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17.12.15
10:25 Uhr
SPD

Martin Habersaat zu TOP 2: Ein gutes Hochschulgesetz!

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html



Kiel, 17. Dezember 2015


TOP 2, Änderung des Hochschulgesetzes / Entwurf eines Hochschulfreiheitsgesetzes (Drs. 18/2984, 18/3156, 18/3596, 18/3673, 18/3677, 18/3679)



Martin Habersaat:
Ein gutes Hochschulgesetz!


Wir haben in Schleswig-Holstein: über 57.000 Studierende, etwa 6.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und überschlägig knapp 1.000 Professorinnen und Professoren.
Die ASten als Interessenvertretung der Studierenden begrüßen die Anträge der Regierungsfraktionen zur HSH-Novelle, was vermutlich auch daran liegt, dass Forderungen der Studierenden Aufnahme in das Gesetz gefunden haben.
Der DGB als eine nicht unwesentliche Interessenvertretung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern lobt die Schritte zu mehr Demokratisierung und Mitbestimmung.
Und die Opposition versucht den Eindruck zu erwecken, wir wollten den Hochschulen in Schleswig-Holstein an den Kragen. Wie kommt das? 2



Die Landesrektorenkonferenz hat in einer Pressemitteilung zu unseren Anträgen sechs Sorgen formuliert, die neben der allgemeinen Oppositionsrhetorik Grund für aktuelle Aufgeregtheiten sind. Auf diese sechs Punkte möchte ich in der mir zur Verfügung stehenden Zeit ausgiebig eingehen, weil uns erstens die konstruktive Zusammenarbeit mit allen Interessenvertretern unserer Hochschulen wichtig ist und der LRK natürlich eine besondere Bedeutung für die Entwicklung des Hochschulwesens in Schleswig-Holstein zukommt. Zweitens berühren diese Punkte Themen, über die wir seit langem intensiv diskutiert haben und die durchaus auch Grundpfeiler unserer Hochschulpolitik betreffen.
1. Öffentlichkeit von Sitzungen
Hochschulen sind Einrichtungen des Staates und damit der Gesellschaft. Sie werden von jeder Steuerzahlerin und jedem Steuerzahler finanziert, auch von denen, die in ihrem Leben niemals eine Hochschule von innen gesehen haben. Das verpflichtet zur Transparenz. Wir halten es von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht mehr für zeitgemäß, zwischen einer Hochschulöffentlichkeit und einer allgemeinen Öffentlichkeit zu unterscheiden. Mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit wollen und werden wir die allseits bekannten Manöver unterbinden, dass Presse und Politik sich die Informationen aus zweiter Hand besorgen müssen, wobei die zweite Hand oft diejenige ist, die die Informationen durchsteckt oder eben hochschulöffentlich Flyer verteilt.
Aber: Wir haben auf die Sorge der HRK reagiert – künftig gibt es die Möglichkeit, wenn es denn öffentlich nicht geht, zwischen hochschul- und nicht-öffentlich zu wählen.
2. Erweiterter Senat
Wir schaffen mit dem Gesetz eine Art Stufenmodell der Mitbestimmung, indem wir einen Erweiterten Senat einrichten, der all das mit Parität entscheiden soll, was nicht unter die Privilegierung von Forschung und Lehre fällt. Für letztere Bereiche ist der Senat zuständig, der kein paralleles Gremium, sondern Teil des Erweiterten Senats ist.
Bisher und künftig hat der Senat 13 Sitze, an den drei Hochschulen mit mehr als 5.000 Mitgliedern 23 Sitze. Künftig werden es beim erweiterten Senat 24 Sitze bzw. 48 Sitze. Ich frage mal rhetorisch ein Gremium mit 69 Mitgliedern: Ist das ein Monstrum? 3



Die Suche nach Möglichkeiten, bei Demokratisierung und Mitbestimmung einen Schritt voran zu kommen, stand von Anfang an im Mittelpunkt unserer Bemühungen. Koalitionsvertrag, Z. 774 ff: „Im Zusammenhang mit der Neuordnung der Leitungsstrukturen der Hochschulen werden wir, soweit es verfassungs-konform möglich ist, die Drittelparität in den Hochschulgremien einführen.“ Pressekonferenz Stegner / Habersaat am 28.7.2015 im Anschluss an unsere Besuche an allen Hochschulen: „Wir werden im Laufe des Anhörungsverfahrens nach Möglichkeiten suchen, dem Ziel einer entsprechenden Parität möglichst nahe zu kommen. Eine Variante bestände etwa in paritätisch besetzten Gremien mit unterschiedlichen Stimmrechten je nach der Betroffenheit von Forschung und Lehre.“ In dieselbe Richtung äußerte sich Rasmus Andresen in der Pressemitteilung der Koalitionsfraktionen nach der mündlichen Anhörung zur HSG-Novelle am 5. November 2015.
Die Parteien der Küstenkoalition sind sich darin einig, dass es ein Zuviel an Demokratie niemals und nirgends geben kann. Gleichzeitig sind wir uns darüber im Klaren, dass die Privilegierung von Forschung und Lehre durch das Grundgesetz uns durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes Grenzen setzt, wenn es um Paritäten bei der Mitbestimmung geht. Das war und ist immer eine Gratwanderung für die Politik – soweit sie sich nicht von nostalgischen Gefühlen gegenüber der alten Ordinarienherrlichkeit leiten lässt.
Liebe vereinigte Opposition: Ist mehr Mitbestimmung für Sie wirklich ein Skandal? Das fiele auf Sie zurück.
3. Hochschulrat
Wir wissen, dass die Hochschulräte, die mit der Hochschulgesetznovelle von 2007 geschaffen wurden, für die Hochschule eine wichtige Beratungsfunktion haben, weil sie den Blickwinkel von außen in die Hochschulen hineintragen. Aber Beratung und Entscheidung sind zweierlei Dinge. Wir geben deshalb mehr Entscheidungskompetenzen an die Hochschule, konkret: an den Senat zurück. In der Relativitätstheorie Marke FDP liest sich das dann so: „Ohne Not wird der Senat geschwächt.“ Nun ja, ich muss auch nicht alles verstehen.
4. Einladung des Ministeriums zu Hochschulratssitzungen
Das Ministerium soll nicht bei allen Sitzungen als Aufpasser dabei sein. Eine Klarstellung ist erfolgt. 4



5. Berichtspflicht an die Ethikkommission
Die Ergebnisse von Wissenschaft und Forschung können gesellschaftlichen Fortschritt und gleichzeitig schwere Gefahren für die Gesellschaft bedeuten. Das Internet, das für uns alle heute Teil unseres täglichen Lebens ist, ist aus einer militärischen Struktur heraus entstanden.
Ethikkommissionen sind die weitergehende und bessere Alternative zur umstrittenen Zivilklausel, die seit Jahrzenten Gegenstand der hochschulpolitischen Diskussion ist. Auch hier im Landtag, ich erinnere mich an Ausführungen des Kollegen Dr. Dolgner zum Thema „Dual Use“ am Beispiel von Faustkeil und Feuer. Wenn wir diese Fragen Ethik-Kommissionen anvertrauen, die als Ausschüsse des Senats arbeiten sollen, müssen sie auch den Anspruch haben, sich informieren zu lassen. Wir haben die Formulierung im Gesetz noch einmal nachgeschärft, schließlich soll die Ethikkommission arbeitsfähig sein. Aber ja: Sie soll sein und sie soll arbeiten.
6. Abschaffung der Anwesenheitspflicht
Wir folgen einer Regelung aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen (wer schon einmal auf einem SPD-Bundesparteitag war, weiß, dass das kein ganz unüblicher Vorgang ist) und streichen die Anwesenheitspflicht als Teilnahmevoraussetzung für Prüfungsleistungen. Sie bleibt erhalten bei Exkursionen, Sprachkursen, Praktika, praktischen Übungen oder vergleichbaren Veranstaltungen. Wer also von der Sorge geplagt wird, das Praxissemester in der Lehramtsausbildung könne gefährdet sein, sei beruhigt. Ist es nicht.
Teil der erwarteten Prüfungsleistungen können natürlich weiterhin eigene Referate oder die kritische Auseinandersetzung mit den Beiträgen anderer sein. Damit wird ein Studium, ohne je ein Seminar besucht zu haben, nicht einmal als theoretisches Horrormodell möglich. Und zur Verdeutlichung: Die Prüfungsleistung muss immer erbracht werden, sie besteht schon heute nicht mehr aus der Anwesenheit selbst.
Natürlich kommt es uns nicht allein auf Wissen an, sondern auf Erkenntnis. Ich hoffe, bei erwarteten Prüfungsleistungen wird das entsprechend berücksichtigt. Ich werfe als einfacher Lehrer eine These zum Thema in den Raum: Lernen funktioniert besser freiwillig.
Die Lebenssituation der Studierenden ist heute anders als die der meisten von uns in unseren Studienjahren. Die Bologna-Reformen haben auch zu einer stärkeren Reglementierung des Studiums geführt, die für viele Studierende schwer mit ihren Lebensumständen zu vereinbaren 5



ist. Niemand von uns spricht sich für eine Hochschule ohne Studierende aus. Selbstverständlich wird die Anwesenheit in Lehrveranstaltungen auch weiterhin der absolute Normalfall sein.
Die Landesregierung hat intensiv und gut vorgearbeitet. Sie hat in der ersten Jahreshälfte ihre übliche Anhörung der Verbände und Einrichtungen zu ihrem Referentenentwurf durchgeführt und auf dieser Grundlage ihren Entwurf weitgehend überarbeitet. Zur Jahresmitte hat die Regierung ihren Novellierungsentwurf ins Parlament eingebracht, und seither liegt der Ball beim Parlament.
Letztlich muss sich die Opposition schon einmal entscheiden, wo sie eigentlich die Rolle der regierungstragenden Fraktionen sieht. Sie haben vor zwei Wochen die Koalition als „Regierungsentscheidungs-Abnickverein auf Pepita-Niveau“ karikiert, weil wir zum Landeshaushalt nur wenige Anträge eingereicht haben. Jetzt beim Hochschulgesetz ist Ihre Logik genau andersherum. Sie werfen den Koalitionsfraktionen vor, „dass sie massive Änderungen erst kurz vor Toresschluss vorlegen“. Ja, wann sollen wir es denn sonst machen?
Wir haben mit allen gesprochen, wir haben viele Anregungen aufgenommen, manche auch nicht. Wir haben die schriftliche und mündliche Anhörung sehr akribisch ausgewertet und haben uns dabei maßgeblich davon leiten lassen, dass die Hochschulen mehr sind als die Summe ihrer Professoren, sondern sie sind Institutionen, in denen die Lehrenden, vom Professor bis zum Tutor, die Lernenden, vom Erstsemester bis zum Doktoranden, und die nicht wissenschaftlich Beschäftigten arbeiten und leben.
In Sachen Personalkostenobergrenze wurde das deutlich, hier suchen Präsidien und Personalräte nach gemeinsamen Lösungen, die wir gemeinsam mit dem Medizin-Teil des Hochschulgesetzes beschließen können. Die Arbeit an diesen Änderungen setzt auf einem novellierten HSG auf. Auch das ist ein Grund für unseren Wunsch, heute zu einem Beschluss zu kommen.
Die Hochschulen müssen außerdem Zeit haben, die notwendigen Konsequenzen aus dem heute hoffentlich zu beschließenden Gesetz zu ziehen und es rechtzeitig zu den anstehenden Sommer- und Wintersemestern umzusetzen. Ich bin mir sehr sicher, dass sich die Aufregungen der letzten Tage legen haben werden, wenn diese Bestimmungen erst einmal ihre Wirkung erzielen. 6



Wir stärken die Fachhochschulen. Wir verbessern die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten einschließlich der studentischen Hilfskräfte und schaffen Karrierewege. Wir verbessern die Teilhabe- und Mitbestimmungsmöglichkeiten und wir werden ein gutes Hochschulgesetz haben.