Rede zu Protokoll gegeben: Wir wollen keine neoliberale Privilegierung
Presseinformation Kiel, den 22.09.2021Rede zu Protokoll gegebenJette Waldinger-Thiering TOP 15 Schuljahr des Ehrenamtes 2021/2022 für Schülerinnen und Schüler Drs. 19/3216„Wer jetzt keine Lernrückstände aufholt, keine Angehörigen pflegt, keinenkleinen Geschwistern helfen muss, sich keinen Schülernebenjob suchen musste,der oder die findet vielleicht noch Zeit für ein Ehrenamt. Viele andere aber ebennicht.“„Was kann man schon gegen das Ehrenamt haben?“, fragten wir uns intern, als wir diesen Antragerstmals diskutieren. Auch für Schülerinnen und Schüler gibt es wunderbare Ehrenämter, dieunsere Gesellschaft zu einer besseren machen. Ich denke an Schülervertretungen, Vorlesen imSeniorenheim, Jugendfeuerwehr, Unterstützung in Tierheimen, freiwillige Nachbarschaftshilfe,auf vielfältige Art Gutes für die Umwelt tun, Essensausgabe bei den Tafeln, DLRG oder Tandem-Programme, Jugendarbeit in Parteien oder Sportvereinen. Viele tolle und wichtige Aufgaben, dieich ungern gegeneinander aufwiegen würde. Und doch können wir diesem Antrag so nichtzustimmen. ( ( 2Um einmal ganz konkret in den Antrag zu schauen: Wenn schon Schulpatenschaften zwischenSchleswig-Holstein und den Flutgebieten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen geprüftwerden sollen, dann mögen diese bitte länger angelegt sein, als nur auf das kommende „Schuljahrdes Ehrenamtes“. Besagtes Schuljahr hat ja auch schon angefangen, da bietet es sich auch inAnbetracht der Lage in den betroffenen Regionen an, langfristig zu planen.Im vorletzten Punkt ist die Rede davon, ehrenamtliche Projekte von Schülerinnen und Schülern fürSchülerinnen und Schüler durch die Freistellung vom Unterricht oder die Aufnahme in das Zeugnisbesonders zu berücksichtigen. Hier gehen wir so nicht mit. Die Ämter in der Schülervertretung sindbegrenzt, selbst Klassensprecher gibt es höchstens im 2er-Team. Dieser Antrag sollte es, wennschon die Vermerke im Zeugnis angesprochen werden, ermöglichen, deutlich mehr Ehrenämter insZeugnis aufzunehmen. Und mit den Preisen ist das auch so eine Sache. Der ausgelobteEngagement-Preis für sogenannte herausragende Projekte scheint aus der neoliberalen Feder derRegierungskoalition zu stammen. Ich weiß, dass das Ehrenamt als freiwillige und unentgeltlichgeleistete Arbeit oftmals auch von Lob und sozialer Anerkennung lebt. Aber wir habenSchwierigkeiten mit diesem Tenor des Antrags, der so in Wertigkeiten und Verwertbarkeit vonEhrenamt denkt.Was außerdem in der Aufzählung fehlt, um das der Vollständigkeit halber einmal anzumerken, istdie Wahl zu den Kinder- und Jugendbeiräten und -parlamenten in Schleswig-Holstein, dabeimüsste viel mehr dafür geworben werden. Dass es tatsächlich so ist, dass sich bestimmteEhrenämter auch über den Dienst an der Gesellschaft hinaus rentieren, ist ohne Frage bereits jetztso. Schulen sollten aber aus Sicht des SSW nicht noch weiter zwischen Ehrenämtern unterscheidenmüssen, als sie es ohnehin schon tun.Mit einer besonderen Hervorhebung derer, die ein Ehrenamt ausüben, geht natürlich automatischauch implizit ein gewisses Manko für diejenigen einher, die im nächsten Schuljahr keine Zeit dafürhaben werden. Und das ist ihnen auf gar keine Art und Weise anzulasten. Viele Kinder und 3Jugendliche werden dieses Jahr damit beschäftigt sein, auszugleichen, was ihnen in den letzten 11/2 Jahren pandemiebedingt verloren gegangen ist. Es gibt Momente, in denen es an ein Privileggrenzt, ein Ehrenamt bekleiden zu können und ich würde sagen, dieses Schuljahr qualifiziert sichdafür. Wer jetzt keine Lernrückstände aufholt, keine Angehörigen pflegt, keinen kleinenGeschwistern helfen muss, sich keinen Schülernebenjob suchen musste, der oder die findetvielleicht noch Zeit für ein Ehrenamt. Viele andere aber eben nicht. Und so kann man, um einmalauf meine Eingangsfrage zurück zu kommen, unerwarteterweise doch auch „was gegen dasEhrenamt haben“.Wir bitten daher trotz Begeisterung der Regierungskoalition noch um Ausschussüberweisung zurOptimierung dieses Vorhabens.