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29.09.22
16:30 Uhr
B 90/Grüne

Oliver Brandt zur Finanzierung der Wehrtechnik

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 16 – Finanzierung der Wehrtechnik verbessern Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt der wirtschaftspolitische Sprecher Landeshaus der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Oliver Brandt: Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 205.22 / 29.09.2022

Wir sollten uns um die tatsächlichen Herausforderun- gen der wehrtechnischen Unternehmen kümmern
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich möchte zunächst aus der Antwort der Bundesregierung vom 19. Mai 2022 auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten der Linken zur Bedeutung der Rüstungsindustrie für die Bundesregierung zitieren:
„Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob die Europäische Kommission eine Erweite- rung der EU-Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten auf soziale Ziele (soge- nannte soziale Taxonomie) plant.“
Am 17. Mai 2022 berichtete das europäische Nachrichtenportal Euractiv, dass die EU- Kommission die Sozialtaxonomie auf die lange Bank schiebt. Das Thema steht derzeit nicht auf der Agenda des zuständigen Ausschusses für Beschäftigung und soziale Ange- legenheiten des Europaparlaments. Die Bearbeitung wird sich voraussichtlich um meh- rere Jahre verzögern. Insofern ist es schon erstaunlich, welche Energie die FDP für ein Thema einsetzt, das derzeit auf der europäischen Agenda – genau dort, wo die Entschei- dungen zur Taxonomie fallen – eigentlich keine Rolle spielt.
Nun aber zur EU-Taxonomie-Verordnung. Sie dient dazu, nachhaltige Wirtschaftstätig- keiten zu klassifizieren und nachhaltige Finanzinstrumente zu definieren, die dafür ge- nutzt werden sollen, den Verlust der biologischen Vielfalt, die Auswirkungen des Klima- wandels oder soziale Ungleichheiten zu bekämpfen.
Eine soziale Taxonomie soll Investor*innen dabei helfen, Investitionsströme in sozial- nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten umzulenken. Vorbild ist die Nachhaltigkeitstaxonomie, die definiert, welche wirtschaftlichen Aktivitäten ökologisch nachhaltig sind. Seite 1 von 2 Zur Sozialtaxonomie hat die von der EU-Kommissionbeauftragte Platform on Sustainable Finance im Februar 2022 – bevor das Thema zunächst ad acta gelegt wurde – ihren Abschlussbericht vorgelegt. Demnach sollte eine zukünftige Sozialtaxonomie drei Ziele berücksichtigen:
Erstens menschenwürdige Arbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette, zweitens ein angemessener Lebensstandard und drittens Wohlstand für die Nutzer*innen sowie integrative und nachhaltige Gemeinschaften.
Insofern ist schwer nachvollziehbar, wie die Wehrtechnikindustrie in diese Systematik passt und als sozial nachhaltig eingestuft werden soll. Sie ist nach meiner Lesart weder nachhaltig noch nicht nachhaltig. Genauso wenig, wie zum Beispiel die digitale Wirt- schaft, der Tourismus oder die Textilindustrie per se nachhaltig oder nicht nachhaltig sind.
Wie gesagt: Die Taxonomie soll Investitionsanreize für nachhaltige Investitionen setzen. Wenn dieser Rahmen bis zur Beliebigkeit ausgeweitet wird, kann dieses Ziel nicht erreicht werden. Die Aufnahme von Atom und Gas in die ökologische Taxonomie hat sich ange- sichts der aktuellen Ereignisse jedenfalls als Fehler erwiesen. Ohnedies ist für mich nicht zu erkennen, wo der direkte Zusammenhang zwischen der Einstufung einer Branche als „nachhaltig“ und dem Zugang zu Kreditfinanzierungen bestehen soll.
Es ist doch so: Banken bewerten Kreditentscheidungen nach Risiken, und sie erheben Risikoaufschläge bei höheren Ausfallrisiken von Krediten. Die Wehrindustrie hat überwie- gend staatliche Auftraggeber, deren Bonität in der Regel sehr gut ist. Erhöhte Ausfallrisi- ken sind damit in der Regel nicht gegeben.
Im Übrigen: Das Konzept eines sogenannten „Green Supporting Factor“, also reduzierten aufsichtlichen Eigenkapitalanforderungen bei der Kreditvergabe von Banken an beson- ders nachhaltige Unternehmen, wird sowohl von der Kreditwirtschaft als auch von der Politik abgelehnt. Auch ich halte eine derartige Bevorzugung nachhaltiger Unternehmen per se für falsch.
Unabhängig von der Diskussion um die Taxonomie stehen wir doch seit dem 24. Februar vor einer völlig neuen Situation: Die Stärkung der rüstungstechnischen Zusammenarbeit in Europa bzw. das Ziel der bestmöglichen Ausstattung der Bundeswehr ist ein erklärtes Ziel der Bundesregierung, was angesichts der aktuellen Weltlage neue Perspektiven für die Wehrindustrie auch in Schleswig-Holstein eröffnet.
Mein Fazit lautet daher: Wir sollten uns um die tatsächlichen Herausforderungen der wehrtechnischen Unternehmen in Schleswig-Holstein kümmern, anstatt hier eine Diskus- sion zu führen, die in Brüssel derzeit keine Rolle spielt. Die Landesregierung hat bereits gehandelt und mit ihrem ersten Wehrtechnik-Gipfel den Auftakt gemacht, was ich aus- drücklich begrüße.
Ich freue mich dazu auf die weiteren Beratungen im Wirtschaftsausschuss.
Vielen Dank!
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