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20.03.15
15:34 Uhr
SSW

Lars Harms: Wir wollen, dass das Gewaltmonopol weiterhin ausschließlich beim Staat liegt

Presseinformation Kiel, den 20. März 2015

Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 16 Unabhängige Beobachtung der Demonstrationen gegen den G7-Gipfel in Lübeck ermöglichen Drs. 18/2783

„Wir wollen, dass das Gewaltmonopol weiterhin ausschließlich
beim Staat liegt“


Der Antrag der Piraten zielt auf etwas ab, was schon im Rahmen der Beratungen zum
Versammlungsgesetz eine Rolle gespielt hat und dann mehr oder weniger verworfen wurde.
Im ersten Aufschlag hört es sich in der Tat gut an, nach unabhängigen
Demonstrationsbeobachtern zu rufen. Allerdings schon bei dem Begriff stoßen wir auf die
erste große Schwierigkeit. Wer ist denn bitteschön unabhängig? Ist es der Veranstalter selber –
in unserem Fall die G 7? Sind es einzelne Gruppen von Gegendemonstranten? Und wenn ja,
welche Gruppe von Demonstranten bekommt dann einen solchen offiziellen Status? Sind es
eher linke Gruppen? Sind es Globalisierungsgegner? Sind es TTIP-Gegner? Sind es rechte
Gruppen? Oder haben nur religiös motivierte Gruppen einen Anspruch, 2
Demonstrationsbeobachter zu sein? Sie sehen schon, keiner kann diese Fragen wirklich
unabhängig beantworten. Diese Unabhängigkeit von gesellschaftlichen Gruppen gibt es
nämlich nicht. Deswegen hört sich der Piratenantrag schön an, aber wenn es um eine
praktikable Umsetzung geht, dann kommen wir um diese komplizierte Frage nicht umhin. Und
genau diese Frage lässt der Piratenantrag außer Acht. Wahrscheinlich, weil sich hier genau das
größte Hindernis befindet. Politik kann aber nicht nur fordern, sondern muss die Antworten
auch gleich mitliefern. Hier bleiben die Piraten aber etwas schuldig.


Aber gehen wir einmal davon aus, dass tatsächlich eine völlig unabhängige, von eigenen
Interessen und Vorstellungen völlig unbeeinflusste Person oder Personengruppe wirklich vom
Himmel fällt. Was dann? Sie sollen erhebliche Rechtsverletzungen dokumentieren können.
Also quasi mit Bild- und Tonaufnahmen auf Verbrecherjagd gehen. Ich gehe davon aus, dass
die Piraten dabei nicht nur auf mögliche Verfehlungen der Polizei – sofern es solche denn
überhaupt gibt – denken, sondern alle Teilnehmer einer Demo unter unabhängige
Beobachtung stellen lassen wollen. Da sonst regelmäßig durch die Piraten eigentlich jede
Beobachtung im öffentlichen Raum als Teufelswerk gebrandmarkt wird, geht man hier doch
über den Grundrechtsanspruch der informationellen Selbstbestimmung relativ schlank
hinweg. Wenn es der eigenen Ideologie dient, sind solche Grundrechtseingriffe durch
letztendlich privatrechtlich organisierte Beobachter auf einmal in Ordnung. Für mich sind sie es
noch lange nicht.


Und auch das Gewaltmonopol des Staates wird hier auf einmal eingeschränkt. Nicht mehr die
Polizei geht auf Verbrecherjagd, sondern nun sollen auch Private Bild- und Tonaufnahmen zu
Verbrechensbekämpfung machen dürfen. Mir schaudert es da ein wenig bei einem solchen
Staatsverständnis. Ich glaube immer noch, dass wir an der bewährten Praxis, dass das
Gewaltmonopol beim Staat liegt, bleiben sollten. Und deshalb sollte es nur der Polizei – als
eigentlich einzige wirklich unabhängige Stelle – erlaubt sein, hier offizielle Bild- und
Tonaufnahmen zu machen. Denn diese Bild- und Tonaufnahmen sollen laut Antrag der Piraten 3
zur Dokumentation von erheblichen Straftaten genutzt werden. Das ist der eigentliche
Auftrag. Und das ist das eigentliche Aufgabenfeld der Polizei und nicht von anderen Personen
oder Institutionen.


Gehen wir aber noch einmal einen Schritt weiter. Der völlig unabhängige und neutrale
Beobachter ist vom Himmel gefallen und er hat eine dieser im Antrag genannten erheblichen
Straftaten dokumentiert. Dann soll es ausgeschlossen sein, dass diese Aufnahmen
beschlagnahmt werden. Spätestens jetzt wird einem rechtsstaatlich Angst und Bange. Erstens,
gehen die Piraten anscheinend nicht davon aus und wollen dieses auch nicht festlegen lassen,
dass der Demonstrationsbeobachter diese erhebliche Straftat der Polizei automatisch meldet.
Für mich wäre das nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern auch eine Verpflichtung. Aber
dass dann ausdrücklich im Antrag geschrieben wird, dass die Polizei diese Beweismittel gerade
nicht erhalten können soll, wenn die Herausgabe verweigert wird, lässt einen erst einmal nur
schlucken. Im Falle einer Straftat soll es möglich sein, dass der Polizei Beweismittel
vorenthalten werden. Wenn jemand körperlich zu Schaden kommt, wenn
verfassungsfeindliche Parolen gerufen werden, wenn verfassungsfeindliche Symbole gezeigt
werden und wenn Eigentum mutwillig zerstört wird, soll ein Demonstrationsbeobachter
einfach so, der Polizei den Zugriff auf seine Bild- und Tonaufnahmen, die er ja entsprechend
des Antrages offiziell anfertigt, für sich behalten dürfen. Für mich ist das Willkür und eben
gerade nicht eines Rechtsstaates würdig.


Sie sehen, meine Damen und Herren, dass das Thema viel schwieriger ist, als es der Antrag der
Piraten suggerieren soll. Schon die Auswahl einer unabhängigen Institution ist nahezu
unmöglich und letztendlich sollten Grundrechtseingriffe ohnehin nur in einer
Rechtsgüterabwägung erfolgen. Und wer sich hier beeinträchtigt fühlt, der kann sich an eine
wirklich unabhängige Institution in Deutschland wenden – nämlich an die Gerichte.
Wir glauben an den Rechtsstaat und haben Vertrauen in unsere Polizei. Und wir wollen, dass
das Gewaltmonopol weiterhin ausschließlich beim Staat liegt. 4