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23.01.19
12:21 Uhr
SPD

Martin Habersaat zu TOP 36: Bildungsbonus: Gut gewollt, noch nicht gut gemacht

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

Kiel, 23. Januar 2019

TOP 36: Bildungsbonus



Martin Habersaat
Bildungsbonus: Gut gewollt, noch nicht gut gemacht



„Am 22. September 2017 hat der Landtag in Bezug auf Schulen mit besonderen Herausforderungen drei Dinge beschlossen:
1) Das Bildungsministerium sollte ein Konzept zur Unterstützung von Schulen in Sozialräumen mit besonderen Herausforderungen erstellen.
2) Die Unterstützung der Schulen sollte auch über die Personalausstattung hinausgehende Bedarfe berücksichtigen.
3) Das Konzept zum Ende des dritten Quartals 2018 vorgelegt werden.
Leider sind, bei aller Zustimmung zur Idee an sich, alle drei Hürden gerissen:
Der Termin:
Es wurde kein Konzept, sondern zunächst nur ein Bericht. Und es wurde nicht das dritte Quartal, sondern das vierte. Aber geschenkt - zwischendurch sah es viel schlimmer aus: Als nämlich die 2



Bildungsministerin im März 2018 verkündete, den Fokus nicht auf städtische Gemeinschaftsschulen, sondern auf Grundschulen und den ländlichen Raum legen zu wollen. Dieser Kelch scheint an uns vorüber gegangen zu sein.
Die Unterstützung über Personalbedarfe hinaus:
Ja, es werden im Bericht auch andere Bedarfe als personelle benannt. Aber nur, wenn die personellen Bedarfe erfüllt werden, kann es um darüber hinausgehende gehen. Ich will das mal am Beispiel von Sankt Martin verdeutlichen: Der hat einem frierenden Mann einen Mantel gegeben. Und wenn er gefragt hätte, was der Mann sich zusätzlich wünscht, er diesem danach vielleicht noch etwas zu essen oder ein paar Münzen gegeben. Das Konzept „Darüber hinausgehend“ nach Jamaika funktioniert so: Sankt Martin hätte den Mantel wieder weggenommen und ihn in eine Reihe mit dem Essen und den Münzen gelegt, damit der frierende Mann sich ein Teil aussucht.
Über personelle Bedarfe hinaus werden Sie nur helfen können, wenn sie sich auf wenige Schulen konzentrieren. Werden sie das? Das wissen wir nicht. 2022 - lange genug ist das hin - sollen 10 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Abzüglich der Mittel für Geschäftsbedarfe, Fortbilder, Gutachten, Veröffentlichungen und wissenschaftliche Begleitung. Wie viel personelle Unterstützung für wie viele Schulen übrig bleibt, ist noch völlig offen.
In Hamburg werden teilweise zweistellige Stellenzahlen pro Schule über den Sozialindex bewegt. Das könnten Sie mit Ihren Mitteln an zehn bis 15 Schulen auch schaffen. Wollen Sie das? Wollen Sie die betroffenen Schulleitungen nur zu Fortbildungen schicken oder geben sie ihnen auch die benötigten Ressourcen, auch in Form von Leitungszeiten, in die Hand?
Die Unterstützung von Schulen in Sozialräumen mit besonderen Herausforderungen:
Ich hatte es so verstanden, dass wir im Landtag einen Konsens haben: Wir schauen, wo Schulen mit besonderen Herausforderungen zu tun haben, und dort geben wir zusätzliche Ressourcen hin. Der in Arbeit befindliche Sozialatlas wäre dafür eine gute Grundlage gewesen. Zumindest im vorliegenden Bericht findet sich dieser Konsens nicht: Die Schulen sollen nicht unterstützt werden, weil sie in einem Sozialraum mit besonderen Herausforderungen liegen. Tun sie das, sollen sie nur berechtigt sein, mit anderen um die zur Verfügung stehenden Mittel zu konkurrieren. Und: Ausgangslage aus Sicht des Ministeriums ist nicht mehr der Sozialraum, also das Umfeld der Schule, sondern schlechte Arbeit der Schulen selbst, die sich dafür „Perspektivschule“ nennen dürfen: 3



Da heißt es in Bürokraten-Deutsch: „Neben diesen Kontextbedingungen beeinflusst die schulinterne Gestaltungs- und Prozessqualität die Frage, mit welchem Erfolg die Schülerinnen und Schüler die Schulzeit durchlaufen. Studien zeigen, dass u.a. zu wenig Abstimmung zwischen den Lehrkräften stattfindet, ein Selbstverständnis zur Teamarbeit fehlt oder divergierende Vorstellungen von Schul- und Unterrichtsentwicklung vorhanden sind. Fehlende Vertrautheit mit diagnostischen Verfahren oder den Möglichkeiten der individuellen Förderung, Unklarheit im Handeln, fehlende Regeln und ungeklärte systematische Ablaufprozesse für Problemlösungen beeinflussen zusätzlich die innerschulischen Prozesse und damit die Qualität des Unterrichts. Somit kennzeichnet nur selten die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft allein die herausfordernde Lage, in der sich eine Schule befindet.“ Heißt auf Deutsch: selbst schuld! Eine weitere Misstrauenserklärung der Perspektiv-Ministerin an sie ihre Lehrerinnen und Lehrer, die den Sozialatlas eigentlich überflüssig machen würde.
Aber der parlamentarische Prozess ist ja noch jung. Deshalb die SPD-Wünsche in Kurzform: Wir wollen anerkennen, dass die Schulen am Wind unter schweren Bedingungen gute Arbeit leisten. Wir wollen, dass diese Schulen eine besondere Unterstützung erhalten. Wir glauben, dass ein Sozialatlas eine gute Grundlage zur Verteilung zusätzlicher Ressourcen ist, die vor Ort spürbar sein müssen. Wir halten nichts davon, ausgerechnet die Schulen und die Lehrkräfte an den herausforderndsten Standorten zu beschimpfen.“