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13.07.23
16:36 Uhr
SPD

Marc Timmer zu den TOP's 15+18: Das Ende der Fahnenstange ist erreicht!

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 13. Juli 2023
Marc Timmer: Das Ende der Fahnenstange ist erreicht! TOP 15+18: Juristenausbildung in Schleswig-Holstein (20/1147, 20/1156, AltA 20/1235)
„Ungeachtet der eindrucksvollen Anhörungsergebnisse plant die Landesregierung weiterhin eine deutliche, aber völlig unnötige Verschärfung der Juraprüfung in Schleswig-Holstein. Die von fachlicher Seite, darunter auch von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der CAU vorgetragenen Anregungen und Bedenken sind bei der Landesregierung weitgehend auf taube Ohren gestoßen.
Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin aus der zweiten Stellungnahme der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zum Entwurf der neuen Juristenausbildungsverordnung (JAVO):
„Dass im Ministerium offenkundig keine Veranlassung gesehen wurde, sich mit der konstruktiven Kritik und den Anregungen der einzigen Ausbildungsstätte für die erste Juristische Prüfung im Land überhaupt nur auseinanderzusetzen und insofern zumindest dem Wunsch nach einer genaueren Begründung der geplanten Neuerungen nachzukommen, hat in der gesamten Fakultät für nachhaltige Irritationen gesorgt.“
Aber fangen wir vorne an. Was sind die Kritikpunkte, die die Fakultät, die Fachschaft und auch wir als SPD Landtagsfraktion anmahnen.
Die erste Beschwernis: Es soll eine zusätzliche siebte Aufsichtsarbeit in Strafrecht eingeführt werden. Hier weicht die Landesregierung von der Praxis in 11 anderen Bundesländern ab, in denen nur sechs Klausuren und darunter nur eine Strafrechtsklausur geschrieben wird. Warum dieser Sonderweg? Die Begründung erinnert an Schwarze Pädagogik. Die Ergebnisse im Strafrecht seien schlecht. Eine zweite Klausur soll dazu führen, dass sich die Studierenden besser auf Strafrecht vorbereiten. Sind also in allen 6-Klausuren-Bundesländern die Ergebnisse im Strafrecht auf eine negative Abweichung zu den Ergebnissen in den Bereichen Zivilrecht und öffentliches Recht überprüft worden? Aber Nein. Es wird stattdessen auf

1 Sachsen-Anhalt geschaut, die zwei Strafrechtsklausuren stellen. Hier seien die Ergebnisse im Strafrecht besser als in Schleswig-Holstein.
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät führt hierzu aus: „Augenfällig ist […], dass der Mittelwert der Klausuren in Sachsen-Anhalt sowohl im Zivilrecht also auch im Öffentlichen Recht […] höher ist als in Schleswig-Holstein. Die besseren Klausurergebnisse in Sachsen-Anhalt könnten deshalb auch andere Ursachen haben.“
Ja genau! Es könnte daran liegen, dass sich Schleswig-Holstein durch eine überdurchschnittliche Zahl von sogenannten „Freiversuchen“ auszeichnet. Nicht ganz doppelt so viele sind es wie in Sachsen-Anhalt. Möglicherweise gibt es auch bessere Angebote der Universität. Das wurde aber von unserem Justizministerium gar nicht erst geprüft. Faktenbasiertes Entscheiden geht anders!
Die Fachschaft argumentiert, dass bei einer weiteren Klausur der ohnehin schon hohe psychische Druck noch weiter erhöht würde. Schon jetzt sind die Studierenden an der Grenze der Belastbarkeit.
Das kümmert die Landesregierung aber wenig, im Gegenteil: Die zweite Beschwer: Der klausurfreie Tag nach zwei fünfstündigen Klausurtagen hintereinander soll wegfallen. Das ist brutal! Die juristischen Staatsexamen gelten als die schwersten Prüfungen in Deutschland. Der psychische Druck ist enorm, ebenso wie die physische Belastung. Dies noch weiter zu verschärfen und den Studierenden den Ruhetag zwischen den Klausurblöcken zu streichen, spricht für einen Umgang mit Studierenden, der sich von unserer Vorstellung über humane Studien- und Prüfungsbedingungen fundamental unterscheidet. Wenn Sie schon kein Herz für die Studierenden haben, so haben sie dennoch eine Fürsorgepflicht, Frau Ministerin. Das sollten Sie als Hochschullehrerin eigentlich wissen.
Das Argument des sogenannten Klausurenrings – man stellt Klausuren zeitgleich mit anderen Ländern - verfängt ebenfalls nicht. Erstens kann die synchrone Prüfung ruhetagsfreundlich ausgestaltet werden. Dies muss man allerdings wollen. Zweitens ist der Ring mit zwei anderen Bundesländern recht klein. Drittens müssen Prüfaufgaben ohnehin an landesspezifische Besonderheiten angepasst werden. So betont auch die Rechtswissenschaftliche Fakultät, dass [ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin] „im Zweifel die notwendige Fachkompetenz im Lande zur Verfügung stehen sollte, um zumindest einige der Prüfungsaufgaben selbst zu erstellen“. Das scheint Frau Prof. von der Decken wohl anders zu sehen.
Die dritte Beschwernis: Erweiterung des Prüfungsstoffes.


2 Im Gegensatz zur Landesregierung scheint sich die Fakultät als einzige Instanz vertieft mit den Auswirkungen der Neuregelung des Prüfungsstoffes auseinandergesetzt zu haben. So werde im besonderen Schuldrecht durch die Ausweitung des Prüfungsstoffes im Bürgerlichen Recht genau das Gegenteil einer Begrenzung erreicht. Entsprechendes gilt für das Öffentliche Recht. Vorschläge der Fakultät zur Begrenzung des Prüfungsstoffes blieben unberücksichtigt.
Das Fazit der Fakultät lautet daher [ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin]: „Der Wissenschaftliche Dienst der Rechtswissenschaftlichen Fakultät mahnt bei der Erweiterung des Pflichtstoffkatalogs zur Vorsicht und möchte an die Bestrebungen des Koalitionsvertrags erinnern, eine Überfrachtung an dieser Stelle zu vermeiden.“
Dem ist leider nichts hinzuzufügen.
Die vorliegende Reform ist geprägt durch schwarze Pädagogik, Ignoranz gegenüber sachkundigen Argumenten und ein gewisses Maß an Kaltherzigkeit. Wir fordern die Landesregierung auf, sich für die Belange der Studierenden zu erwärmen und die Reform neu zu denken.
Auf mittelfristige Sicht ist eine große Reform der Juristenausbildung erforderlich. Sicherlich kennt jede Juristin, jeder Jurist Kommilitoninnen oder Kommilitonen, die am Ende des für sie erfolglosen Jurastudiums Ende zwanzig oder Anfang dreißig waren und mit Abiturzeugnis und Führerschein dastanden. Eine Auslese muss früher stattfinden.“



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