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24.01.24
15:40 Uhr
SPD

Birte Pauls zu Top 52: Jeder Suizid ist einer zu viel

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 24. Januar 2024
Birte Pauls Jeder Suizid ist einer zu viel TOP 52: Bericht zu Suiziden und zur Suizidprävention in Schleswig-Holstein (Drs. 20/1070, 20/1771)
„Vielen Dank an die Landesregierung und die Abteilung für den Bericht. Wie verzweifelt, gekränkt, einsam, krank und perspektivlos muss sich ein Mensch fühlen, um den Tod als einzigen Ausweg für sich zu sehen. Oder traumatisiert, wie im Falle des dritten Opfers von Brokstedt, die Frau die sich später das Leben nahm.
Auch wenn die Sterberate durch Suizide seit 1998 um knapp 33% rückläufig ist, ist jeder Suizid einer zu viel. Die Suizidrate in S-H liegt bei 11,2 Suizide berechnet auf 100.000 Menschen. Statistische Zahlen in diesem Zusammenhang sind schwierig, weil sich hinter jeder Zahl ein Mensch mit seinem Schicksal verbirgt.
Die Frage, die sich An- und Zugehörige oft stellen, ist: Was haben wir übersehen? Hätten wir das verhindern können? Und die Frage nach dem „Warum?“ lässt die Betroffenen oft mit zusätzlichen Schuldgefühlen zu ihrer Trauer zurück. In Schleswig-Holstein leben zwar die glücklichsten Menschen Deutschlands, aber in der Todesursachen -und Kriminalstatistik spiegelt sich das in Bezug auf Suizide im Ländervergleich leider nicht wider.
Wenn Kinder und Jugendliche sich das Leben nehmen, sie keinen anderen Ausweg sehen, dann ist es ein kollektives Versagen des gesamten Systems, das sie eigentlich beschützen und ihnen den Weg in die Zukunft bahnen sollte. Kinder und Jugendliche müssen ein Grundvertrauen haben dürfen, sie müssen sicher sein können, dass es Menschen um sie herum gibt, die sie unterstützen und die ihnen in einer Krise helfen.
Das fängt natürlich in der Familie an, geht über Kita, Schule, Freizeit. Haben wir alle die Augen auf, wenn es um die psychische Gesundheit unserer Kinder geht? Stichwort Mobbing. Und vor allem greifen die vorhandenen Angebote, wie z.B. die Nummer gegen Kummer? Sind diese für Kinder in seelischer Not erkennbar? Denn nicht immer ist es das Zuhause, auf das sie sich verlassen können. Der Bericht zeigt auf, dass sich ein besonderer Handlungsbedarf gegenüber Mädchen und jungen Frauen ergibt.


1 Je höher das Alter, desto höher die Zahlen, bei Männern noch höher als bei den Frauen. Im mittleren Alter können sich veränderte Lebensumstände zu einer Ausweglosigkeit und Depression führen. Das Ende einer Beziehung, Schulden, das Scheitern im Beruf. Alles Situationen in denen wir mit einer gesunden Fehlerkultur eigentlich umgehen können müssten. Aber oft ist der eigene, aber besonders auch der gesellschaftliche Anspruch höher, als der Pragmatismus mit belastenden Situationen umzugehen. Depressionen sind immer noch ein Tabuthema, besonders in gesellschaftlichen Hochglanzschichten. Da dürfen wir alle miteinander besser auf uns aufpassen und toleranter sein.
Die höchste Suizidrate finden wir im Alter. Die oft genannte Begründung ist eigentlich ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft. Angst vor einem Krankheitsverlauf, vor Schmerzen, vor Pflegebedürftigkeit, den Kindern nicht zur Last fallen wollen, Armut und Einsamkeit. Altersdepressionen werden oft nicht wahrgenommen und behandelt. Schauen wir auf die Möglichkeiten der Hilfe. Das Angebot von Psychotherapeuten und ärztlichen Psychotherapeuten ist zwar gestiegen, bleibt aber hinter dem Bedarf zurück und ist im Verhältnis zur Bundesebene in Schleswig-Holstein zu gering.
Welche Konsequenzen die Landesregierung aus dieser Feststellung im Bericht zieht, bleibt ihr Geheimnis. Auch deshalb hat die SPD-Fraktion einen regelmäßigen Bericht über die Entwicklung der Gesundheitsberufe eingefordert.
Besonders klafft die Erreichbarkeit zwischen Privat und Kassenpatienten auseinander. Das steht zwar nicht im Bericht, das zeigen aber aller Erfahrungswerte. Die durchschnittliche Wartezeit zwischen Erstgespräch und Therapiebeginn beträgt 142,4 Tage. Viel zu lange, wenn die gefühlte Ausweglosigkeit Raum greift. Aber wie lange man überhaupt auf ein Erstgespräch warten muss, ist dem Bericht nicht zu entnehmen.
Es braucht niedrigschwellige Beratungsangebote und eine umfängliche soziale Infrastruktur. Wir brauchen dem fachlichen Bedarf angepasste Personalschlüssel in Kita und Schule, multiprofessionelle Teams in Schulen und Freizeitangeboten. Wir brauchen eine Kultur des Umganges, die Momentaufnahmen eines möglichen Scheiterns als Chance begreift und eine größere Toleranz im Umgang mit psychischen Erkrankungen. Wir brauchen eine zugehende und aufsuchende Sozialarbeit in den Quartieren durch unser neues Modell der Gemeindeschwester.
Die Palliativmedizin und die Hospizangebote können Menschen selbstbestimmt, schmerzfrei und würdevoll bis zum Lebensende begleiten. Diese Angebote müssen verstärkt und mehr bekannt gemacht werden.
Das Bundesfamilienministerium hat gerade ein neues Programm mit dem Titel „Zusammenhalt stärken und Menschen verbinden“ auf den Weg gebracht, das Einsamkeit verhindern soll. Die Einsamkeit ist eine schlimme Erfahrung, die sich durch alle Altersgruppen zieht. Wir haben es gerade letzte Woche im Corona-Symposium wieder gehört.

2 Aber welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus dem vorliegenden Bericht und aus dem Corona-Symposium? Hält die Landesregierung die stationären und ambulanten Angebote und die vorhandene soziale Infrastruktur wirklich für ausreichend? Anscheinend. Denn ihr Haushaltsentwurf zeigt, außer der von uns begrüßten Aufstockung des Vereines „Lichtblick“ in Flensburg keinerlei Antworten auf die drängenden sozialen Probleme auf. Ein Panel des Symposiums hieß Kita und Pflege und die zuständige Sozialministerin Touré glänzte erneut durch Abwesenheit.
Die Sozialpolitik spielt in dieser Landesregierung weiterhin keine Rolle.“



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