Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten für das Jahr 2017: Probleme mit der Gesetzlichen Krankenversicherung, Hartz IV, dem Unterhaltsvorschussgesetz und rund um die KiTa
Nr. 99 / 28. Juni 2018Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten für das Jahr 2017: Probleme mit der Gesetzlichen Krankenversicherung, Hartz IV, dem Unterhalts- vorschussgesetz und rund um die KiTaDie Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein, Samiah El Samadoni, hat heute (Donnerstag) in Kiel ihren Tätigkeitsbericht 2017 im Rahmen der Landespressekonferenz vorgestellt. 3.477 Petitionen richteten die Bürger im letzten Jahr an die Beauftragte und trugen darin ihre Sorgen, Nöte und Ängste vor, die aus Streitigkeiten und Problemen mit den Sozialbehörden resultierten. Die Zahl der Petitionen, die seit der Einrichtung des Amtes im Jahr 1988 eingereicht wurden, erhöhte sich damit auf 80.400. Neben dem Schwerpunktthema Hartz IV (870 Eingaben) gab es besonders viele Probleme mit der Gesetzlichen Krankenversicherung.Im Vergleich zum Vorjahr sind die Petitionen bei Problemen mit der Gesetzlichen Kranken- versicherung um mehr als 120 Eingaben auf 577 Petitionen angestiegen. Dahinter steckten überwiegend Schwierigkeiten mit dem Krankengeld, Beitragsrückstände und Fälle, bei denen es um den Zugang zur Gesetzlichen Krankenversicherung ging. „Es handelt sich oft um existenzielle Sorgen und Nöte der Menschen “, führte El Samadoni aus. Ein Beispiel sei die verspätet eingeholte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, eine bloße Formalität. Wenn die Bescheinigung lediglich einen Tag später ausgestellt werde und dadurch sowohl der Anspruch auf Krankengeld als auch die Mitgliedschaft in der Krankenkasse verloren gingen, „dann werden kranke Menschen ohne Krankenversorgung gestellt und darüber hinaus in erhebliche finanzielle Nöte getrieben. Das ist durch nichts gerechtfertigt und völlig unverhältnismäßig.“Die Bürgerbeauftragte fordert seit längerem, dass unter anderem die gesetzlichen Regelungen zum Krankengeld nochmals überarbeitet werden. Auch die Überforderung vieler Personengruppen mit den Beiträgen zur Krankenversicherung müsse grundlegend angegangen werden. „Viele Menschen mit geringen Einkünften zahlen deutlich höhere Beiträge als 14,6 Prozent. Die Beitragsstruktur treibt sie dann oft in den Beitragsrückstand oder sogar in die Insolvenz“, erklärte El Samadoni. „Hier besteht dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf.“ Reformen seien auch im Bildungs- und Teilhabepaket (BuT), bei der Pauschale für den persönlichen Schulbedarf für 2Schüler, erforderlich. Beim BuT sind sowohl Leistungsempfänger in der Grundsicherung für Arbeitsuchende, also Hartz IV, als auch andere einkommensschwache Familien anspruchsberechtigt. Eine Studie des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) im Auftrag des Landes hatte belegt, dass die Kosten für die Verbrauchsausgaben pro Schuljahr im Schnitt bei 413,99 Euro liegen. „Die Pauschale aus dem BuT beträgt allerdings seit 2009 nur 100 Euro pro Schuljahr. Das bedeutet eine echte Unterversorgung für die Betroffenen“, rügte die Bürgerbeauftragte. Da sich der Bildungsausschuss aber bereits mit diesem Thema befasse, bestehe die Hoffnung, dass sich der Missstand durch eine Bundesratsinitiative aus Schleswig-Holstein ändere, so El Samadoni.Handlungsbedarf sieht die Bürgerbeauftrage auch beim Unterhaltsvorschussgesetz. Insbesondere alleinerziehende Mütter, die nach einem One-Night-Stand mit einer Zufallsbekanntschaft schwanger werden, hätten Schwierigkeiten bei der Leistung des Unterhaltsvorschusses. „Oftmals müssen diese Mütter peinlichste Detailfragen der Behörden zu ihrem Intimleben beantworten und erhalten die Leistung dennoch nicht“, beschreibt El Samadoni die Situation. „Am liebsten würden es die Behörden sehen, wenn vor dem Sex eine Kopie des Personalausweises gemacht würde – trotz Verhütung, für den Fall der Fälle. Das entspricht nicht der Lebenswirklichkeit und ist zutiefst sexistisch, weil eine Frau damit nicht unter den gleichen Bedingungen Sex haben kann wie ein Mann.“ Teilweise verweigerten die Behörden die Leistung, weil die betroffenen Mütter angeblich nicht alles Zumutbare zum Auffinden des Vaters unternähmen. Die Bürgerbeauftragte sieht das als schwierig an: „Was in diesem Zusammenhang zumutbar ist, bleibt völlig unklar. Es kann wohl kaum um einen öffentlichen Suchaushang in der Diskothek gehen, in der man sich kennengelernt hat.“ Die Behörden sollten dabei stärker im Blick haben, dass der Unterhaltsvorschuss den Kindern zugutekomme. Zudem schlägt die Beauftragte vor, den betroffenen Müttern die Möglichkeit zu eröffnen, die peinliche Verhörsituation durch eine entsprechende Versicherung an Eides statt zu beenden.Im Jahr 2017 sind bei der Bürgerbeauftragten auch unterschiedlichste Probleme rund um das Thema KiTa und Krippe vorgetragen worden. Dazu zählten laut El Samadoni beispielsweise zu hohe Gebühren oder zu geringe Entlastung durch die Sozialstaffelregelung. Außerdem erfolge nach wie vor kaum Beratung zum gesetzlichen Erlasstatbestand wegen einer „unzumutbaren Belastung“, der dann auch nicht geprüft werde. Weiterhin werde es immer schwieriger, überhaupt einen bedarfsgerechten Kitaplatz zu finden. Für die zu geringe Anzahl an Plätzen werde zunehmend der Fachkräftemangel bei den Erziehern verantwortlich gemacht. „Es ist ein Riesenproblem für die Eltern, wenn sie nicht rechtzeitig einen passenden Kita- oder Krippenplatz finden“, berichtete die Bürgerbeauftragte, „Häufig müssen die Frauen dann ihre Arbeitszeiten reduzieren oder können gar nicht berufstätig sein.“ Eine ihrer Forderungen sei daher, den Eltern flexibler zu ermöglichen, ihr Kind beispielsweise auch in der Gemeinde in die Kita zu geben, in der sich die Arbeitsstelle befindet. Darüber hinaus müsse der dann erforderliche Kostenausgleich zwischen den Gemeinden von den Eltern eingeklagt werden können. Dies ist bisher nicht möglich, eine Klage muss durch die aufnehmende Gemeinde erfolgen. Oft ist die aufnehmende Gemeinde jedoch nicht bereit, ein Gerichtsverfahren für den Kostenausgleich anzustrengen, sondern verzichtet bei Problemen auf die Aufnahme des Kindes.