Flemming Meyer: Wenn Zwangsbehandlung, dann so menschenwürdig wie möglich
Presseinformation Kiel, den 19.03.2015Es gilt das gesprochene WortFlemming Meyer TOP 3 Änderung des Psychisch-Kranken-Gesetzes und des Maßregelvollzugsgesetzes Drs. 18/1363 und 18/2758„Wenn Zwangsbehandlung, dann so menschenwürdig wie möglich“Keine Frage: Allein schon das Wort „Zwangsbehandlung“ ist für die überwältigende Mehrheitder Menschen zuallererst mal negativ besetzt. Man denkt direkt an die zwangsweiseVerabreichung von Medikamenten oder an Fixierung und damit an Freiheitsentzug. Für sichgenommen sind solche Maßnahmen natürlich schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechteeines Menschen. Man kann der Auffassung sein, dass so etwas durch gar nichts zurechtfertigen ist. Und ich habe deshalb grundsätzlich Verständnis für die Forderung, jeglicheForm der Zwangsbehandlung abzuschaffen.Ein Hinweis ist in diesem Zusammenhang dann allerdings unheimlich wichtig: Die Realitätsieht nämlich häufig ganz anders aus! Es gibt Fälle, in denen Menschen vorübergehend odersogar dauerhaft nicht mehr in der Lage sind, selbst zu entscheiden, welche Maßnahmen undwelche Form der Behandlung für sie gut und richtig ist. Natürlich würde ich mir wünschen,dass diese Fälle weniger werden und eines Tages vielleicht gar nicht mehr vorkommen. Doch 2leider nehmen sie in unserer heutigen Gesellschaft tendenziell eher zu. Deshalb brauchen wirhier in meinen Augen klare gesetzliche Regelungen, die dafür sorgen, dass derartigeMaßnahmen mit Augenmaß und damit möglichst selten angewandt werden.Wir alle wissen, dass in den vergangenen Jahren gerade im Umgang mit psychisch Erkranktenund geistig behinderten Menschen vieles in Bewegung ist. So hat zum Beispiel dasBundesverfassungsgericht die Möglichkeit von Behandlungen gegen den Willen der Patientenstark begrenzt. Und auch wenn es hakt, haben wir uns auf den Weg gemacht, um mit derUmsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention allen voran die Rechte von geistig undseelisch behinderten Menschen zu stärken. Auch wenn es dadurch nicht immer einfacher wird,hier in der Gesetzgebung ein Gleichgewicht zu finden, begrüßen wir diese Stärkung der Rechteder Betroffenen ausdrücklich.Mit dem aktuellen Urteil aus Karlsruhe ist auch klar, dass wir als Land in der Pflicht sind, dieZwangsbehandlung untergebrachter Menschen neu zu regeln. Deshalb werden imvorliegenden Gesetzentwurf nicht nur die notwendigen Voraussetzungen für derartigeMaßnahmen klar definiert, sondern vor allem auch die Grenzen für das ärztliche Handeln. Ichdenke allen ist bewusst, dass gerade diese klar definierten Grenzen ungemein wichtig sind, umPatientinnen und Patienten vor Ungerechtigkeit und Willkür zu schützen. Denn für uns stehtfest: Wenn Zwangsbehandlung, dann so menschenwürdig wie möglich.Im vorliegenden Entwurf wird daher zum Beispiel die zwangsweise Verabreichung vonMedikamenten als wirklich allerletzte Mittel festgelegt. Davor muss ernsthaft und ausgiebigversucht werden, den Betroffenen von der Sinnhaftigkeit zu überzeugen und einEinverständnis zu erzielen. Daneben ist natürlich auch immer strikt auf die Erfolgswirkung undauf die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme zu achten. Und nicht zuletzt muss all diesgenau überwacht und dokumentiert werden und steht unter richterlichemEntscheidungsvorbehalt. 3Auch wenn wir uns sicher darauf einigen können, dass es Zwangsmaßnahmen nur in absolutenAusnahmefällen geben darf, können wir aus meiner Sicht nicht völlig darauf verzichten. Injedem Einzelfall muss gewissenhaft zwischen dem Schutz der Allgemeinheit, oder eben denMenschen im unmittelbaren Umfeld, und den persönlichen Rechten des Betroffenenabgewogen werden. Hierfür bieten das Psychisch-Kranken-Gesetz und dasMaßregelvollzugsgesetz den notwendigen Rahmen. Die Möglichkeit zur Zwangsbehandlungwird auf gerichtlich genehmigte Fälle begrenzt. Und Ärzte haben in Zukunft genau wie diePflegefachkräfte klare Vorgaben, die ihnen die nötige Sicherheit im Umgang mit diesensensiblen Fällen geben. Ich denke, damit sind wir hier auf einem guten Weg.