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24.03.22
18:04 Uhr
B 90/Grüne

Burkhard Peters zu TOP 16+59+66: Opfer von Straftaten müssen schnell und gezielt Hilfe und Unterstützung erhalten

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 16+59+66 – Entwurf eines Opferunterstützungs- Pressesprecherin gesetzes mit Tätigkeitsbericht 2020/2021 der Claudia Jacob Opferschutzbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein Landeshaus sowie 5. Opferschutzbericht der Landesregierung Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt der innen- und rechtspolitische Sprecher der Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 Burkhard Peters: presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 082.22 / 24.03.2022

Opfer von Straftaten müssen schnell und gezielt Hilfe und Unterstützung erhalten Die Aufarbeitung des Anschlags Breitscheidplatz in Berlin durch einen Untersu- chungsausschuss im Bundestag zeigte nicht nur massive Defizite bei den Ermittlungen gegen den Täter. Auch der Umgang mit den Opfern und ihren Angehörigen war vielfach unsensibel, ineffektiv und allein lassend. Die Bundesgeschäftsführerin des „Weißen Ring“, Bianca Biwer sagte anlässlich des 5. Jahrestages der Presse: „Es laufen immer noch mühsame Prozesse vor allem im Bereich der Opferentschädigung." Im Umgang mit den Opfern hätten auch Behörden Fehler gemacht, etwa die Zusendung von Rechnun- gen aus der Gerichtsmedizin oder von blutgetränkten Gegenständen an Hinterbliebene und Opfer. Wörtlich sagte Frau Biwer: „Da war kein opfersensibler Umgang zu erkennen […]."
Vor diesem Hintergrund kamen die Justizminister*innen und Regierungschef*innen der Länder überein, dass der Staat Sorge trägt, dass Opfer von schweren Straftaten schnell und gezielt Hilfe und Unterstützung erhalten und dass hierfür im Bereich des Op- ferschutzes, insbesondere bei Terroranschlägen, zentrale Strukturen erforderlich sind.
Wir können es also nur begrüßen, dass wir seit Mitte 2020 auch in SH die zentrale An- laufstelle und die Institution der unabhängigen Opferschutzbeauftragten haben. Im Be- richt von Frau Stahlmann-Liebelt heißt es an einer Stelle: „Während SH bislang von Ter- roranschlägen verschont geblieben ist, waren Kolleginnen und Kollegen in anderen Bun- desländern bereits in erheblichem Maße in ihrer Eigenschaft als Opferschutzbeauftragte gefragt". Sie weist damit vor allem auf die Anschläge von Halle 2019 und Hanau 2020 hin.
Wenn man den Tag des Breitscheidplatzanschlags zum Bezugspunkt nimmt, ist diese Feststellung richtig. Aber bei einer längeren Rückschau zeigt sich, dass auch unser Land nicht von Terroranschlägen verschont geblieben ist. In diesem Jahr jährt sich der auslän- derfeindliche Anschlag in Mölln mit 3 Todesopfern und 9, teilweise sehr schwer verletzten Seite 1 von 2 Menschen zum 30. Mal. Und 1996 fand der Brandanschlag auf das Lübecker Asylbe- werberheim in der Hafenstraße mit 10 Todesopfern und 38 verletzten Hausbewohner*in- nen statt. Auch hier gab es also bereits viele Opfer von Terror und strafrechtlich relevante Großschadenslagen. Die überlebenden Opfer in Mölln und Lübeck hätten eine solche Anlaufstelle und eine engagierte Opferschutzbeauftragte wie Frau Stahlmann-Liebelt bit- ter nötig gebraucht.
Im Fall von Mölln kann ich diesbezüglich aus unmittelbarer Anschauung berichten. Die Schmerzensgeldansprüche der Verletzten und Hinterbliebenen gegen die Täter konnten zwar schnell eingeklagt werden. Aber die Urteile waren letztlich das Papier nicht wert, auf denen sie gedruckt waren. Denn sie konnten nie vollstreckt werden, auch gegen den Täter nicht, der als Heranwachsender nur zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. Uns als Rechtsanwälten der Opfer wurde auch nach Haftentlassung die zustellungsfähige An- schrift des Verurteilten verweigert, weil er insoweit von staatlichen Stellen unter Schutz gestellt war. Er hatte wohl die Gefahr von Racheanschlägen angeführt. Auch die Verfa- hren der in Mölln Verletzten nach dem Opferentschädigungsgesetz waren extrem zäh und langwierig und erbrachten nur geringe Entschädigungsleistungen.
Den Opfern und Hinterbliebenen in Lübeck erging es noch schlechter. Denn hier wurden überhaupt keine Täter zur Rechenschaft gezogen, nachdem sich die Er- mittlungsbehörden zunächst auf einen falschen Verdächtigten kapriziert hatten und zwei- mal kläglich vor Gericht damit scheiterten. Es gibt viele Anhaltspunkte dafür, dass die tatsächlichen Verantwortlichen Rechtsextreme waren, die letztlich nicht überführt wurden. Eine nach wie vor schwärende Wunde in der Rechtsgeschichte unseres Landes! Auch hier blieben Entschädigungsverfahren nach dem Opferschutzgesetz erfolglos.
Mögen die beiden neuen Opferschutzstellen auf Grundlage des heute ebenfalls verabs- chiedeten Gesetzes dazu beitragen, dass wir in Schleswig-Holstein nun besser aufges- tellt sind. Frau Stahlmann-Liebelt sehe ich als eine personifizierte Garantie dafür an. Ihre langjährige Erfahrung als Staatsanwältin in Fällen von Kindesmissbrauch und sexueller Gewalt hat ihre Sicht auf den Opferschutz geprägt. Ihre hohe Expertise in diesem Bereich brachte sie schon früh bei pro familia und haupt- wie ehrenamtlichen Opferberatungsstel- len ein. Ihr Engagement bringt die opferschützende richterliche Videovernehmung nicht nur landesweit, sondern auch im Bund voran. Kurz: es handelt sich um die perfekte Be- setzung für die Stelle. Unser Land kann sich glücklich schätzen, Frau Stahlmann-Liebelt für diese Stelle gewonnen zu haben.

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