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24.01.24
15:48 Uhr
SPD

Martin Habersaat zu TOP 23: Welche von unseren Fähigkeiten hätten wir noch, wenn wir sie auf Koreanisch beweisen müssten?

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 24. Januar 2024
Martin Habersaat Welche von unseren Fähigkeiten hätten wir noch, wenn wir sie auf Koreanisch beweisen müssten? TOP 23: DaZ braucht gute Konzepte statt schwarz-grüner Einsparungen (Drs. 20/1777)
„Wer diesen Landtag angehört, hat ein gewisses sprachliches Talent bewiesen. Wer hier sitzt, hat auf einer Nominierungsveranstaltung und / oder auf einem Parteitag eine überzeugende Rede gehalten. Wer hier sitzt, kann Gesetzentwürfe und andere Vorlagen lesen und anderen davon berichten, vielleicht eine Pressemitteilung verfassen. Wer hier sitzt, kann Anträge schreiben, mit denen Schwächen der Landesregierung scharf verurteilt oder die kleinste ministerielle Regung auf das entschiedenste begrüßt werden. Jede und jeder von uns kann das.
Und nun stellen wir uns vor, wir müssten, aus welchem Grund auch immer, nach Südkorea ziehen. Welche von unseren Fähigkeiten hätten wir noch, wenn wir sie auf Koreanisch beweisen müssten? Wie erginge es unseren Kindern, die sich plötzlich in einer anderen Sprache, einem anderen Kulturkreis zurechtfinden müssten? Und wie würden wir reagieren, wenn die Möglichkeiten unserer Kinder durch Beschlüsse der koreanischen Regierung verschlechtert würden? Vermutlich gehemmt, weil wir ja kein koreanisch können und uns auch nicht sicher sind, wie willkommen wir mit diesem Defizit in einer stark leistungsorientierten Gesellschaft sind. Sprache ist der Schlüssel. Oder, wie es die Landesregierung in ihrem Integrationsbericht schreibt: Sprachkompetenz ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Persönlichkeitsentwicklung, den schulischen und beruflichen Erfolg sowie die gesellschaftliche Integration. Deshalb ist es so wichtig, dass Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache in Schulen aller Schularten im Rahmen einer durchgängigen Sprachbildung so gefördert werden, dass sie erfolgreich am Unterricht teilnehmen können und lernen, die deutsche Sprache in Wort und Schrift zu beherrschen. So wichtig, dass dieser Satz sogar Erlass-Lage ist.
Die IQB-Studien verfolgen, wie die von der Kultusministerkonferenz gesetzten Standards in den Ländern erreicht werden. Zuletzt in Schleswig-Holstein nicht gut. Schüler*innen aus zugewanderten Familien erreichen in allen Kompetenzbereichen im Durchschnitt signifikant geringere Kompetenzen als Schüler*innen ohne Zuwanderungshintergrund. Während sich im Kompetenzbereich Lesen der Abstand zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund in Schleswig-Holstein zwischen 2009 und 2015 verringert hatte, verschlechterten sich Kinder mit Migrationshintergrund von 2015-2022 besonders stark. Auch in anderen Bereichen.
1 Es läuft nicht gut im DaZ-Bereich. Deshalb könnte ich verstehen, wenn man hier die Ansätze überprüft und evidenzbasiert nach besseren Lösungen suchen will.
Nicht verstehen kann ich, warum hier konzeptlos gestrichen werden soll. Die durchschnittliche Klassengröße im Grundschulbereich liegt in Schleswig-Holstein bei 21,4 Schülerinnen und Schülern. Eine DaZ-Klasse nur um durchschnittlich 3,4 Schüler*innen weniger stark zu füllen, wird den besonderen Aufgaben in diesen Klassen nicht gerecht.
Damit alle wissen, wovon wir reden: In so einer Klasse sitzt ein polnisches Akademikerkind, das nachmittags zum Klavierunterricht und zum Hockey geht, möglicherweise neben traumatisierten Kriegsflüchtlingen und Kindern, die zum ersten Mal in ihrem Leben eine Schule besuchen.
Es gibt einen zweiten wichtigen Punkt: Eine Sprache lernt, wer sie spricht. Wer sie sprechen muss. Das kann zum einen im Unterricht erreicht werden, bei Kindern und Jugendlichen aber auch besonders gut außerhalb des Unterrichts, beim Spielen oder in der Freizeit. Deshalb ist es nicht nur für die Integration und das Kennenlernen des deutschen Schulalltags, sondern auch für das Lernen der deutschen Sprache wichtig, dass Kinder aus DaZ-Klassen mit denen aus dem Rest der Schule in Kontakt kommen. Das geht aber nur, wenn der DaZ-Unterricht nicht räumlich getrennt vom restlichen Schulbetrieb stattfindet. Und wenn es in den Pausen und bei Schulveranstaltungen Kontakte gibt. Gar nicht geht es, wenn die „DaZ“-Kinder nach der vierten Stunde nach Hause geschickt und sich für den Rest des Tages selbst überlassen werden.
Es ist leicht, bei Menschen zu sparen, die nicht das sprachliche Vermögen haben, sich richtig zu wehren und die nicht einmal Traktoren haben, mit denen sie Autobahnzufahrten blockieren könnten.
Meine Bitte ist: Machen Sie es sich nicht leicht. Setzen Sie sich einmal in so eine DaZ-Klasse, bevor Sie entscheiden. Ein altes koreanisches Sprichwort sagt: „Es ist besser, es einmal zu versuchen, als tausendmal zu hören.“



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