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21.02.24
11:17 Uhr
SPD

Sophia Schiebe zu den TOP's 18+21: Die Kita-Krise wird immer schlimmer

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 21. Februar 2024
Sophia Schiebe Die Kita-Krise wird immer schlimmer TOP 18+21: Bericht zur Evaluation des Kindertagesförderungsgesetzes (Drs. 20/1865, 20/1868)
„Bei uns gab es in diesem Jahr noch keine Woche ohne Betreuungsausfall. Gerade erfahren, dass die Gruppe meines Sohnes nächste Woche wieder einen Tag zu Hause bleiben muss. Es ist wirklich frustrierend und man ist fast schon froh, wenn man wenigstens ein paar Tage Vorlauf hat, um alle Termine umzuplanen, aber es ist echt zermürbend. Auch für die Kinder gibt es keine Kontinuität.“
Im Zusammenhang mit solchen Aussagen fällt in den vergangenen Wochen immer wieder ein Begriff: Verlässlichkeit. Wir wissen, dass verlässliche Kontinuität in Kitas entscheidend ist für das Wohlergehen und die Entwicklung unserer Kinder sowie für die Zufriedenheit der Eltern. Dies bedeutet, dass die Kita dauerhaft eine stabile und beständige Umgebung bietet, in der Kinder sich sicher fühlen und Vertrauen aufbauen können. Kontinuität im Personal ermöglicht es den Kindern, enge Bindungen zu ihren Betreuer*innen aufzubauen und sich wohl zu fühlen. Dies schafft ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, was für die emotionale Entwicklung der Kinder von entscheidender Bedeutung ist.
Doch die Ergebnisse der Kita-Evaluation zeigen, dass diese Verlässlichkeit aktuell nicht gegeben ist. Allein über 15.000 Kinder in Schleswig-Holstein warten derzeitig auf einen Kita-Platz. Wenn die Familien dann einen der heiß begehrten Betreuungsplätze ergattert haben, stehen sie meistens vor Herausforderungen wie in meinem Zitat beschrieben. Kitas sind über mehrere Tage zu, Kinder müssen früher abgeholt oder es müssen Gruppen zusammengelegt werden. Das ist nicht nur fatal für die Entwicklung unserer Kinder, sondern stellt die Familie im Ganzen vor emotionalen, organisatorischen und finanziellen Herausforderungen.
Was jetzt nicht passieren darf, ist, dass aufgrund von finanziellen Lücken Träger vor der Entscheidung stehen, Kitas schließen zu müssen, weil schlicht und ergreifend die Finanzierung nicht ausreicht. Jeder einzelne Kita-Platz der auf die bereits fehlenden 15.000 kommt, wäre eine Katastrophe. Bereits jetzt melden sich vermehrt Kitas beispielsweise bei den Trägern der LAG der Wohlfahrtsverbände, die vor der Frage stehen, ob sie ihre Einrichtung noch länger aufrechterhalten können oder in absehbarer Zeit schließen müssen. Daher bereite die LAG bereits jetzt konkrete Informationsangebote vor, um diesen Einrichtungen auch im Falle einer


1 nicht mehr abwendbaren Insolvenz beratend zur Seite zu stehen. Was für ein fatales Signal, liebe Kolleg*innen. Es muss mehr Geld ins System und zwar sofort.
Und auch die Kommunen fühlen sich finanziell überfordert. Die veranschlagten Mittel in dem Standard-Qualität-Kosten-Modell sind nicht auskömmlich. Es fehlen in dem sogenannten SQKM beispielsweise bei den Personalkosten das Weihnachtsgeld, Arbeitgeberanteile für die Zusatzversorgung oder leistungsorientierte Bezahlungen. Zudem bedarf es erhöhte Aufwendungen für die Einstellung von Erzieher*innen statt sozialpädagogischer Assistenzen als weitere Kräfte in den Gruppen mit mehr als einer Gruppe, da der Fachkräftemarkt kaum noch sozialpädagogische Assistenzen hergibt.
Bei den Gemeinkosten, den Sachkosten und den Raumkosten fehlt darüber hinaus jeweils an einer fundierten Herleitung der Fördersätze und eine dynamische Berücksichtigung von steigenden Kosten aufgrund von Inflationen oder Ähnlichem.
Doch nicht nur die Kosten bringen die Verlässlichkeit unserer Kitas ins Wanken. Uns fehlen Fachkräfte. Wir brauchen jetzt dringend eine echte Fachkräfteinitiative. Ein Monitoring würde uns Aufschluss darüber geben, wie viele Fachkräfte im Land überhaupt fehlen und wie viele Lehrkräfte wir brauchen, um unsere angehenden sozialpädagogischen Assistent*innen und Erzieher*innen überhaupt auszubilden. Nachrichten über PIA-Klassen, die nicht starten können, weil Lehrkräfte fehlen, dürfen nicht mehr Teil unseres Pressespiegels werden. Zudem muss die Ausbildung endlich vergütet und der Quereinstieg in die Erzieher*innenausbildung muss auf eine fundierte Basis gestellt werden. Auch die Möglichkeit von Teilzeitausbildungen müssen auf den Weg gebracht werden. Einige Eltern sind schon auf mich zugekommen und haben mir berichtet, dass sie gerne die pädagogische Ausbildung angehen würde, sie aber aufgrund der familiären Belastung nicht in Vollzeit schaffen würden.
Ein Viertel unserer pädagogischen Fachkräfte verlassen bereits nach 5 Jahren wieder unsere Kitas. Häufig aus Überforderung und weil sie sich alleine gelassen fühlen. Helfende Hände gibt es nur, wenn der Fachkraft-Kind-Schlüssel abgesenkt ist. Wenn dann brauchen wir aber für alle Kitas helfende Hände. Und zwar Helfende Hände, die wir nicht alleine lassen und zumindest in den Bereichen Kinderechte und Kinderschutz fortbilden, damit sie sich im Alltag sicherer fühlen und unsere Kinder weiterhin gut aufgehoben sind. Wir müssen auch dafür sorgen, dass die Zeit, in der die Helfenden Hände in unseren Kitas tätig sind, zumindest teilweise anrechenbar sind. Nur mit einem vereinfachten Einstieg schaffen wir langfristig einen Anreiz, dass aus Helfenden Händen hoffentlich irgendwann mal Fachkräfte werden.
Viele Fachkräfte erhoffen sich, dass mit der Evaluation des Kindertagesstätten-Gesetzes endlich Anpassungen erfolgen, die die ihren Alltag endlich entlasten würden: mehr Verfügungszeit zur Vor- und Nachbereitung des Kita-Alltages oder für Elterngespräche, Anrechnung von Hauswirtschaftspersonen im Standard-Qualitätskosten-Modell oder mehr Ausfalltage.



2 Zudem muss die Bürokratie abgebaut und nicht aufgebaut werden. Der Paragraph 35, also die Möglichkeit an Rückförderungen beispielsweise aufgrund der Nichteinhaltung des Betreuungsschlüssels, blieb trotz mehrerer dringlichen Hinweise, seitens der Kitaträger mit ein paar Ausnahmen bestehen. Die Kitaleitungen dürfen also weiterhin fleißig Listen ausfüllen, anstelle sich mit Konzeptionen und der Führung ihrer Mitarbeiter*innen auseinanderzusetzen. Darüber hinaus haben die regierungstragenden Fraktionen im letzten Jahr veranlasst, dass die Kitas noch weitere Berichte verfassen dürfen und dem Sozialministerium vorlegen müssen. Eine Minimierung der Arbeitsbelastung sieht deutlich anders aus.
Die Kindertagespflege ist ein wichtiger Bestandteil frühkindlicher Bildung und sie hat derzeitig die Aufgabe, die fehlenden Kitaplätze in unserem Land zu kompensieren. Die rasant gestiegenen Kosten in vielen Bereichen stellen für die Kindertagespflegepersonen aber eine enorme finanzielle Belastung dar. Die Kindertagespflegepersonen berichten, dass im Vergleich zu den Vorjahren Mehrkosten von bis zu 500 Euro mehr im Monat anfallen. Grund für die gestiegenen Kosten der vergangenen Jahre und Monate sind die Kosten für Heizung, Lebensmittel und für die Miete. Das Land hatte im vergangenen Jahr wegen der steigenden Preise dem Tagespflegepersonal einen Sachkostenzuschuss von acht Cent pro Kind und Stunde bewilligt. Dieser Zuschuss ist allerdings ausgelaufen. Es braucht also auch hier eine reale Erhöhung, damit Kindertagespflegepersonen ihren Beruf nicht verlassen. Den Verlust von weiteren Kindertagespflegepersonen können wir uns angesichts der vielen noch fehlenden Betreuungsplätze nicht leisten. Und hört man den Landesverbänden der Kindertagespflege zu, gibt es aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen eine hohe Fluktuation. Dies kann nicht im Sinne der Entwicklung unserer Kinder sein, denn sie brauchen eine verlässliche Bindung zu ihren Betreuer*innen.
Und was machen unsere Eltern eigentlich, wenn die Verlässlichkeit nicht gegeben ist? Sie versuchen Freund*innen und Familie einzuspannen, arbeiten nachts, um die fehlende Arbeit nachzuholen oder sind gezwungen in Teilzeit arbeiten zu gehen oder ihren Job komplett verlassen zu müssen. Die Landesregierung wollte mal das familienfreundlichste Land werden. Ich glaube, so ein Land sieht anders aus.
Und was bedeutet dies für unsere Volkswirtschaft und Wirtschaft? Jedes Elternteil, was aufgrund der unzuverlässigen Betreuung in den Kitas gezwungen ist, seine oder ihren Stunden zu reduzieren, fehlt uns an anderen wichtigen Stellen. Sie fehlen uns in den Schulen, der Verwaltung, im Gesundheitssektor und in der Wirtschaft. Und für die Eltern bedeutet in Teilzeit zu arbeiten oder ihren Job aufzugeben vor allem auch eins: weniger Geld im Portemonnaie. Zudem kommen steigende Kosten durch die Inflation. Wenn jetzt noch der Beitragsdeckel für die Kitas angehoben werden, wäre das der Supergau. Wir müssen uns dann nicht mehr wundern, wenn aufgrund solcher Vorzeichen, die Geburtenrate in Deutschland nicht weiter ansteigt.
Es muss jetzt mehr Geld ins System. Die Finanzierungslücke im dreistelligen Millionenbereich darf nicht zulasten der Eltern geschlossen werden. Auch negative Konsequenzen für die Qualität in den Einrichtungen dürfen damit nicht einhergehen. Wer jetzt bei der Betreuung unserer Kinder

3 spart, spart an der falschen Stelle. Wir erwarten in der Nachschiebeliste ein deutliches Signal in dieser Richtung und Änderungen in Kindertagesstätten, die das Kitasystem endlich stärken. Liebe Landesregierung, Sie sind es den Kommunen, den Kitas und unseren Familien schuldig.“



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