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30.10.20
11:04 Uhr
SPD

Beate Raudies zu TOP 4,13,14,16,17,36,37+50: SPD stimmt Nachtragshaushalt zu – und setzt eigene Schwerpunkte

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 30. Oktober 2020
Beate Raudies: SPD stimmt Nachtragshaushalt zu – und setzt eigene Schwerpunkte TOP 4,13,14,16,17,36,37+50: Beratungen über den 4. Nachtrag zum Haushaltsplan 2020, Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2021, Nothilfeprogramm Corona, Finanzanlagestrategie und Schuldentilgungsplan (Drs. 19/2462, 19/2474, 19/2400, 19/2401, 19/2473, 19/2482, 19/2491, 19/2492, 19/1373, 19/2334) „Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Mich treibt im Augenblick vieles um: Die Angst um die Gesundheit meiner Familie und meiner Freunde; die Sorgen der Gewerbetreibenden und Selbständigen, aber auch der Arbeitnehmer*innen, ihre Existenzangst und die Furcht vor einer Rezession; die Sorge vor den wirtschaftlichen und vielleicht auch gesellschaftlichen Verwerfungen, die gerade beschlossenen Kontaktbeschränkungen mit sich bringen könnten. Warum reden wir jetzt also über Geld? Weil Geld zwar nicht alle Probleme löst, aber uns dabei hilft, Menschen zu unterstützen und ihre Ängste wenigstens zu mindern. Der Entwurf der Landesregierung für den vierten Nachtragshaushalt sieht vor, Notkredite bis zu einer Höhe von weiteren 4,5 Milliarden Euro aufzunehmen, um unter anderem die Steuerausfälle der kommenden vier Jahre zumindest teilweise auszugleichen und die Investitionsfähigkeit des Landes bis 2030 zu sichern. Die Planungen gehen damit weit über die aktuelle Legislaturperiode hinaus. Sie erleichtern der Landesregierung in den nächsten Jahren die Arbeit, egal, von welchen Fraktionen sie bis 2030 getragen wird. Das muss sich eine Opposition gut überlegen, ob sie so weitreichenden Maßnahmen zustimmt – und Sie können sicher sein, das haben wir auch getan! Wir sind als Opposition bereit, Jamaika die Hand zu reichen, denn jetzt steht die Bewältigung der Krise im Vordergrund. Wir stehen zu unserer Verantwortung für Schleswig-Holstein! Aber für uns war auch klar - wir gehen mit eigenen Vorschlägen in die Gespräche. Angesichts der gewaltigen Kreditaufnahme kann es nicht nur darum gehen, kurzfristig Haushaltslöcher zu stopfen. Schleswig-Holstein muss nach unserer Auffassung von dem Finanzpaket langfristig und nachhaltig profitieren. Diesem Anspruch wurde der Vorschlag der Landesregierung nicht gerecht. In den Verhandlungen standen für uns deshalb drei Kriterien im Fokus: 1. Unser Anspruch, dass Schleswig-Holstein durch dieses Programm einen Schritt in eine solidarische Zukunft macht. 2. Wir wollen für nachhaltiges Wachstum sorgen und dabei unmittelbar die Erkenntnisse aus der aktuellen Krise einbeziehen. 3. Wir nehmen diejenigen in den Blick, die es in den vergangenen Monaten besonders schwer hatten oder noch haben.
Und wir freuen uns, dass es gelungen ist, sich hier auf wichtige Punkte zu einigen: Durch die Aufstockung der bislang vorgesehenen Hilfen für Kommunen stehen in den kommenden drei Jahren insgesamt 120 Millionen Euro für ein schlagkräftiges Schulbauprogramm bereit, denn da ist noch viel Nachholbedarf. Das IMPULS- Schulbauprogramm der Landesregierung war mehrfach überzeichnet – und damals haben wir noch nicht einmal an pandemiebedingte Umbaumaßnahmen gedacht. Und wir stellen noch einmal 14 Millionen Euro zur Verfügung stehen, damit jedes Kind, das es braucht, einen Laptop oder Tablet für den Unterricht bekommt. Schade, dass die


1 Koalitionsfraktionen sich immer noch nicht dazu durchringen konnten, die Kommunen vom Eigenanteil beim Digitalpakt zu befreien. Aber wir helfen dem Ministerpräsidenten gerne, so sein Versprechen halten, allen Schüler*innen in SH bis 2022 ein Tablet zur Verfügung zu stellen. Der eigene Regierungsentwurf sah da ja nichts vor. Damit die Innenstädte in unserem Land auch nach der Krise noch attraktive, lebendige Zentren sind, legen wir einen Entwicklungsfonds in Höhe von 10 Mio. Euro auf. Ab 2021 sollen aus diesem Fonds Fördermittel fließen für Innenstädte und Ortszentren zur Umsetzung des Programms „Neue Perspektive Wohnen". Ziel ist es, neue Konzepte und Ideen zu entwickeln, für Wohnen und Arbeiten im Zentrum, kinder- und familienfreundlich und barrierefrei. Darum wird auch der Fonds für Barrierefreiheit um 5 Mio. Euro aufgestockt. Wir konnten uns mit der Regierung auch verständigen über zusätzliche Investitionen in die soziale Infrastruktur des Landes: Die Krankenhäuser haben nach den Verhandlungen insgesamt 128 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Damit sichern wir die Gesundheitsversorgung in der Fläche und auch coronabedingte Umbauten und Co-Finanzierung der Bundesprogramme. Im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung sowie des studentischen Wohnens werden ab 2021 insgesamt 60 Mio. Euro in vier Tranchen zu je 15 Mio. Euro für nicht rückzahlbare Zuschüsse bereitgestellt. die dafür sorgen werden, dass der Wohnungsbau einen ordentlichen Schwung bekommt. 10 Mio. Euro werden in den nächsten beiden Jahren zur Verfügung gestellt für den Ausbau von solitären Kurzzeitpflegeplätzen – ein richtig gutes Signal! Und für Maßnahmen in politischen Bildungseinrichtungen werden insgesamt 2 Mio. Euro in den Jahren 2021 und 2022 einplant. Last but not least war es uns wichtig, Nachbesserungen am bestehenden Landesnothilfeprogramm durchzusetzen. Innerhalb des Mittelstandssicherungsfonds werden 15 Mio. Euro zugunsten branchenübergreifender Stabilisierungsmaßnahmen umgeschichtet. Zudem werden 5 Mio. Euro aus dem Darlehensprogramm in den MBG Härtefallfonds Mittelstand umgeschichtet. Damit können zusätzliche Beteiligungen zur Stabilisierung der schleswig-holsteinischen Wirtschaft erworben werden. Ferner werden die Stornokosten übernommen für alle Klassenfahrten, die bis zum 13.03.2020 gebucht wurden, und das Unterstützungsprogramm für die Schaustellerbetriebe wird bis zum 30.06.2021 verlängert. Im Rahmen der bereits aufgelegten Corona-Nothilfe haben wir rund 42 Mio. Euro für neue Maßnahmen umgeschichtet. Meiner Fraktion waren dabei besonders wichtig: • 15 Mio. Euro zur Errichtung eines Fonds für Digitalisierungsmaßnahmen im Bereich der sozialen Infrastruktur, der Kultur und des Sports • 1,5 Mio. Euro für die Aufstockung des Programms zur Förderung der dualen Ausbildung zur Bewältigung von Auswirkungen der Corona-Pandemie
Jetzt liegt also ein gemeinsamer Vorschlag für den Nachtragshaushalt auf dem Tisch, der dafür sorgt, dass unsere Kommunen deutlich besser dastehen als nach dem ersten Vorschlag der Landesregierung. Wir haben nicht alles erreicht, was wir uns gewünscht hätten, aber das Ergebnis wird für viele Menschen im Land einen echten Unterschied machen. Dieser gemeinsame Antrag ist auch ein Paradebeispiel für die Mitwirkung des Parlaments, und darauf können wir stolz sein! Wir übernehmen gemeinsam Verantwortung, damit unser Land und die Menschen, die hier leben, diese Krise gut überstehen. Mit einer Zweidrittelmehrheit einen solchen Haushalt zu beschließen, gab es in der Geschichte unseres Landes in dieser Form noch nie. Gut, dass unsere Verfassung dieses Verfahren so vorsieht, denn es nimmt uns alle in die Pflicht - Regierung und Opposition! Das ist auch im Ländervergleich etwas ganz Besonderes.
Ein Ziel, auf das wir uns bei den Gesprächen über den Nachtragshaushalt verständigt haben, ist es, den unvermeidbaren Einsparpfad durch die pandemiebedingten Mindereinnahmen und Mehrausgaben des Landes bis 2024 abzufedern. Denn nach der letzten Steuerschätzung fehlen dem Land in den nächsten Jahren Einnahmen in Millionenhöhe. Dafür erteilen wir der Landesregierung jetzt eine Kreditermächtigung. Dass wir in diesem Jahr auf einen Schlag eine derart große Summe einplanen, liegt an der Logik der Schuldenbremse: In diesem Jahr dürfen wir vorsorgen, im kommenden Jahr dürften wir es vielleicht auch noch, aber ab 2022 wohl nicht mehr. Und


2 natürlich wissen wir heute noch nicht, ob wir die gesamte Summe tatsächlich benötigen – oder ob sie zu gering ist. Über die Konstruktion der Schuldenbremse wird zu sprechen sein, wenn die Krise bewältigt ist. Für uns ist aber auch klar: Gegen die enormen Einnahmeausfälle – in 2021 fehlen laut Steuerschätzung mehr als 750 Mio. Euro – kann man nicht ansparen, und schon gar nicht von heute auf morgen. Forderungen nach Einstellungsstopps oder Haushaltssperre erteilen wir daher eine klare Absage. Wir müssen die Wirtschaft stützen, Investitionen finanzieren und besonders Betroffenen Unterstützung geben.
5,5 Milliarden Euro sind eine enorm große Summe, die uns noch lange begleiten wird. Die Verschuldung des Landes erhöht sich signifikant, die Menschen in Schleswig-Holstein müssen diese Schulden über 40 Jahre zurückzahlen. Die Tilgung wird unsere künftigen Haushalte belasten und unsere Möglichkeiten einschränken. Unseren mit großer Sorgfalt erarbeiteten Schuldentilgungsplan können wir – ich bitte um Nachsicht für die rüde Formulierung – in die Tonne treten. Dennoch - in der ausführlichen Anhörung zum Schuldentilgungsplan haben wir alle viel gelernt. Und irgendwie haben wir ja jetzt auch einen neuen Plan, zumindest für die Kreditaufnahme, die wir heute beschließen.
Wir werden künftig alle gut daran tun, bei jeder Ausgabe sorgfältig zu prüfen, ob sie wirklich erforderlich ist. Der erste Blick in den Haushaltsentwurf 2021 lässt zumindest den Eindruck zu, dass die Landesregierung dieses Prinzip bei der Aufstellung beachtet hat. Viele Titel wurden überrollt, es findet sich neben den auch mit Hilfe der Notkredite finanzierten Projekte nur wenig Neues. Bis zur Beschlussfassung im Februar 2021 werden sich diese Zahlen sicher noch mehrfach ändern. Nicht nur durch unsere Entscheidungen, sondern auch durch die Entwicklung der Pandemie. So erfordern die vorgestern beschlossenen Maßnahmen sicherlich neue finanzielle Mittel, zumal wir immer noch Nachsteuerungsbedarf sehen, etwa in der Kultur- und Veranstaltungsbranche. Wenn es also zusätzliche Mittel braucht für eine Co-Finanzierung der neuen Bundesprogramme und ggf. landeseigenen Ergänzungen, werden Sie unsere Unterstützung finden. Ich persönlich bin nach wie vor dafür, im besonders notleidenden Kultur- und Veranstaltungsbereich, vor allem bei Solokünstler*innen mit Direktzahlungen zu helfen. Sie werden es brauchen. Damit hier kein falscher Eindruck aufkommt: Eine der wichtigsten Herausforderungen der Zukunft – das macht die Krise deutlich – ist für uns die dauerhafte Stärkung der Solidargemeinschaften. Hier nenne ich an erster Stelle die Bürgerversicherung. Schade, dass Koalition sich nicht dazu durchringen kann, in Schleswig-Holstein wenigstens eine pauschale Beihilfe für unsere Beamt*innen einzuführen. Aber auch die Idee, die Künstlersozialkasse so weiterzuentwickeln, dass sie künftig Kurzarbeitergeld zahlen kann, finde ich prüfenswert. Wir begrüßen ausdrücklich die beschlossenen Entschädigungsregelung für von den temporären Schließungen erfassten Unternehmen, Betriebe, Selbständigen, Vereine und Einrichtungen. Für sie wird der Bund eine außerordentliche Wirtschaftshilfe gewähren -in Höhe von 75% des entsprechenden Umsatzes Vorjahresmonats für Unternehmen bis 50 Mitarbeiter*innen, für größere Unternehmen gestaffelt.10 Milliarden sieht Bundesfinanzminister Olaf Scholz dafür vor! Nicht verstehen kann ich allerdings die Bedenken von Gewerbetreibenden und Selbständigen, die Angst haben, Hilfen zu beantragen, weil sie Kontrollen und Rückforderung fürchten. Dazu möchte ich sagen: Wir nehmen hohe Kredite auf, verschulden uns auf viele Jahrzehnte, um den Wirtschaftsbetrieben zu helfen. Das ist gut, und das muss auch sein! Das ist eine Frage der Solidarität! Das tun wir aber auch, damit diese Unternehmen irgendwann wieder Gewinn erwirtschaften und mit ihren Steuern zur Finanzierung des Staates und damit zur Rückzahlung der Schulden beitragen. Für die Rückzahlung nutzen wir aber auch die Steuern, die die zahlen, die in der Pandemie das Land am Laufen halten. Ihnen allen sind wir es schuldig, dass wir mit dem Geld auch sorgsam umgehen. Wir kontrollieren jetzt sicher nicht jedem Cent hinterher, aber Missbrauch oder gar Betrug dürfen und werden wir nicht dulden. Sonst reichen auch die gewaltigen Summen nämlich nicht für alle, die es brauchen!



3 Durch die Corona-Pandemie erleben wir in diesem Land eine Situation, die noch niemand von uns erlebt hat. Gefragt ist nicht nur die Solidarität in unserer Gesellschaft, sondern auch ein starker und handlungsfähiger Staat. Jetzt ist parlamentarisches Handeln gefragt, über die Grenzen aller demokratischen Fraktionen hinweg. Für uns stehen dabei die Interessen der Menschen im Land im Mittelpunkt. Sie dürfen nicht unter den fiskalischen Auswirkungen einer Krise leiden, für die sie selbst nichts können. Wir haben immer gesagt, dass wir alles Notwendige dafür tun werden, um die Krise gemeinsam zu bewältigen. Besondere Zeiten bedürfen besonderer Herangehensweisen. Deshalb werden wir dem Nachtragshaushalt zustimmen und die 2/3 Mehrheit in diesem Hause sicherstellen.“



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