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20.03.15
16:19 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 21 - Aufrüstung der Geheimdienste stoppen

Presseinformation Kiel, den 20. März 2015

Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 21 Aufrüstung der Geheimdienste stoppen Drs. 18/2804

„Staaten, die Grundrechte ohne eine entsprechende Abwägung mit anderen
Grundrechten politisch beeinflussen wollen, sollten nicht unser Vorbild sein“


Betrachtet man den Wortlaut des Antrages der Piraten unter Punkt 1, wird eine
Schwierigkeit deutlich. Die Piraten nennen eine Vielzahl von angeblichen rechtlichen
Beeinträchtigungen und subsumieren diese unter Grundrechtsbeschränkungen. Diese
von den Piraten definierten Grundrechtsbeschränkungen sollen nun von der
Landesregierung pauschal verhindert werden. Ob hier in jedem Einzelfall, der hier
beschrieben wird, wirklich Grundrechte berechtigterweise beschränkt werden oder
nicht, will ich hier gar nicht thematisieren. Dies könnte ein Gericht viel besser tun.
Allerdings weiß der Nicht-Jurist Lars Harms, dass Grundrechte immer nur dann
eingeschränkt werden können, wenn sie mit anderen Grundrechten – die es zu 2
schützen gilt – abgewogen werden. Das gilt sowohl in der konkreten
Rechtsgüterabwägung als auch im Gesetzgebungsprozess. Wenn man eine Forderung
aufstellen wollte, müsste man konsequenterweise eine faire Rechtsgüterabwägung im
Gesetzgebungsprozess einfordern. Denn es kann durchaus notwendig sein, die im
Piraten-Antrag genannten Bereiche einzuschränken, wenn damit beispielsweise das
Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit geschützt werden kann. Wie weit diese
Abwägung zum Beispiel bei der Übermittlung personenbezogener Daten zur
Verhinderung eines terroristischen Angriffs geht, kann man sicherlich in einer 5-
Minuten-Rede nicht abschließend darstellen. Fest steht allerdings, dass pauschale
Forderungen ohne Abwägungsprozess nicht unserer Rechtsordnung entsprechen.


Im Gegenteil, die Staaten, die Grundrechte ohne eine entsprechende Abwägung mit
anderen Grundrechten politisch beeinflussen wollen, sollten nicht unser Vorbild sein.
Eine politisch motivierte Entscheidung, ohne Abwägungsprozess, erscheint uns auch
rechtsstaatlich nicht als der richtige Weg. Man kann die politischen Vorstellungen, die
im Piratenantrag enthalten sind, ganz oder teilweise teilen oder eben auch nicht. Aber
immer, wenn es darum geht, einen Gesetzgebungsprozess durchzuführen, sollten wir
sehr genau darauf achten, dass wir auch in unserer Antragstellung die
rechtsstaatlichen Prinzipien nicht außer Acht lassen. Im Übrigen sei darauf
hingewiesen, dass auch die Verfassungsschutzbehörden nach Artikel 20 des
Grundgesetzes an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden sind.
Wir können also gerne über alle diese Punkte im Antrag der Piraten diskutieren, aber ich
bin mir sicher, dass es durchaus auch sein kann, dass in der Abwägung zwischen
verschiedenen Grundrechten Zwischenlösungen die Lösung sein können. 3
Die Nummer 2 des Antrages befasst sich mit V-Leuten und Undercover-Agenten.
Natürlich ist der Idealzustand, dass man keine Menschen finanziell unterstützt, die
Straftaten begehen oder Straftäter unterstützen. Allerdings hätten wir dann überhaupt
keine Erkenntnisse mehr, weil alle Organisationen, die beobachtet werden, natürlich
auch verfassungsfeindliche Tendenzen haben und entsprechende Personen potentiell
auch Straftaten begehen. In Nordrhein-Westfalen sind Undercover-Agenten in einer
terroristischen oder verfassungsfeindlichen Organisation nur erlaubt, solange sie keine
Führungsrollen übernehmen und keine Straftaten von "erheblicher Bedeutung"
begehen. Vielleicht ist eine solche abgestufte Regelung die Lösung. Ganz auf V-Leute zu
verzichten und sie rechtlich unmöglich zu machen, ist aber keine Alternative.


Was die Auslandsüberwachung in Punkt 3 angeht, kann man hier über erweiterte
Formulierungen nachdenken. Man könnte beispielsweise grob formulieren, welche
Maßnahmen im Ausland denkbar wären. Was wäre aber dann gewonnen? Die
Formulierungen müssten trotzdem immer noch so vage sein, dass sie genügend
Spielraum lassen, dass die Auslandstätigkeit weiter fortgesetzt werden könnte. Ich
weiß nicht, ob wir hier wirklich so viel echten praktischen Spielraum haben.


Das gilt auch für die Frage, ob Daten, die auf einer ausländischen Rechtsgrundlage
erhoben wurden, die nicht der unsrigen Rechtslage entspricht, genutzt werden dürfen
oder eben nicht. Wenn die ausländische Rechtslage einwandfrei ist, sehe ich erst einmal
keine Schwierigkeiten, da auch ausländische Staaten mit anderen Gesetzen durchaus
auch Rechtsstaaten sein können. Vielmehr stellt sich doch die Frage, ob Daten, die in
Deutschland entgegen unserer rechtlichen Bestimmungen erhoben werden, rechtlich
einwandfrei erworben worden sind. Dabei macht es aber keinen Sinn, diese Daten im 4
konkreten Fall – beispielsweise bei einem terroristischen Angriff - nicht nutzen zu
wollen. Vielmehr stellt sich doch die Frage, ob man den betreffenden Staat nicht davon
abhalten kann, zukünftig solche Daten in Deutschland zu erheben. Das allerdings ist
entweder eine geheimdienstliche Aufgabe oder Sache der Diplomatie zwischen zwei
Staaten.


Gerade diese internationalen Fragen lassen sich wahrscheinlich nicht per Bundesgesetz
regeln, sondern hier müsste es eigentlich bilaterale Verträge geben, an die man sich
dann auch hält. Da spielt Vertrauen eine größere Rolle als rechtliche Fragen. Und das
mit dem Vertrauen klappt nicht immer. Aber ein rechtlicher Weg an den sich die ganze
Welt hält, sehe ich so nicht.