehr wohl das Thema des doppelten Abiturjahrganges angeschnitten wurde. Wobei „ignorieren“ ein sehr freundliches Wort ist, wenn wider besseres Wissen behauptet wird, der doppelte Abiturjahrgang spiele in den Zielvereinbarungen 2014-2018 keine Rolle. Seit 2005 spricht man in Deutschland über die doppelten Abiturjahrgänge. Und seit 2007 gibt es den Hochschulpakt, um auf diese zu reagieren! Außerdem, aber das ist vielleicht das Wesen oppositioneller Anträge, übersieht er die vielfältigen Schritte, die die Landesregierung ergriffen hat und noch ergreifen wird. 5



Eine Botschaft ist mir heute besonders wichtig: An den Abiturjahrgang 2016: Was die Opposition hier heute versucht, ist Angst zu schüren und Unsicherheit zu verbreiten. Seien Sie beruhigt: Die Hochschulen – in Schleswig-Holstein ebenso wie in ganz Deutschland – stellen ausreichend Studienplätze zur Verfügung. Es gibt Kapazitäten bei den Freiwilligendiensten wie FSJ und FÖJ. Und auch bei den Ausbildungsberufen werden Sie eine Auswahl haben, um die frühere Generationen Sie beneidet hätten. Ihnen stehen alle Türen offen. Und wenn Sie beim ersten Anlauf eine falsche Tür erwischen, gibt es zweite und dritte Chancen!