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06.07.18
18:02 Uhr
Landtag

"Lifeline" - Zuwanderungsbeauftragter ist fassungslos und wütend über "haltlose Vorwürfe"

Nr. 104 / 6. Juli 2018

„Lifeline“ – Zuwanderungsbeauftragter ist fassungslos und wütend über „haltlose Vorwürfe“
Der Zuwanderungsbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein und ehemalige Kapitän des Hilfsschiffes „Cap Anamur“ Stefan Schmidt zeigte sich angesichts der Maßnahmen der maltesischen Besatzung gegen das Rettungsschiff „Lifeline“ und Schiffe anderer nicht staatlicher Rettungsorganisationen fassungslos.
„Malta lässt den Schiffsführer der ‚Lifeline‘ nach gelungener Seenotrettung von 234 Menschen verhaften. Er darf das Land genauso wenig verlassen wie das Schiff den maltesischen Hafen“, erklärte Schmidt heute (Freitag) in Kiel. „Und jetzt fordert unser Bundesinnenminister Horst Seehofer, das erfolgreiche Rettungsschiff zu beschlagnahmen und die Crew, die Lebensretter, ‚zur Rechenschaft zu ziehen‘. Ich kann und will nicht glauben, dass durch demokratisch verfasste Mitgliedstaaten der EU heute schon wieder mit solchen, aus meiner Sicht willkürlichen, Maßnahmen gegen ehrenamtliche Helferinnen und Helfer vorgegangen wird, die Kinder, Frauen und Männer vor dem Ertrinken im Mittelmeer bewahren!“
Der Zuwanderungsbeauftragte äußerte sich auch zu konkreten Vorwürfen, die zuletzt in den Medien kursierten. So hieß es, die Organisation „Mission Lifeline“ habe das Schiff nicht ordentlich registriert und der Schiffsführer Claus-Peter Reisch habe eine Lizenz, die es ihm nur erlaube, Schiffe innerhalb von 30 Seemeilen der Küstengewässer zu operieren. Reisch wurde zudem unterstellt, Anweisungen italienischer Behörden ignoriert zu haben, die Rettung der Menschen der libyschen Küstenwache zu überlassen.
„Die ersten beiden Vorwürfe lassen sich ganz einfach entkräften, wenn man wie ich einfach bei der Dresdener Organisation ‚Mission Lifeline‘ nachfragt und sich die entsprechenden Unterlagen zukommen lässt“, erläuterte Schmidt. Nach den niederländischen Eignerpapieren, die Schmidt vorliegen, sei das Schiff „Lifeline“ ordnungsgemäß in den Niederlanden mit Heimathafen Amsterdam registriert und fahre unter niederländischer Flagge. Der Schiffsführer Claus-Peter Reisch verfüge Schmidts Nachforschungen zufolge über einen international gültigen amtlichen Sportseeschifferschein der Bundesrepublik Deutschland. „Der Schein gestattet ihm nicht nur das Führen von Schiffen in Küstengewässern bis zu 30 Seemeilen, sondern auch in den gesamten 2

Seegebieten der Nord- und Ostsee und insbesondere im gesamten Mittelmeer sowie weiteren Gewässern.“
Der Beauftragte äußerte Unverständnis über das Vorgehen des Innenministers. „Horst Seehofer hätte sich diese Erkenntnisse genauso einfach wie ich oder sogar noch viel einfacher beschaffen können.“ Von einem Bundesinnenminister könne erwartet werden, sich pflichtgemäß zu informieren, „bevor er öffentlichkeitswirksam und populistisch diskreditierende ‚alternative Fakten‘ über Bundesbürger im Ausland in die Welt setzt“, kritisierte Schmidt. Die Maßstäbe für „good governance“ seien offenbar auch in Deutschland so weit gesunken, dass selbst Regierungsmitglieder ungestraft Fake-News verbreiten dürften, so Schmidt erbost.
Dem Vorwurf, eine Anweisung der italienischen Behörden ignoriert zu haben, die Rettung der libyschen Küstenwache zu überlassen, konnte der Zuwanderungsbeauftragte nicht selbst nachgehen. Das sei nur möglich, indem der möglicherweise aufgezeichnete Funkverkehr überprüft werde. Die „Lifeline“ sei jedoch durchgängig in Funkkontakt mit der italienischen Küstenwache und dem Marine Coordination Center in Rom gewesen. Diese hätten sich auch bezüglich der Fahrtroute beraten – bis der neue italienische Innenminister plötzlich zwischen Malta und Sizilien die Order gegeben habe, das Schiff nirgendwo einlaufen zu lassen.
„Letztlich kommt es aber auch nicht auf die Einzelheiten des Funkverkehrs an“, erklärte Schmidt weiter. Selbst wenn dieser Vorwurf zutreffe, hätten Schiffsführer und Crew rechtmäßig gehandelt, indem sie die 234 Flüchtlinge selbst geborgen hätten. Der Grundsatz der Nichtzurückweisung von Flüchtlingen in einen Staat, in dem ihnen Folter oder andere schwere Menschenrechts- verletzungen drohten, sei nicht nur als Grundprinzip des humanitären Umgangs mit Flüchtlingen völkergewohnheitsrechtlich anerkannt, sondern habe auch Eingang in die Genfer Flüchtlingskonvention, die UN-Antifolterkonvention, die EU-Menschrechtskonvention und das Grundgesetz gefunden und sei zu beachten. Dementsprechend sei Italien in der Vergangenheit auch bereits vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für die zwangsweise Rückführung von Bootsflüchtlingen nach Libyen verurteilt worden.
„Wie kann ausgerechnet der für diese Materie zuständige Bundesinnenminister davor öffentlich die Augen verschließen?“ fragte Schmidt. Er rate Seehofer dringend, dem Vorbild anderer Politiker zu folgen und das Angebot beispielsweise der „Mission Lifeline“ anzunehmen, sich selbst vor Ort einen Eindruck von der Arbeit der Hilfsorganisationen zu verschaffen.