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31. August 2022 – August-Plenum

Günther erläutert schwarz-grüne Pläne und Ziele

Klimaschutz, Energiekosten und soziale Gerechtigkeit in Zeiten der Krise – dies sind für Ministerpräsident Günther die größten Herausforderungen für die schleswig-holsteinische Politik in den kommenden Jahren.

Günther, Daniel CDU Ministerpräsident Plenum
CDU-Ministerpräsident Daniel Günther erläutert dem Parlament in einer Regierungserklärung Ziele und Strategie der schwarz-grünen Koalition. Foto: Michael August

Unter dem Motto „zusammenhalten – zusammen gestalten“ hat Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) heute das Programm seiner schwarz-grünen Koalition im Landtag vorgestellt. „Für viele Menschen mag der Blick in die Zukunft heute ein sorgenvoller Blick sein. Doch ich versichere Ihnen, wir werden alles tun, um auch das gemeinsam durchzustehen“, so der Ministerpräsident in seiner ersten Regierungserklärung zwei Monate nach seiner Wiederwahl als Regierungschef. Die Opposition übte teils scharfe Kritik: CDU und Grüne böten Formelkompromisse statt konkreter Lösungen. SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller warf Günther vor, „keine Orientierung in herausfordernden Zeiten“ zu haben.

Günther nannte Klimaschutz, Energiekosten und soziale Gerechtigkeit in Zeiten der Krise als die größten Herausforderungen für die schleswig-holsteinische Politik in den kommenden Jahren. Dem Land stehe eine „ungewisse kalte Jahreszeit“ bevor, sagte er: „Wir laufen auf eine Gasmangellage zu.“ Der Regierungschef kündigte ein 50-Millionen-Euro-Programm an, um Privathaushalte beim Energiesparen zu unterstützen. Zudem werde es ein Energiesparprogramm für 450 öffentliche Gebäude geben.

Erste „wesentliche Meilensteine“ bis Oktober

„Wir werden als Staat nicht alle Lasten ausgleichen können“, betonte Günther und forderte vom Bund ein weiteres Entlastungspaket. Für die kommende Woche kündigte er ein „Energiespitzengespräch“ mit den Kommunen, der Wirtschaft sowie mit Verbänden und weiteren gesellschaftlichen Gruppen an.

Trotz der aktuellen Lage unterstrich Günther den Plan der Koalition, das Land bis 2040 klimaneutral zu gestalten: „Wir wollen die ersten sein, die das schaffen.“ Der Ausbau der erneuerbaren Energien könne „zum entscheidenden Standortfaktor“ werden. Daneben kündigte er mehr Geld für Personal in den Kitas und erweiterte Ganztagsangebote an. Eine Eigenheimzulage soll Häusle-Bauer unterstützen. Der ÖPNV soll ausgebaut werden, ebenso wie die Fahrradwege und die Ladesäulen für E-Autos. Der Kampf gegen den Fachkräftemangel in Handwerk und Pflege sowie eine rasche Digitalisierung der Verwaltung nannte der Regierungschef als weitere Schwerpunkte. Bis 7. Oktober sollen bereits „wesentliche Meilensteine“ umgesetzt sein, so Günther.

„Fortschrittsopposition gegen schwarz-grüne Gemütlichkeit“

Losse-Müller, Thomas SPD Plenum
SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller kündigt der neuen Landesregierung Gegenwind der Opposition an. Foto: Michael August

Der Ministerpräsident biete den Menschen „keine Orientierung in herausfordernden Zeiten“, kritisierte Oppositionsführer Thomas Losse-Müller (SPD). So habe Schwarz-Grün keine Antworten auf die angespannte Lage am Wohnungsmarkt und auf den Fachkräftemangel. „Wir leben in zwei verschiedenen Ländern“, merkte der SPD-Fraktionschef an: „ein Land, für das Schwarz-Grün Politik macht, und ein Land, das sich Sorgen macht“. Viele Menschen hätten nichts von Zuschüssen für die energetische Sanierung von Eigenheimen oder von der Unterstützung für E-Autos.

Losse-Müller warf der Regierung „soziale Kitt-Folklore“, „Wohlfühl-Populismus“ und „gönnerhafte Almosen“ vor. Bei konkretem Problemen erkläre sich die Koalition hingegen für nicht zuständig, etwa bei Pendlern, die unter den hohen Spritpreisen leiden, oder bei Familien, die ihren Kindern keinen Laptop für die Schule kaufen könnten. Für diese Menschen wolle die SPD Politik machen: „Wir sorgen dafür, dass alle wissen, wie Zusammenhalt funktioniert.“ Gemeinsam mit FDP und SSW werde es eine „Fortschrittsopposition gegen die schwarz-grüne Gemütlichkeit“ geben, kündigte Losse-Müller an.

CDU-Fraktionschef sieht Kriegswinter heraufziehen

Tobias Koch wies einen weiteren von der Opposition erhobenen Vorwurf der Spaltung der Koalition klar zurück. Zugleich forderte er die Bundesregierung auf, Worten Taten folgen zu lassen. „Was wir in Krisenzeiten brauchen, ist ein klarer Kurs und Geschlossenheit“, sagte der CDU-Fraktionschef in Schleswig-Holstein mit Blick auf Berlin. Den Deutschen stehe „der erste Kriegswinter seit Ende des Zweiten Weltkriegs bevor“, fügte er mit Blick auf die Auswirkungen des russischen Angriffkriegs auf die Ukraine an.

Der Ausbau der Energie-Infrastruktur gehe im Land gut voran, erklärte Koch und verwies hier auf den geplanten Flüssiggasterminal in Brunsbüttel. Er versprach unter anderem eine Evaluation und einen Personalergänzungsfonds für Kitas, eine Cyberhundertschaft bei der Polizei, eine verkehrsübergreifende Mobilitäts-App, ein virtuelles Bauamt, ein Wellcome-Center für neue Fachkräfte aus dem Ausland und Programme gegen Kindesmissbrauch. Weiter soll seinen Worten zufolge die Corona-Notlage beendet, die Düngemittelverordnung in den Fokus genommen und Flächenstilllegungen ausgesetzt werden.

Grüne: Geschlossen und fokussiert in schwieriger Zeit

„Diese Regierung startet fokussiert und geschlossen in eine schwierige Zeit“, schloss Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter an. Er stellte den Klimaschutz in den Mittelpunkt. Hier müsse Schleswig-Holstein „Pionierregion“ und damit schneller werden. Daher werde das Thema auch in die Landesverfassung geschrieben. Ziel sei es, bis 2040 „klimaneutrales Industrieland“ zu werden.

Petersdotter äußerte ebenfalls deutliche Kritik an der Politik auf Bundesebene. Während Grüne als Regierungspartei in Berlin in vielen Bereichen „über ihren Schatten“ springen würden, blockiere FDP-Bundesfinanzminister Lindner „alles“. Zudem ziehe sich der Bund aus der finanziellen Verantwortung von Projekten zurück, „die Sprach-Kitas sind nur ein Beispiel von vielen“, so Petersdotter. Für Schleswig-Holstein kündigte er „erste Schritte Richtung Nationalpark Ostsee“ an, ein Landesaufnahmeprogramm für Geflüchtete, einen Landesaktionsplan „Echte Vielfalt 2.0“ sowie einen „Kulturpakt 2030“.

Liberale sehen „Bündnis ohne Esprit“

Die FDP reagierte auf die Regierungserklärung und die Beiträge der Koalitionsfraktionen enttäuscht und sprach von einem „erstaunlich passiven Start“ und einem „Bündnis ohne Esprit“. Das Kabinett sei über Wochen in Krisenzeiten „abgetaucht“ und der Ministerpräsident habe in der Regierungserklärung nur den Koalitionsvertrag wiedergegeben, monierte Fraktionschef Christopher Vogt: „Das ist wie ein Schiff, das keinen Motor mehr hat.“ Auch das Land habe eine große Verantwortung bei der Entlastung der Bürger. „Immer nur auf den Bund zu zeigen, ist ganz dünne Soße“, so Vogt.

Der Liberale sprach sich für Beitragsfreiheit in Kitas als „klares Entlastungssignal an die jungen Familien im Land“, die Stärkung von grünen Wasserstoff, ein Solarkataster für landeseigene Gebäude und gegen die „Aufblähung der Landesregierung“ und die neue Ressourcenzuordnung im Kabinett aus.

SSW: Nicht nur prüfen und Absichten erklären

Ähnlich ernüchtert äußerte sich SSW-Fraktionschef Lars Harms. Man könne über das Programm der Regierungskoalition „eigentlich nur mit dem Kopf schütteln.“ Außer Prüfaufträgen oder Absichtserklärungen zur Fortführung von bestehenden Projekten stehe nicht viel drin. Dabei sei es notwendig, die Bürger jetzt schnell zu entlasten, hob er hervor. In diesem Zusammenhang warnte Harms davor, Kommunalvertretungen zu verkleinern oder kommunale Bürgerbegehren zu beschränken.

Harms verlangte eine Mietpreisbremse, eine Planung für Photovoltaikanlagen in der Fläche, eine „Entlastung bei den Kindertagesstätten-Preisen“, die Fortsetzung des Neun-Euro-Tickets sowie eine festgeregelte Gleichbehandlung von freien und dänischen Schulen. Hier sei es bisher von politischen Mehrheiten abhängig, ob Kosten übernommen werden. Zudem mahnte der SSW-Mann eine Reform im Planungsrecht an, auch um Klimaschutzmaßnahmen schneller vorantreiben zu können.

Der im Juni wiedergewählte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) wird zum Auftakt der August-Tagung seine von der Opposition sehnlichst erwartete Regierungserklärung zur Regierungsbildung und zu den Auswirkungen des Koalitionsvertrags von CDU und Grünen halten. Die Fraktionen von SPD, FDP und SSW hatten im Juni das Ausbleiben der Regierungserklärung kritisiert und per Aktueller Stunde auf die Tagesordnung gesetzt.

Dort sprach die stellvertretende Ministerpräsidentin Monika Heinold (Grüne); Günther war am Tag der Aussprache erkrankt. Während Heinold darauf verwiesen hatte, dass das „Arbeitsprogramm“ der neuen schwarz-grünen Regierung in einer Klausursitzung auf Basis des Koalitionsvertrags in der sitzungsfreien Sommerzeit aufgestellt werden würde, sprach SPD-Fraktionschef und Oppositionsführer Thomas Losse-Müller von mangelndem Respekt gegenüber dem Parlament und den Wählern.

Die neue schwarz-grüne Regierung

Daniel Günther war am 29. Juni vom Schleswig-Holsteinischen Landesparlament zum zweiten Mal zum Ministerpräsidenten des Landes gewählt worden. Der 48-jährige CDU-Politiker erhielt 47 Stimmen der 66 anwesenden Abgeordneten. 15 Abgeordnete stimmten gegen Günther, vier enthielten sich. Bei der Abstimmung fehlte aber ein CDU-Abgeordneter. Günther regiert mit einem Bündnis aus CDU und Grünen, das über 48 der insgesamt 69 Sitze im Landtag verfügt.

Bei den Koalitionsverhandlungen wurde vereinbart, dass bei dem Zuschnitt der Ministerien die Zuständigkeiten für Umwelt und Landwirtschaft nach langem wieder getrennt werden. Es gibt in dieser 20. Wahlperiode statt sieben nunmehr acht Fachressorts: Davon entfallen Justiz/Gesundheit, Bildung/Wissenschaft, Inneres, Wirtschaft und Landwirtschaft auf die CDU sowie Umwelt/Energie, Finanzen und Soziales auf die Grünen. Staatskanzleichef Dirk Schrödter (CDU/43) ist zuständig für die Digitalisierung und bekommt Ministerrang.

Bei der Union sind Karin Prien (Bildung) und Sabine Sütterlin-Waack (Inneres) wie in der 19. Wahlperiode im Amt, das Wirtschaftsressort übernahm der bisherige Rostocker Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen (parteilos). Das Landwirtschaftsministerium wurde mit Werner Schwarz (CDU/62), bisher Präsident des Landesbauernverbandes, und das neu geschnittene Ministerium für Justiz und Gesundheit mit Kerstin von der Decken (CDU/53), Professorin für Öffentliches Recht, besetzt. Für die Grünen behielt Monika Heinold (63) ihr Finanzministerium, Aminata Touré (26) leitet die Geschicke der Sozialpolitik des Landes und Umweltstaatssekretär Tobias Goldschmidt (40) übernahm den Chefsessel des Ministeriums Umwelt/Energie.

Der Koalitionsvertrag

Laut dem ausgehandelten Koalitionsvertrag wollen CDU und Grüne in Schleswig-Holstein bis 2040 Klimaneutralität für das Land erreichen, die erneuerbaren Energien samt Windkraft an Land weiter ausbauen sowie Planungs- und Genehmigungsverfahren erheblich beschleunigen. Dies gehört neben einer Stärkung der inneren Sicherheit zu den Kernzielen, auf die sich beide Parteien in ihren Verhandlungen im Juni verständigt haben.

„Uns verbindet der Anspruch, die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft gemeinsam zu lösen. Wir sind bereit, dafür neue Wege zu gehen“, heißt es in der Präambel zum 244seitigen Koalitionsvertrag. Dieser steht unter dem Motto „Ideen verbinden ‒ Chancen nutzen ‒ Schleswig-Holstein gestalten“.

Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien an Land soll kräftig steigen, für Neubauten von Häusern soll ab 2025 eine Solarpflicht für Dächer greifen. Eine befristete Erweiterung der Öl-Fördermengen in der Nordsee könne zur Energieunabhängigkeit Deutschlands beitragen. Bis 2038 soll die Förderung von Kohlenwasserstoffen insgesamt beendet werden. Der Atomausstieg soll konsequent umgesetzt werden. Weiter ist vorgesehen, den Anteil an ökologisch wirtschaftenden Betrieben ‒ derzeit sechs bis sieben Prozent ‒ zu verdoppeln.

CDU und Grüne bekennen sich dazu, dass die A20 wie im aktuellen Bundesverkehrswegeplan verankert auf der geplanten Trasse gebaut wird. Die Kitas sollen mehr Plätze und Fachkräfte bekommen; für Familien ist zum Ersterwerb einer Immobilie eine Eigenheimzulage geplant. An den Schulen werde es erweiterte Ganztagsangebote geben, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Informatik werde flächendeckend Pflichtfach an den weiterführenden Schulen.

An Kriminalitätsschwerpunkten und „Angsträumen“ soll die Videoüberwachung verstärkt werden. Der Verfassungsschutz soll in Ausnahmefällen zur Abwehr einer dringenden Gefahr „die Möglichkeit zur technischen Datenerhebung in oder aus Wohnungen“ bekommen. Der Einsatz von Bodycams soll auch in Wohnungen ermöglicht werden. Die Abschiebehafteinrichtung in Glückstadt bleibt.

Stichwort: Regierungserklärung:
Der Ministerpräsident und die Mitglieder der Landesregierung haben die Möglichkeit, während einer Plenarsitzung des Landtages eine Regierungserklärung, das heißt, eine Stellungnahme zu einem aktuellen politischen Thema, abzugeben. Traditionell stellt ein frisch gewählter Regierungschef zum Beginn einer Wahlperiode sein Regierungsprogramm in einer ausführlichen Regierungserklärung vor.

(Stand: 29. August 2022)

Vorherige Debatte zum Thema:
Juni 2022

Regierungserklärung

„Zusammenhalten – zusammen gestalten“
Bekanntmachung der Landtagspräsidentin – Drucksache 20/175