Jette Waldinger-Thiering: Die Liste des digitalen Versagens in unseren Schulen ist lang
PresseinformationKiel, den 24.11.2022Es gilt das gesprochene WortJette Waldinger-Thiering TOP 45 Umsetzung des Digitalpakts Schule Drs. 20/402„Die Strukturen in den Schulen passen überhaupt nicht zum Digitalpakt. DieUnterstützungsstrukturen stehen nicht flächendeckend zur Verfügung.“Der Alltag in den Schulen ist leider wieder von Tafel und Kreide geprägt. Einige Lehrkräfte scheinen richtig froh zu sein, dass sie wieder mit ihren Kernkompetenzen glänzen können. Sie fühlen sich im Nachhinein bestätigt in ihrer Skepsis gegenüber modernen Medien. So ein guter alterTageslichtprojektor kann ja nicht verkehrt sein, wenn er schon seit Jahrzehnten seinen Dienst tut. Davon einmal abgesehen, dass das für die Schülerinnen und Schüler ein schlimmes Vorbild ist, ist es tatsächlich ein pädagogischer Rückschritt. Aber auch digital orientierte Lehrkräfte müssenwieder zu Kreide und Papierkopie greifen, weil das W-Lan in ihren Schulen nicht funktioniert oder nicht leistungsfähig genug ist, um die neuesten Videos beispielsweise im Geschichtsunterricht anschauen zu können. Oder die entsprechenden Geräte liegen zwar bereit, aber wegen einesSoftwareproblems verstauben sie im Regal. Oder sie wurden nicht einmal ausgepackt, weil keine fachliche Kompetenz an der Schule vorhanden ist. Gerade in kleinen Schulen ist es oftmals eine Katastrophe, wenn die einzige digitale Lehrkraft erkrankt und damit ausfällt. Ich könnte die Listedes digitalen Versagens in unseren Schulen fortführen, aber eigentlich wissen alle Fachpolitiker und -politikerinnen Bescheid. Die Strukturen in den Schulen passen überhaupt nicht zum Digitalpakt. Die Unterstützungsstrukturen stehen nicht flächendeckend zur Verfügung. Geht einTablet kaputt und hat ein Whiteboard auch nur einen minimales Datenproblem, bleiben die Düsternbrooker Weg 70 Norderstr. 74 24105 Kiel 24939 Flensburg/Flensborg +49 (0)431 - 988 13 80 +49 (0)461 - 144 08 300 ( ( 2Geräte ungenutzt, weil es an Service fehlt. Die Geräte für die Lehrkräfte, immerhin fast 30.000 an 682 Schulen, sind etwa zur Hälfte in Betrieb. Der gleiche Befund gilt für viele Kolleginnen und Kollegen. Da werden in einigen Schulen diewenigen Lehrkräfte, die sich mit digitalen Endgeräten auskennen, bis an die Belastungsgrenze geführt. Digitaler Hausmeister vor Ort? In vielen Schulen leider immer noch nicht installiert. Die Unterstützung fehlt und deswegen ist der Griff zur Kreide manchmal die reinste Notwehr. Nichtvergessen: wir sind in 2022. Kein Arbeitgeber kann auf digitale Kompetenzen verzichten; aber unsere Schulen hinken immer noch hinterher. Diese Rückmeldungen aus den Schulen sind bei der derzeitigen KMK-Vorsitzenden wohl nicht sorecht angekommen. Wenn ich mir die Liste der Schulen und Schulverbände anschaue, die überhaupt noch keine Anträge für den Digitalpakt gestellt haben. Wenn ich das richtig sehe, sind es vor allem die kleinenSchulen auf dem Land, die keine Kapazitäten frei haben, um das Antragsverfahren überhaupt zu starten. Sie müssen also dabei zusehen, wie die anderen Schulen an ihnen vorbeiziehen. Die soziale Schieflage wird auf diese Weise verschärft. Schülerinnen und Schüler kleiner Schulenschauen in die Röhre oder müssen sich aus privaten Töpfen an die digitale Welt anschließen. Wer nicht das nötige Kleingeld hat, und das sind in Schleswig-Holstein sehr viele Schülerinnen und Schüler, gerät ins Hintertreffen. Adressaten und Empfänger, die Nachholbedarf haben, werdennicht unterstützt, sondern weiter benachteiligt. Es ist zum Haare raufen! Ich mag gar nicht daran denken, wenn in einigen Jahren die mit dem Digitalpakt angeschafftenGeräte erneuert werden müssen. Wird dann die gleiche Debatte wieder von vorn losgehen? Ich befürchte genau das, denn der Digitalpakt vernachlässigt systematisch die Strukturen und dessen Unterhaltung. Die Administration und die Umsetzung werden als selbstverständlich vorausgesetzt. Das ist eine altbekannte Strategie, denn schließlich hat Schule noch immer alleHerausforderungen gemeistert. Dass dabei die Motivation der Lehrenden auf der Strecke bleiben, Bildungsunterschiede vertieft werden und die Eltern frustriert sind, scheint man in Berlin in Kauf zu nehmen.Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/