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12.10.23
12:30 Uhr
B 90/Grüne

Catharina Nies zur Einrichtung eines Hochrisikomanagements

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 27 – Sachstand zur von der Landesregierung angekündigten Einrichtung eines Hochrisikomanagements Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt die frauenpolitische Sprecherin der Landeshaus Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Catharina Nies: Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 307.23 / 12.10.2023


Schleswig-Holstein braucht ein landesweites Hochrisikomanagement
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleg*innen,
ich danke der SPD für diesen Berichtsantrag, den wir sehr gerne mittragen. Denn die Landesregierung arbeitet gemeinsam mit allen Beteiligten bereits mit Hochdruck an der Umsetzung des Hochrisikomanagements. Der Ministerin danke ich für ihre ausführlichen Darlegungen über den aktuellen Sachstand und den Akteur*innen für ihre Arbeit und ihr Engagement für ein Hochrisikomanagement in Schleswig-Holstein.
Das Thema ist wichtig, aktuell und sehr komplex, deshalb können wir auch in diesem Hause nicht oft genug darüber sprechen. Die Zahlen häuslicher Gewalt steigen und in vielen, in zu vielen Fällen geht es dabei um die Tötung von Frauen und auch ihrer Kinder.
Und immer dann, wenn es vorher Anzeichen für eine akute Gefährdungslage gab, ist es besonders schlimm, weil wir merken, dass unser Präventionssystem noch nicht gut ge- nug greift.
Wenn wir nach einer Tat lesen, dass die Frau sich mehrmals vorher an Polizei, Gericht, Jugendamt oder Frauenfacheinrichtungen gewandt hat und es dennoch erneut zu einem Angriff kommen konnte, dann stellt sich die Frage: warum?
Diese Frage ist berechtigt und notwendig. Warum wurde die Gefährdung vorher nicht gesehen? Hat sich vorher niemand verantwortlich gefühlt? Warum wurden bestehende Schutzmaßnahmen wie Adressenschutz, Kontakt- und Näherungsverbote oder Ord- nungs-Haft nicht eingesetzt? Und wenn sie eingesetzt wurden, warum haben sie nicht zu Seite 1 von 3 dem notwendigen Schutz geführt?
All diese Fragen müssen wir uns nicht nur gefallen lassen. Wir müssen sie auch selbst stellen. Und das tun wir auch. Das tut unsere Polizei und das tun unsere Gerichte.
Und im Grunde sind wir auch hier wieder bei dem Punkt, den wir im Kontext der Istanbul- Konvention so oft betonen: Gewalt ist keine Privatsache. Gewalt geht alle etwas an. Auch eine Arbeitsverwaltung, auch ein sozialpsychiatrischer Dienst, auch ein Jugendamt muss Gefährdungen aufzeigen, wenn sie Anzeichen dafür sehen. Alle Behörden müssen in das Hochrisikomanagement einbezogen werden.
In Schleswig-Holstein wird gerade daran gearbeitet, Systemlücken zu identifizieren, Be- hörden stärker zu sensibilisieren für die Mechanismen häuslicher Gewalt, Verantwortliche Ansprechpersonen in den beteiligten Stellen zu benennen und zu schulen, und die Dinge endlich beim Namen zu nennen. Denn wenn es um Partnerschafts- oder innerfamiliäre Gewalt geht, dann ist das häusliche Gewalt und muss auch so benannt werden.
Das sind nicht bloß „Familienstreitigkeiten“, wenn eine Person eine andere bedroht oder angreift, egal in welchem Setting. Nichts ist gefährlicher, als von „Familienstreitigkeiten“ zu sprechen und dem Täter das Gefühl zu geben, nicht verantwortlich gemacht zu wer- den.
Es verharmlost. Und damit passiert das Gegenteil von dem, was wir brauchen. Nämlich eine realistische Gefährdungseinschätzung. Das Ernstnehmen von Gewalt. Das Ächten von Gewalt.
Schleswig-Holstein braucht ein landesweites Hochrisikomanagement und genau an die- ser Ausweitung wird gearbeitet mit einem Anwendungsleitfaden und über den polizeili- chen Erlass.
Unsere Polizei, Gerichte und Jugendämter brauchen effektive Methoden, um die Gefähr- dung einer Person einschätzen zu können und dafür zu sorgen, dass in einer Gefähr- dungslage effektive Schutzmaßnahmen ergriffen werden.
Das Hochrisikomanagement wie es in Flensburg und Ratzeburg modellhaft aufgebaut wurde, schafft diese Möglichkeiten. Es schafft klar definierte Prozesse, es schafft verant- wortliche Personen in den Behörden und es schafft eine Vernetzung über Fallkonferen- zen, über die einzelne Erkenntnisse gezielt und datenschutzgerecht ausgetauscht wer- den können.
Das brauchen wir in ganz Schleswig-Holstein. Und zwar so schnell wie es geht. Das Ziel sollte sein, im Laufe des Jahres 2024 ein ineinandergreifendes System zu haben. Außer- dem brauchen wir endlich bundesgesetzliche Änderungen, damit häusliche Gewalt in sorge- und umgangsrechtlichen Entscheidungen der Familiengerichte nicht mehr unbe- rücksichtigt bleiben kann.
Und es bedeutet darüber hinaus, dass wir rechtliche Regelungen so anpassen müssen, dass Kontakt- und Näherungsverbote auch effektiv kontrolliert und staatlich durchgesetzt werden können. Erst dann werden Täter*innen sich nicht ermutigt fühlen weiterzuma- chen.
Unser Staat muss konsequenter bei häuslicher Gewalt handeln. Das ist die politische Botschaft, die wir senden müssen. In diesem Hause spüre ich immer wieder eine große
2 Einigkeit in dieser Frage und eine große Bereitschaft, mit vereinten Kräften mehr Schutz und mehr Prävention aufzubauen. Und ich hoffe, dass wir auch in der Frage des Hochri- sikomanagements in Schleswig-Holstein geschlossen und geeint handeln werden. Arbei- ten wir Hand in Hand dafür.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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