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30.09.22
10:50 Uhr
B 90/Grüne

Uta Röpcke zur Geburtshilfe in Schleswig-Holstein

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 18 – Schließungen von Geburtskliniken sofort stoppen Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt die Abgeordnete Landeshaus der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Uta Röpcke: Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 214.22 / 30.09.2022
Wir brauchen eine gute Geburtshilfe
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen,
wenn ein Kind geboren wird, bleibt die Welt einen Moment stehen. Neues Leben, unfass- bares Glück, Staunen, überwältigende Liebe. Das habe ich so erlebt, erleben ganz viele Eltern so, das wünsche ich allen Eltern in diesem Land. Und genau darum brauchen wir eine gute Geburtshilfe.
Wir brauchen motivierte, qualifizierte und gut bezahlte Hebammen, Ärzt*innen und Pfle- gekräfte. Und wir brauchen genug von ihnen. Das ist aktuell unsere größte Schwachstelle im System.
Henstedt-Ulzburg hat seine Kinderklink geschlossen, unter anderem weil das Personal fehlte. Das UKE hat den Kooperationsvertrag zwischen seiner Kinderklink und der Ge- burtshilfe der Paracelsus Klinik aus ganz ähnlichen Gründen gekündigt.
Das führte dazu, dass die Geburtshilfe in Henstedt-Ulzburg geschlossen werden musste, obwohl dort mehr als 700 Geburten im Jahr stattfanden. Auch die Geburtshilfen in Preetz und Eckernförde hatten Probleme, die erforderlichen Personalstandards rund um die Uhr sicher zu stellen. Hinzu kam, dass die Geburtenzahlen auf einem deutlich niedrigeren Level rangierten.
Wer sehr wenige Geburten hat, kann in der Geburtshilfe nicht wirtschaftlich arbeiten. Eine Querfinanzierung aus anderen Abteilungen macht kein Träger auf Dauer mit. Auch aus diesem Grund schließen die kleinen Geburtshilfeabteilungen. Leider!
Wichtig ist, dass sich grundsätzlich etwas an der Krankenhausfinanzierung ändert und das kann nur im Bund geschehen. Es braucht zusätzlich zu den DRGs Grundpauschalen, mit denen die Vorhaltekosten verlässlich abgebildet werden können. Wenigstens in der Geburtshilfe und Pädiatrie, am besten überall. Seite 1 von 2 Wichtig ist auch, innerhalb der Fallpauschalen das Gleichgewicht zwischen einer physi- ologischen, natürlichen Geburt und einem Kaiserschnitt herzustellen. Wenn der Kaiser- schnitt als geplante OP mehr als doppelt so gut vergütet wird und nur einen Bruchteil der Zeit in Anspruch nimmt, dann sind steigende Kaiserschnittraten und ein Anteil von 25 bis 30 Prozent kein Wunder. Das ist eine falsche Entwicklung. Das muss sich ändern.
Wenn eine beliebte und bewährte Geburtshilfe schließen muss, ist das schlecht. Der Trä- ger gibt seinen Versorgungsvertrag zurück. Die Eltern müssen dann weitere Wege zu anderen Kliniken in Kauf nehmen. Die weitesten von den Inseln aufs Festland. Doch viele Eltern wählen schon jetzt freiwillig das Perinatalzentrum Level 1 und den damit oftmals verbundenen weiteren Weg. Sie entscheiden sich für „safety first“. Dem Mehrbedarf in dieser maximalen Versorgungsstufe werden wir durch einen Aufbau weiterer Kapazitäten und zusätzlicher Kreissäle im UKSH an den Standorten in Kiel und Lübeck gerecht.
Schlecht ist die Schließung von kleinen Geburtshilfen auch für das Personal. Es kann nicht einfach in anderen Abteilungen der Klinik zum Einsatz kommen. Hebammen können nicht Geriatrie und Gynäkolog*innen nicht Gastroenterologie. Aber in den umgebenden Kliniken, die die wegfallenden Geburten kompensieren, werden händeringend Hebam- men und Gynäkolog*innen gesucht.
Die benachbarten Geburtshilfen sind nicht unmittelbar auf den Zuwachs an Geburten vorbereitet, aber das ist ein vorübergehender Engpass, der sich durch personelle und zum Teil auch räumliche Anpassungen lösen lässt. Der Trend in Schleswig-Holstein und bundesweit geht zu größeren Geburtshilfeabteilungen mit 500, mit 1.000 und mehr Ge- burten im Jahr. Hohe Fallzahlen sind in gewissem Sinn auch ein Garant für Qualität: ein- gespielte Abläufe, Routine und Sicherheit im positiven Sinn.
Was wir verhindern müssen, sind Geburten in einer Fließbandatmosphäre mit dem Ge- fühl, eine Nummer zu sein. Das darf nicht sein, in einem Moment, der intimer und einzig- artiger nicht sein könnte. Um das sicher zu stellen, brauchen wir kompetentes und gut ausgebildetes Personal. Hebammen und Ärzt*innen, die angemessen bezahlt werden und sich in einer 1:1 Betreuung ganz auf „ihre Geburt“ konzentrieren können. Dafür set- zen wir uns im Bund ein und packen auch in Schleswig-Holstein an: Wir werden die Zahl der Studienplätze in den Hebammenwissenschaften bedarfsgerecht ausbauen.
Die Landesregierung hat zeitnah den Qualitätszirkel Geburtshilfe ins Leben gerufen. Ärzt*innen, Hebammen und Entbindungspfleger, Kliniken, Krankenkassen, Land und Kommunen – alle müssen miteinander in einen Dialog kommen. Sie alle müssen gemein- sam dafür Sorge tragen, dass die Geburtshilfe in Schleswig-Holstein gut aufgestellt ist.
Geburtshilfe ist nicht nur Klinik, Geburtshilfe ist auch Hausgeburt und ambulante Geburt in Praxen oder Geburtshäusern. Geburtshilfe ist auch Vor- und Nachsorge und die Un- terstützung von Hebammen. Die weitere Übernahme von Haftpflichtprämien sowie die Delegation ärztlicher Tätigkeiten sind dabei nur zwei Beispiele.
Geburtshilfe muss einen Schwerpunkt auf die Stärkung der physiologischen Geburt legen und den Kaiserschnitt als das nutzen, was er ist: eine medizinisch indizierte Alternative. All diese Themen werden Platz finden im Qualitätszirkel und sind Voraussetzungen für eine wohnortnahe und qualitativ hochwertige Geburtshilfe.
Wir bohren ein dickes Brett, aber wir bleiben dran. ***
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