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03.11.23
10:55 Uhr
SPD

Thomas Losse-Müller: "Schleswig-Holstein hält zusammen – Dank an Menschen und speziell die Einsatzkräfte" (Rede zu TOP 1: Regierungserklärung zu „Die Folgen der Sturmflut bewältigen und unseren Küstenschutz stärken - Schleswig-Holstein steht zusammen"

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 03. November 2023
Thomas Losse-Müller: Schleswig-Holstein hält zusammen – Dank an Menschen und speziell die Einsatzkräfte TOP 1: Regierungserklärung zu „Die Folgen der Sturmflut bewältigen und unseren Küstenschutz stärken - Schleswig-Holstein steht zusammen.“
„Schleswig-Holstein hält zusammen – Dank an Menschen und speziell die Einsatzkräfte Wir sagen es oft und trotzdem ist es etwas Besonderes, wenn wir es immer wieder erleben. Schleswig-Holstein hält zusammen. Das merken wir eben vor allen Dingen dann, wenn es ernst wird. Und es ist gut, dass man sich in diesen krisenhaften Zeiten immer darauf verlassen kann. Viele von uns haben in den letzten Wochen nach der Flut mit den Verantwortlichen vor Ort gesprochen und immer wieder war das erste was wir hören: Wie gut die Zusammenarbeit mit Feuerwehr, THW - in Arnis auch der Bundeswehr - den Technikern von den Stadtwerken und den Stäben des Katastrophenschutzes war.
Mir hat eine Verantwortliche aus Arnis erzählt, dass gefühlt alle 2 Stunden ein neuer Trupp Feuerwehrleute aus ganz Schleswig-Holstein ins Feuerwehrhaus kam und sagte: So, wir sind da und wissen, was zu tun. Motiviert und abgestimmt. Die Rädchen haben ineinander gegriffen. Oft genug geübt in vielen Stunden ehrenamtlicher Arbeit im Feierabend und am Wochenende. Alles Menschen, die wissen, wie man zupackt, die Entscheidungen treffen und durch-arbeiten. An einigen Stellen bis zur Erschöpfung nach 72 Stunden Dauereinsatz. Die Einsatzkräfte haben - mal wieder - einen großartigen Job gemacht. Danke!
Ich will mich aber auch bei den Menschen bedanken, die nicht vorne an Deichen und den Pumpen standen, sondern in ihren Büros und den Lagezentren saßen.
Vielerorts liefen die Vorbereitungen auf die Sturmflut schon, bevor die meisten Menschen überhaupt auf den Wetterbericht geschaut haben.
Die Sandsackfüllmaschine stand bei uns in Rendsburg-Eckernförde schon in der Kiesgrube, als die meisten Menschen sich darüber Gedanken gemacht haben, was sie am 2. Ferienwochenende

1 machen. Ich habe am Donnerstag nur kurz auf den Wetterbericht geschaut und mir dann vor allem Gedanken darüber gemacht, wo ich noch einen Kürbis fürs Halloweenschnitzen herkriege. Aber an anderer Stelle wurden in den Büros schon die Krisenstäbe eingerichtet. Haben Bürgermeisterinnen mit dem Leiter des Ordnungsamts besprochen, wie es weitergeht, haben Mitarbeiter Wege gesperrt und Schutztore zugezogen. Wurden Katastrophenschutzpläne ausgerollt und geprüft.
Haben Einsatzleiter der Feuerwehr und des THW schon mal vorsorglich Freizeitplanungen zu Hause abgesagt. Haben Hafenmeister ihre Bootsbesitzer angeschrieben und gewarnt und vielleicht doch noch das eine andere Boot gekrant. Und oft genug haben sie alle gehört: „Ach, ist doch nicht so schlimm. Wir kennen Wasser!“
Das ist für mich auch Verantwortung: Wenn jemand in der hauptamtlichen und ehrenamtlichen Politik oder Verwaltung aufsteht und sagt: Ich möchte, dass wir vorbereitet sind. Ich möchte, dass wir das ernst nehmen. Wenn Verantwortliche sagen, was ist, ohne Angst davor, andere aus ihrer Komfort-zone zu holen. Wenn Verantwortliche Entscheidungen treffen, auch wenn sie sich nicht ganz sicher sind, ob das jetzt verwaltungs- und haushaltstechnisch herrschende Verwaltungsmeinung ist. Die nicht erst ihre Zuständigkeit prüfen. Auch auf die Gefahr hin, dass es vielleicht doch nicht so schlimm kommt. Nur diese Bereitschaft zu handeln und auch mal unangenehm zu sein, macht uns resilient und krisenfest. Deshalb geht mein Dank an alle in ehrenamtlicher und hauptamtlicher Politik und Verwaltung, die dazu bereit waren und bereit sind.
Mir haben auch die vielen Bürgerinnen und Bürger imponiert, die einfach vor Ort geholfen haben. Unzählige Nachrichten in Chatgruppen, in denen Hilfe angeboten wurde und Hilfe koordiniert wurde.
Gartenbauer, die ihr Spezialgerät für die Räumung des Strandes zur Verfügung stellen. Menschen mit Schubkarren und Besen. In Arnis waren 210 von 280 Einwohnerinnen und Einwohnern in einer Chat-Gruppe koordiniert. Und die Feuerwehr hat ein ums andere Mal die Versorgung durch Arnis Bürgerinnen und Bürger gelobt. Das zeigt, Gesellschaft funktioniert. Schleswig-Holstein funktioniert. Darauf können wir alle miteinander stolz sein.
All das war herausragend. Und es hat dafür gesorgt, dass die Folgen der Sturmflut gemessen an ihrer Schwere in Grenzen geblieben sind.
Dafür sage ich allen Menschen im Land: herzlichen Dank!



2 Gedenken an Opfer und Betroffene Aber auch die besten Rettungskräfte können nicht jedes Unglück verhindern. Deshalb sind unsere Gedanken heute bei der 33 Jahre alten Frau, die auf Fehmarn ums Leben gekommen ist. Unser Mitgefühl gehört ihrer Familie und ihren Freunden.
Wir müssen uns auch im Angesicht großer Ereignisse immer wieder bewusst machen, dass es um jede und jeden Einzelnen geht. Alle sind wichtig. Jeder Schicksalsschlag braucht unser Mitgefühl und unsere Unterstützung.
Wir denken an die Menschen, die durch das Wasser ihr Haus oder ihren Hausstand verloren haben und noch lange unter den Folgen des Sturms leiden werden.
Ich bin dankbar wir für nachbarschaftliche und freundschaftliche Hilfe, die wir in den vergangenen Wochen in unserem Land gesehen haben. Und auch das Land muss ihnen schnell und unbürokratisch helfen.
Kritik an Katastrophentourismus
Mit dem Gedenken an das Schicksal der jungen Familie auf Fehmarn geht aber auch einher, dass wir die hässliche Seite von Gesellschaft gesehen haben. Es macht mich wirklich betroffen und fassungslos, dass die Bilder des Autos der verstorbenen Frau auf Fehmarn im Netz zu finden waren, noch ehe die Helferinnen und Helfer die Familie über das Unglück informieren konnten. Mitten durch das Chaos des Sturms und den Abwehrkampf gegen die Gewalten des Meeres sind Menschen marschiert, um die besten Videos für ihren Instagram-Account zu machen.
In den Tagen danach wurden Absperrungen ignoriert, Aufräum-arbeiten behindert. Menschen, die alles verloren haben, mussten ertragen, dass Schaulustige durch Fenster und Türen in ihr zerstörtes Heim spähen.
Es ist ja leider kein neues Phänomen. Nicht selten gibt es bei Unfällen mehr Schaulustige als Ersthelfer.
Das gab es schon immer. Aber soziale Medien haben das Problem verschärft. Die Gier nach Klicks und Aufmerksamkeit führt dazu, dass manche Menschen Vernunft und Anstand vergessen. Das muss sich ändern.



3 Ich will diesen Punkt sehr grundsätzlich machen: Wir müssen uns alle gemeinsam fragen, wie wir es dazu kommen lassen konnten. Warum lassen wir es zu, dass überhaupt jemand Leid in Likes verwandeln darf? Wir müssen diese Probleme klar benennen. Das gehört für mich dazu, wenn wir uns für kommende Krisen wappnen wollen. Wenn ich Feuerwehr oder Polizei frage, was wir als Politik - neben optimaler Ausrüstung - noch tun können, dann steht dieser Punkt ganz oben.
Neue Resilienz aufbauen
Herr Ministerpräsident, Sie haben es angesprochen: Bei all diesen Fragen geht es um Resilienz.
Resilienz ist die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen wie Krisen oder Katastrophen ohne dauerhafte Beeinträchtigung zu überstehen. Warum ist Resilienz heute wieder auf der Tagesordnung
Wir leben einfach in einem verdammt harten Jahrhundert. Klimakrise, Pandemie, Krieg in Europa und im Nahen Osten. Schwierige Fragen bei Migration. Teuerung. Politische Polarisierung. Das alles trifft uns hart.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin überzeugt, dass wir das alles gut bewältigen können. Aber es kommt nicht von allein. Deshalb glaube ich, dass wir mehr Resilienz brauchen.
Im Miteinander heißt das: Unterhaken. Aufeinander hören. Acht geben. Es heißt auch, Warnungen und Anweisungen von Einsatzkräften zu akzeptieren. Sich mal zurückzunehmen. Und Empathie für das Leid von anderen zu empfinden und dementsprechend zu handeln. Das ist auch eine Frage des Respekts.
Wir wissen doch: Gemeinsam kommen wir besser durch schwierige Zeiten. Dafür braucht es funktionierende Gemeinschaften. Und die setzen voraus, dass sich alle an Regeln halten. Und wer das nicht tut, der muss bestraft werden.
Der Klimawandel kommt – der Meeresspiegel steigt
Resilienz ist aber auch eine Qualität politischer Führung und politischer Kultur. Sind wir als Politik in der Lage, mit den Krisen umzugehen? Sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen, um Krisen zu bewältigen und zukünftige Krisen abzuwenden?



4 Resilienz ist der Teil von Krisenbewältigung, der stattfindet, wenn die Kameras wieder aus sind. Wenn wir bereit sind, ohne Krise aus der Komfortzone herauszutreten. Es ist eine Frage des Bewusstseins, mit dem wir politisch und strategisch planen und handeln. Deshalb finde ich den Begriff der Jahrhundertflut auch falsch. Ja, es war die höchste Flut seit hundert Jahren, aber wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass wir jetzt wieder hundert Jahre Ruhe haben. Die bittere Wahrheit ist: Das war keine Jahrhundertflut. Vor uns liegt ein Jahrhundert der Fluten. Darauf müssen wir uns vorbereiten.
Die lange Zeit eines DIN A4 Blatts ist 29,7 cm lang. Das war in der Nacht vom 20. Oktober der Unterschied zwischen einem schwarzen Tag für unser Land und einer riesigen Katastrophe. Wäre das Wasser um weitere 30 cm gestiegen, dann wären zusätzliche Deiche gebrochen, noch viel gewaltigere Schäden entstanden und zahlreiche Menschenleben in Gefahr gewesen.
Wir wissen aber jetzt schon, dass der Meeresspiegel in der Ostsee bis Ende des Jahrhunderts um rund 50 cm steigen wird. Es gibt auch Szenarien, die von 70 cm und mehr ausgehen. Das sind dann schon mehr als zwei DIN A4 Blätter. Unser Spielraum für Schwächen im Küstenschutz schrumpft dramatisch. Das anzuerkennen ist auch Resilienz.
Sturmflut als Zäsur für unser Verständnis von Staat
Ich bin überzeugt: Diese Sturmflut muss eine Zäsur sein. Wie unsere Vorfahren, die nach jeder Überschwemmung noch eine Schippe auf den Deich draufgelegt haben, müssen wir die Zeichen der Zeit erkennen. Wir müssen vorausschauend handeln. Resilienz aufbauen.
Herr Ministerpräsident, wir unterstützen die Landesregierung und die kommunalen Landesverbände ausdrücklich bei der Umsetzung des 200 Millionen Programms. Die Menschen in Schleswig-Holstein können sich darauf verlassen, dass die Opposition in Zeiten der Krise an der Seite der Regierung steht.
Ich will Sie deshalb ausdrücklich dazu ermutigen, bei den Hilfen nicht zögerlich zu sein und unbürokratisch zu helfen. Das heisst für uns auch, dass es kleine Soforthilfen für die wenigen Dutzend direkt betroffenen Bürgerinnen und Bürger unseres Landes gibt, damit sie sich schnell eine neue Waschmaschine, Heizung oder Spülmaschine kaufen können. Das muss drin sein.
Und wir wollen sie ermutigen, das Programm nicht zu Lasten anderer Investitionen, sondern durch zusätzliche Mittel zu finanzieren.



5 Wir haben schon oft deutlich gemacht, dass wir uns dringend für die Herausforderungen, mit denen wir in Zukunft rechnen, wappnen müssen. Diese Aufgaben gehen - wie Sie selbst betont haben - deutlich über die kurzfristige Wiederherstellung der Deiche und Schäden hinaus.
Deshalb nehmen wir Ihr Gesprächsangebot in gemeinsamer Verantwortung an und bekräftigen es von unserer Seite.
Wir sind bereit, in die Resilienz unseres Landes zu investieren und alles möglich zu machen, damit Schleswig-Holstein sturmfest wird und wir gemeinsam Land und Leute schützen.
Für uns gilt auch in diesem Fall: Die Lösung muss so groß sein wie das Problem.
Das Land muss seine Aufsicht über den Hochwasserschutz neu aufstellen
Das gilt ganz konkret für den Hochwasserschutz. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Ministerpräsident, dass Sie hier heute den notwendigen Kurswechsel bestätigt haben und ankündigen, da - wo notwendig - die Schutzstandards auch für Deiche, die nicht vom Land unterhalten werden, vorzugeben.
Es ist richtig, dass das Land bereit ist, diese Deiche in Landes-verantwortung zu übernehmen. Und wir hören ja jetzt schon, dass die Träger vieler Regionaldeiche diesen Weg gehen wollen. Kein Wunder. Die notwendigen Maßnahmen über-steigen die finanziellen Möglichkeiten der regionalen Verbünde erheblich.
In Damp schützen etwas mehr als 3 km Regionaldeich das Klinikgelände und die Gemeinde Damp. Das Budget des zuständigen Wasser- und Bodenverbands beläuft sich pro Jahr aber nur auf etwas über 3000 Euro pro Jahr. Das Land muss hier in die Verantwortung gehen.
Aber wir müssen auch aussprechen, dass wir diese Schritte schon vor der Flut hätten gehen müssen. Gemeinsam. Wir alle tragen dafür Verantwortung. Sie regieren zwar jetzt schon recht lang, aber diese Entscheidungen hätten auch schon vorher getroffen werden können.
Das Land ist unabhängig von der Trägerschaft nach § 107 Landeswassergesetz für die Aufsicht über die Deiche zuständig. Unabhängig vom Eigentum und Unterhaltsverantwortung liegt die Gesamtverantwortung beim Land. Und die ist nicht ausreichend wahrgenommen worden.
Herr Goldschmidt hat im Ausschuss selber dargestellt, dass er dieser Aufsicht aufgrund von Personalmangel nicht überall gleichermaßen nachkommen konnten.


6 Im Fall des gebrochenen Deichs von Arnis haben die Küstenschutzbehörden bereits 2016 (!) in Protokollen den unzureichenden Zustand vermerkt. Seitdem ist vor Ort nichts passiert. Sie haben nicht auf die Behebung der Mängel gedrängt. Das hätten Sie aber tun müssen. Vielleicht hätte der Deich dann gehalten.
Herr Goldschmidt, Sie waren selber bei Deichbeschauungen dabei und haben die Mängel gesehen. Im SHZ werden Sie mit der Aussage zitiert: „Dass einige Regionaldeiche offenbar nicht wehrhaft sind, ist beunruhigend und ein Zustand, der so nicht sein kann.
Wir haben an der Ostsee aber mehr Regionaldeiche, die Probleme haben. Regionaldeiche haben grundsätzlich einen geringeren Schutzstandard.
Herr Goldschmidt, das hört sich ein bisschen so an, als wenn Sie glauben, dass die Regionen die von Regionaldeichen geschützt werden müssen, nicht in Ihrer Verantwortung liegen. Das liegen sie aber. Resilienz braucht Verantwortung, jenseits formeller Zuständigkeiten
Die Menschen verlassen sich darauf, dass der zuständige Minister nicht einfach mit Achseln zuckt. Resilienz bedeutet, dass wir auch die die unangenehmen Dinge ansprechen. Das wir aus unserer Komfortzone herauskommen. Gerade wenn die Kameras nicht dabei sind und die Öffentlichkeit nicht zuschaut.
Uns allen hier ist klar, dass wir hier im Kern wieder über Geld reden - das Hin- und Hergeschriebe von Zuständigkeiten und die Frage, ob wann welche Standards formuliert werden, hat zu oft etwas damit zu tun, wer wann was bezahlen muss.
Wenn wir über gemeinsame Verantwortung reden, Herr Ministerpräsident, dann müssen wir dafür sorgen, dass die Ressourcen und die Manpower zur Verfügung stehen, damit die Probleme gelöst werden können.
Verantwortung des Bundes – Zustimmung für den MP
Und, ja Herr Ministerpräsident. Ich stimme Ihnen zu. Der Bund sollte sich an den Kosten der Folgen der Sturmflut beteiligen. In der Krise stehen wir zusammen. Nachbarinnen und Nachbarn, Freundinnen und Freunde. Aber auch als Bundesrepublik Deutschland. Bund, Land und Kommunen sollten gemeinsam helfen. Das erwarten die Menschen. Und sie tun es zurecht. Und deshalb unterstütze ich Ihren Appell an den Kanzler.



7 Herr Ministerpräsident, das ist jetzt unsere gemeinsame Verantwortung. Parteiübergreifend, als Landesregierung und Opposition. Wir müssen beide Küsten auf einen steigenden Meeresspiegel vorbereiten. Das wird viel hundert Millionen kosten.
Wir müssen unsere Städte und Gemeinden auf alle Katastrophen, die der Klimawandel mit sich bringt, vorbereiten.
Das fängt bei der öffentlichen Verwaltung an. Die muss Vorbild sein. Auf dem Markt in Eckernförde ist eine Flutmarke aus dem Jahr 1872 angebracht. Da stand das Wasser auf dem Markt 30 cm hoch. Wenn man die alten Gebäude ansieht, haben alle eine Treppe zum Eingang. Die Menschen wussten, das Wasser kann wieder kommen.
Das Rathaus hingegen hat viele Jahrzehnte später eine automatische Glastür zu ebener Erde bekommen. Das Wasser könnte dort ungehindert hineinlaufen.
Das Beispiel zeigt: Wir haben irgendwann auf der Strecke unsere Wachsamkeit verloren. Unsere Resilienz hat nach-gelassen. Aus denselben Gründen haben wir Sirenen abgebaut, in Überflutungsgebieten Ferienhäuser genehmigt, auf Just-In-Time-Produktion gesetzt und unsere Lieferketten immer weiter differenziert.
Zu viele Fragen haben wir aus der Brille ökonomischer Effizienz betrachtet und durchoptimiert. Das geht so lange gut, bis etwas schief geht. Und dann geht es so richtig schief.
Resilienz bedeutet wachsam zu sein. Für den Notfall zu planen. Redundanzen einzubauen und immer noch ein Ass im Ärmel zu haben. Das muss das Ziel sein. Das ist unsere Aufgabe als Politik. Der Umweltminister hat zusammen mit der UMK gerade festgestellt, dass wir Deutschlandweit 55 Mrd. Euro in die Resilienz unserer Städte investieren müssen. Das würde für Schleswig- Holstein knapp 2 Mrd. bedeuten.
Und wir hier in Schleswig-Holstein tun gut daran, bei steigendem Meeresspiegel nicht nur darüber nachzudenken, wie wir das Wasser draußen halten.
Unser größeres Problem wird sein, wie kriegen wir das Wasser, das von oben reinregnet, wieder raus.



8 Der Landesverband der Wasser- und Bodenverbände hat im Jahr 2017 eine Analyse mit dem Titel: „Weitblick Wasser – Gemeinsam in die Zukunft Schleswig-Holsteins“ vorgelegt, die sich mit der anderen Seite des Themas beschäftigt. Wie kriegen wir das Wasser wieder raus?
Aus dem Bericht geht hervor, dass mehr als 2 Mrd. € in den nächsten Jahren in den Erhalt und Ausbau von Schöpfwerken und anderer Infrastruktur investiert werden muss.
Wir reden über sehr große Investitionen, wenn die Lösung so groß wie das Problem sein soll. Wir können diese Investitionen stemmen. Und die Flut hat klar gemacht, dass wir das auch tun müssen. Für diese Situationen gibt uns die Schuldenbremse alle Möglichkeiten, um angemessen zu handeln.
Apell – Schleswig-Holstein steht in der Krise zusammen
Meine Damen und Herren, Die Aufgaben sind riesig.
Lassen Sie uns diese Aufgaben zusammen bewältigen. So wie die Menschen im Land. Ehrlich, mit offenem Visier und mit der Bereitschaft, unsere Komfortzone zu verlassen.
Resilienz braucht gemeinsame Verantwortung. Dabei hätten Sie uns an Ihrer Seite. Die Menschen in Schleswig-Holstein haken sich unter, wenn es ernst wird. Sie haben verdient, dass ihnen dann auch die gesamte Landespolitik den Rücken stärkt.“



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