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23.02.24
10:18 Uhr
Landtag

Ansprache der Landtagspräsidentin zum zweiten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine

Nr. 16 / 23. Februar 2024


Ansprache der Landtagspräsidentin zum zweiten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine

Landtagspräsidentin Kristina Herbst hat heute (Freitag) in einer Ansprache an den zweiten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine erinnert.
Hier die Rede im Wortlaut (es gilt das gesprochene Wort):


„Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor fast genau zwei Jahren, am 24. Februar 2022, überfielen russische Truppen auf Befehl des Präsidenten Putin die Ukraine.
Auch wenn die mediale Aufmerksamkeit zurzeit etwas nachlässt, müssen wir feststellen: Jeden Tag sterben Soldaten und Zivilisten, Alte und Kinder, jeden Tag erfolgen Angriffe auf ukrainisches Territorium, jeder Tag ist ein weiterer Tag der völkerrechtswidrigen Besetzung, jeden Tag werden Verbrechen begangen, jeden Tag werden Kinder nach Russland verschleppt und ihren Familien in der Ukraine vorenthalten.
Dieser ungeheuerliche Bruch aller bis dahin gültigen völkerrechtlichen Regeln und Verträge hat unsere Weltordnung, wie sie seit Ende des „Kalten Krieges“ bestand, grundlegend erschüttert.
Vermeintliche Gewissheiten, wie das Vertrauen auf die Gültigkeit von Verträgen und das Vertrauen darauf, dass Verhandlungen und Gespräche die Mittel zur Konfliktlösung sind, gingen damit schlagartig verloren. Liebe Kolleginnen und Kollegen,
über die Ostsee gibt es eine direkte Verbindung zu Russland, aber auch zu den mit uns verbündeten, und bereits mehrfach von Putin direkt bedrohten Ländern des Baltikums sowie Finnland und Schweden.
Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas hat vor einigen Tagen noch einmal eindringlich davor gewarnt, - ich zitiere - „was sich derzeit in den Weiten Russlands zusammenbraut“.
Wir haben die Warnungen unserer Freunde und Nachbarn im Osten viele Jahre nicht geglaubt.
In Russland selbst wurde jede Form der Opposition und des Widerstandes brutal niedergeschlagen. Der Tod von Alexej Nawalnyi und die Weigerung, diesen aufzuklären, aber auch die Ermordung eines russischen Überläufers in Spanien – mutmaßlich durch den russischen Geheimdienst – zeigen das erschreckende Ausmaß der Skrupellosigkeit und Brutalität des Putin- Regimes.
Das ist die Situation, in der wir uns gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarländern zwei Jahre nach Ausbruch des Kriegs befinden.
Eine Situation, die uns zum Handeln aufruft. Und eine Situation, die uns Europäerinnen und Europäer dazu bringen muss, noch stärker – und vor allem noch rascher – als bisher gemeinsam außen- und sicherheitspolitisch aktiv zu werden.
Viele – mitunter recht martialische – Begriffe werden für diesen notwendigen Schritt in der Öffentlichkeit zurzeit verwendet, die ich hier nicht verwenden möchte.
Vor allem deshalb nicht, weil sie den entscheidenden Punkt nicht treffen.
Wir bereiten uns nicht auf einen Krieg vor, sondern wir müssen den Freiheitskampf der Ukraine und die Bedrohung unserer Nachbarstaaten als Aufruf verstehen, für unsere Werte und Überzeugungen einzustehen und das mit allem Nachdruck.
Wir dürfen die Ukraine nicht halbherzig unterstützen, denn die Menschen dort verdienen unsere ganze Aufmerksamkeit und unsere uneingeschränkte Hilfe und Unterstützung.
Und wir dürfen unsere Verteidigungsfähigkeit nicht länger als zweitrangige Frage erachten, sondern wir müssen der Realität ins Auge blicken und uns um unsere Freiheit und unsere Demokratie willen in die Lage versetzen, einer Aggression entschieden und erfolgreich entgegentreten zu können.
Dazu gehört eine Stärkung unserer Bundeswehr sowie eine Stärkung der militärischen Zusammenarbeit in der EU und der NATO.
Dazu gehört aber ebenso eine Stärkung der zivilen europäischen Kooperation. Hier kann und muss Schleswig-Holstein seinen Teil leisten – und das tun wir bereits!
Die Zusammenarbeit Schleswig-Holsteins mit den befreundeten Staaten im Rahmen der Ostseeparlamentarierkonferenzen wäre hier zu nennen.
Der Austausch in diesen Gremien stärkt das Miteinander und es verstärkt die Solidarität der Staaten – und der Menschen – rund um die Ostsee. Wir haben als Vorsitzland das Thema Sicherheitspolitik im Ostseeraum gesetzt.
Damit stärken wir das, was Aggressoren wie Putin ganz besonders fürchten: solidarische, mutige, freiheits- und demokratieliebende und damit auch wehrhafte europäische Bürgerinnen und Bürger.
Und – liebe Kolleginnen und Kollegen,
unser wehrhaftes und freiheitsliebendes Europa hat schon gezeigt, dass uns das Schicksal der Menschen in der Ukraine nicht kalt lässt. Millionen von Ukrainerinnen und Ukrainern aus den Kriegsgebieten haben auch bei uns eine sichere Bleibe gefunden.
Viele Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner helfen dabei, diesen Menschen in unserem Land so etwas wie eine zweite Heimat zu bieten.
Allen, die hier mit großem Einsatz, oft im Ehrenamt, helfen, möchte ich dafür einen besonders großen, herzlichen Dank aussprechen!
Meine Damen und Herren,
wir müssen bei diesem verbrecherischen und zerstörerischen Krieg auch das Ende mitdenken. Und dieses Ende kann und darf nicht sein, dass ein von imperialen Fantasien besessener Aggressor mitten in Europa für einen Zivilisationsbruch belohnt wird.
Vielmehr müssen wir jetzt unserer demokratischen Pflicht nachkommen, unsere Freundinnen und Freunde in der Ukraine zu unterstützen und zur Verteidigung zu befähigen. Danach wird die Ukraine in Zukunft alle Hilfe für einen raschen und grundlegenden Wiederaufbau brauchen.
Schon jetzt gibt es Partnerschaften zwischen deutschen und ukrainischen Städten und auch Schleswig-Holstein steht in Kontakt mit der umkämpften Region Cherson, um schon heute die Grundlage für eine enge Zusammenarbeit in einer friedlichen Zukunft zu legen.
Wir müssen auch bedenken, wie wir künftig unsere Beziehungen mit Russland gestalten. Dabei ist es wichtig, anzuerkennen, dass es bis heute trotz eines erbarmungslosen Überwachungsstaates mit drakonischen Strafen immer noch Menschen in Russland gibt, die den Traum von Freiheit und Demokratie nicht aufgegeben haben. Die Anteilnahme am Tod von Alexej Nawalnyi in vielen russischen Städten hat uns das deutlich gezeigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
eine Gewissheit ist entscheidend: Menschen, die einander kennen, die einander vertrauen, die einander helfen und die gemeinsame Werte und Überzeugungen teilen und in einer freien Gesellschaft leben, die lassen sich von pro-russischer Agitation nicht spalten.
Es ist diese wertvolle Erfahrung, die wir in Europa seit Ende des Zweiten Weltkrieges gemacht haben und die die Grundlage für die Europäische Union war, die mich auch angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine zuversichtlich stimmt, dass die Tage von nationalistischen Aggressoren wie dem russischen Präsidenten gezählt sind.
Vergessen wir in diesem Zusammenhang auch nicht die Wurzeln unserer parlamentarischen Demokratie: diese liegen im Kampf gegen autoritäre, absolutistische Systeme.
Ich danke Ihnen.“