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24.11.23
11:28 Uhr
B 90/Grüne

Malte Krüger zur Bildungsoffensive gegen Antisemitismus

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 46 – 10-Punkte-Plan für jüdisches Leben – Bildungsoffensive gegen Antisemitismus in Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt der bildungspolitische Sprecher der Landeshaus Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Malte Krüger: Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 358.23 / 24.11.2023


Wir müssen uns dem Antisemitismus entgegenstellen Sehr geehrte Frau Präsidentin,
der 7. Oktober hat sich tief in unser Gedächtnis eingebrannt. Die furchtbaren Taten der Terrororganisation Hamas werden wir niemals vergessen. Nach dem Schock, der sich weltweit verbreitete, kommt es bei uns in Deutschland und in vielen Ländern zu einem enormen Anstieg antisemitischer Straftaten. In der öffentlichen Debatte wurden Sachen vermischt, die nicht miteinander vermischt werden sollten. Das ist genauso schockierend.
Wir haben hier in diesem Haus bereits im Oktober viele gute Reden aller Fraktionen zu den Taten und Ereignissen des 7. Oktober gehört und ich bin froh, dass wir in diesem Haus mit einer klaren Haltung und geeint in der Sache stehen. Ich verstehe den Antrag, den wir hier heute einbringen, auch als eine Fortsetzung der Debatte aus dem Oktober mit konkreten Maßnahmen gegen Antisemitismus bei uns in Schleswig-Holstein.
Und ich sage daher zu Beginn meiner Rede: Das Existenzrecht Israels ist unumstößlich und die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson.
Und gerade weil das unser Grundsatz ist, muss uns das, was in den letzten Wochen auf deutschen und europäischen Straßen passiert ist, schockieren – diese Taten müssen uns wachrütteln und wir müssen unsere Anstrengungen im Kampf gegen Antisemitismus fort- führen mit wirksamen und unmissverständlichen Maßnahmen.
Es ist erschütternd, dass viele Jüd*innen sich nicht mehr trauen, den Davidstern oder die Kippa zu tragen. Das macht betroffen und das ist nicht tolerierbar. Bei der sehr guten Veranstaltung des Beauftragten für jüdischen Lebens und dem Bildungsministerium stand gestern auf einer Säule ein Zitat eines Juden oder einer Jüdin. Dort stand: „Dieses antisemitische Grundrauschen in der Gesellschaft führt dazu, dass es für uns Juden
Seite 1 von 3 schwer ist, ein normales Leben zu führen.“ Und dass Juden und Jüdinnen in Deutschland so etwas sagen, dürfen wir als Politiker*innen, Abgeordnete, Bürger*innen nicht unbeant- wortet lassen.
Dabei rufen wir den Satz: „Wehret den Anfängen“ nicht erst seit dem 7. Oktober. Wir sagen diesen Satz seit Jahrzehnten und wir müssen uns eingestehen, dass der Satz allein wenig bewirkt.
Sorgen bereitet mir auch der Antisemitismus bei linken Aktivist*innen. Es ist eine Unver- schämtheit, dass Fridays for Future International den Namen Israels nicht ausschreibt, es ist hochproblematisch, dass Greta Thunberg ein Foto mit einem Kraken postet und später schreibt, sie hätte nichts von der mindestens hundertjährigen Geschichte dieses Symbols gewusst. Es gibt unfassbar viele Linke, die von einem Genozid Israels an Pa- lästina sprechen, was einen sprachlos macht, weil es eine so krasse Verharmlosung der Shoah ist. Die Argumentation mit Anti-Kolonialismus ist einfach verdammt plump. Res- pekt dagegen habe ich für die deutsche Sparte von Fridays for Future, die sich scharf davon abgrenzen und sich aktiv gegen Antisemitismus einsetzen.
Ja, auch wir haben Mitgefühl mit den Menschen in Gaza. Es sind verstörende Bilder, die wir von dort sehen. Das Mitgefühl mit den Menschen, den Kindern und Jugendlichen in Gaza darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir ein Ausmaß an Antisemitismus erle- ben, welches uns schockiert, wobei wir wissen, dass Antisemitismus in Deutschland nie- mals weg war. Ich kenne selbst das angeblich lustige antisemitische Geschwafel aus dem Handballtraining und der Schule. Da wurden permanent „Witze“ gemacht. Wir alle kennen vermutlich solche Situationen. Diesem Antisemitismus, den wir schon lange in unserer Gesellschaft haben, dem müssen wir uns entgegenstellen und dürfen ihn in keiner seiner Gestalten tolerieren. Aber wie? Antisemitismus ist keine Krankheit gegen die man sich impfen kann. Antisemitismus beginnt in den Köpfen von Menschen. Es sind Erzählungen, die sich verbreiten, die dann aufgeschnappt werden und die sich festsetzen können, wenn man sich nicht gegen diese wappnet. Darum geht es unter anderem in unserem Antrag. Wir wollen durch mehr und verbesserte Bildung Menschen dazu befähigen, dass sie antisemitische Narrative erkennen, diese einordnen und sich dann auch gegen diese Erzählungen wehren können.
Dafür haben wir zehn Maßnahmen in unserem Antrag benannt. Dabei geht es insbeson- dere darum, den Einsatz gegen Antisemitismus, Rassismus und gruppenbezogene Men- schenfeindlichkeit in Schulen stärker zu verankern. Außerdem soll das Wissen über An- tisemitismus, die Geschichte des Staates Israel und den Nahostkonflikt stärker in Schulen behandelt werden. Wissen hilft, der Verbreitung von Antisemitismus vorzubeugen. Des- wegen sind das wichtige Punkte. Empathiebildung an den Schulen ist ein wichtiges Thema, welches wir stärker im Fokus haben sollten. Empathie kann nicht verordnet wer- den, aber es kann eben geholfen werden, damit Empathie gebildet wird.
Das Bildungsministerium hat direkt nach dem 7. Oktober reagiert und das IQSH hat Ma- terialien zu den Themen bereitgestellt. Das war genau richtig. Nun muss es darum gehen, dieses Material weiter auszubauen und Prävention und Intervention gegenüber Antise- mitismus auch im Lehramtsstudium zu verankern.
Das ist nur ein Überblick über den 10-Punkte-Plan, mein Vorredner hat schon einige an- dere Punkte erwähnt. Lobend möchte ich noch den runden Tisch „Shalom & Moin“ er- wähnen, welcher sich eben auch mit jüdischem Leben in Schleswig-Holstein befasst. Es ist eine wichtige Aufgabe, die jüdische Kultur in Schleswig-Holstein sichtbar zu machen. Wir haben viele kulturelle jüdische Orte, wie zum Beispiel in Glückstadt, wo bei der
Seite 2 von 3 Stadtgründung Religionsfreiheit versprochen wurde und es daher einen jüdischen Fried- hof gibt, dessen Grabsteine erhalten sind. Auch das ist nur der Fall, weil dieser ge- schichtsträchtige Ort wiederholt gegen verachtenswerte Schändungen verteidigt wurde.
Danken möchte ich noch dem Landesbeauftragten für politische Bildung, Christian Meyer-Heidemann, und seinem Team für die gute Arbeit gegen Antisemitismus. Auch dem Beauftragten für jüdisches Leben, Dr. Gerhard Ulrich, möchte ich für sein Engage- ment danken.
Danke auch an Jette Waldinger-Thiering, Lars Harms, Christopher Vogt, Martin Haber- saat und Martin Balasus und allen, die zusammengearbeitet haben, damit dieser Antrag interfraktionell eingereicht werden konnte. Ich stehe hinter allen 10 Punkten, die wir dort benennen. Aber es ist auch klar, dass es die Aufgabe der gesamten Gesellschaft ist, sich jeden Tag aufs Neue gegen Antisemitismus zu stellen. Das ist mir eine echte Herzens- angelegenheit.
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