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28.09.22
12:39 Uhr
B 90/Grüne

Oliver Brandt zur automatischen Inflationsanpassung

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 37 – Automatische Inflationsanpassung auch bei Lohn- Pressesprecherin und Einkommenssteuer Claudia Jacob Landeshaus Dazu sagt der wirtschaftspolitische Sprecher Düsternbrooker Weg 70 der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, 24105 Kiel
Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Oliver Brandt: Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 199.22 / 28.09.2022


Entlastungen für untere und mittlere Einkommensgruppen sind das Gebot der Stunde Sehr geehrte Damen und Herren,
in ihrem Antrag fordert die FDP eine – Zitat – „Automatische Inflationsanpassung auch bei der Lohn- und Einkommenssteuer“. Im Antragstext wird darauf verwiesen, die Inflati- onsanpassung bei der Grundsicherung würde ja bereits erfolgen. Demnach soll das, was bei der Grundsicherung gilt, auch für Arbeitnehmer*innen gelten. Passt das mit einer au- tomatischen Inflationsanpassung zusammen? Um es kurz zu machen: nein.
Zur Erläuterung: Die Grundsicherung wird zwar jedes Jahr angepasst - allerdings auf Basis von Verbraucher*innenpreisindex und Lohnentwicklung. Dies ist kein Inflationsaus- gleich, sondern führt im Vergleich zur Inflationsrate regelmäßig zu einer wesentlich ge- ringeren Anpassung - weil die tatsächliche Inflation höher ist.
2021 hatten wir beispielsweise eine Inflationsrate von 3,1 Prozent, die Grundsicherung wurde jedoch nur um 0,7 Prozent angehoben. Die Inflation für 2022 liegt momentan be- reits bei deutlich über 7 Prozent, die Regelsatzanpassung zum 01.01.2023 wird nach der geltenden Formel jedoch nur 4,6 Prozent betragen, wie der Paritätische Wohlfahrtsver- band errechnet hat.
Sie sehen, die Realität ist von einer tatsächlichen Inflationsanpassung bei der Grundsi- cherung weit entfernt. Real erhalten Bezieher*innen der Grundsicherung also jedes Jahr etwas weniger zum Leben. Daher ist es überfällig, dass der Regelsatz ab 1. Januar um 53 Euro auf 502 Euro angehoben wird.
Doch nun zum eigentlichen Inhalt des Antrags, der automatischen Anpassung des Lohn- und Einkommensteuertarifs.
Seite 1 von 2 Zunächst möchte ich betonen, dass ich einen Ausgleich der sogenannten Kalten Pro- gression in der Sache nicht falsch finde. Denn Inflation und Energiepreiskrise belasten nicht nur unsere Wirtschaft, sondern insbesondere auch unsere Bürger*innen massiv – besonders die unteren Einkommensgruppen. Die Auswirkungen von hohen Energieprei- sen reichen aber bis weit in die Mittelschicht hinein. Entlastungen für untere und mittlere Einkommensgruppen sind daher das Gebot der Stunde.
Allerdings stellt sich die Frage, ob jetzt der richtige Zeitpunkt für einen dauerhaften Aus- gleich bei der kalten Progression ist. Die Antwort führender Wirtschaftswissenschaft- ler*innen darauf lautet: nein!
Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, hat errechnet, dass 70 Prozent der Entlastung den 30 Prozent mit den höchsten Einkommen zugute- kommen. Menschen mit geringem Einkommen, die von der Inflation besondere betroffen sind, haben dagegen kaum etwas davon.
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat erklärt, dass für eine Reform, bei der nominal die Besserverdienenden mehr gewinnen, jetzt einfach der falsche Zeitpunkt sei. Diese Einschätzung teile ich.
Überdies ist die befristete Inflationsanpassung bei der kalten Progression mit 12,2 Milli- arden Euro für das Haushaltsjahr 2023 und 18 Milliarden Euro für das Haushaltsjahr 2024 die mit Abstand teuerste Maßnahme aus dem Entlastungspaket 3. Ein großer Teil dieser Mindereinnahmen belastet die Länderhaushalte. Auf unsere Haushaltssituation und die ohnehin schon bestehenden Lücken in der aktuellen Finanzplanung muss ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen, da sie hinlänglich bekannt sind.
Die Grünen auf Bundesebene haben diese Maßnahme mitgetragen, weil mit dem 3. Ent- lastungspaket auch die Einkommensschwächsten unserer Gesellschaft Unterstützung erhalten, beispielsweise Rentner*innen, Studierende und Empfänger von Grundsiche- rung.
Für die Jahre 2023 und 2024 liegt ein Gesetzentwurf für den Ausgleich der kalten Pro- gression also bereits auf dem Tisch. Angesichts der vor uns liegenden Herausforderun- gen bei der Bewältigung der Energiepreiskrise für unsere Bevölkerung und unsere Wirt- schaft halte ich eine dauerhafte Regelung derzeit allerdings nicht für sinnvoll.
Vor dem Hintergrund der massiven Haushaltsauswirkungen halte ich es vielmehr für rich- tig und angemessen, dass der Gesetzgeber diese Entscheidung in jedem Haushaltsjahr aufs Neue bewusst trifft, um die aktuellen Rahmenbedingungen einzubeziehen – gerade in Krisenzeiten ist das wichtig.
Aus meiner Sicht bedarf der Antrag einer weitergehenden Prüfung. Daher beantrage ich für meine Fraktion heute die Überweisung des FDP-Antrags in den Finanzausschuss.
Vielen Dank!
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