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25. November 2022 – November-Plenum

Landtag reagiert auf Gewalt gegen Frauen

Häusliche Gewalt ist in Schleswig-Holstein noch immer an der Tagesordnung. Nun soll ein Kompetenzzentrum aufgebaut und dem Thema noch mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Raudies, Beate SPD Plenum
Beate Raudies (SPD): „Sieben! Sieben Frauen sind in Schleswig-Holstein im Jahr 2022 bisher getötet worden. “ Foto: Michael August

Mit klaren Worten hat der Landtag Gewalt gegen Frauen und Mädchen geächtet. „Ich bin es leid, dass die notwendige Ernsthaftigkeit beim dem Thema fehlt“, machte Gleichstellungsministerin Aminata Touré (Grüne) ihrem Ärger Luft. Sie forderte einen „Paradigmenwechsel“ hin zu mehr Aufmerksamkeit und Prävention. Am „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ verabschiedete das Plenum einstimmig zwei fraktionsübergreifende Anträge. Frauenfacheinrichtungen sollen gestärkt und ein Kompetenzzentrum zu dem Thema eingerichtet werden.  

Laut der Ministerin wurden im vergangenen Jahr im Land 3899 Frauen Opfer partnerschaftlicher Gewalt. Fast 1000 Frauen hätten Zuflucht in entsprechenden Einrichtungen gesucht. Wenn die Frauenhäuser in Nordfriesland und Schleswig-Flensburg fertig sind, gebe es zwischen Nord- und Ostsee 386 Schutz-Plätze.

SPD: Sieben Todesopfer in 2022

Beate Raudies (SPD) erinnerte daran, dass an jedem dritten Tag eine Frau in Deutschland von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet werden. Sieben seien es in 2022 alleine in Schleswig-Holstein. Das sei „unfassbar, unerträglich und nicht hinzunehmen“. Der Europarat habe Deutschland zuletzt schlechte Noten beim Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt bescheinigt, bemängelte Raudiesund plädierte dafür, auch schutzsuchende Frauen aus dem Iran aufzunehmen.

Fraktionsübergreifende Zustimmung gab es für die Einrichtung eines Kompetenzzentrums. Dieses soll vorhandene und neue Angebote unter einem Dach vernetzen und mehr Öffentlichkeitsarbeit machen. Ziel sei es, „die Sicherheit und Prävention landesweit noch besser zu bündeln, Gewalt früher zu erkennen und zu verhindern und besseren Schutz zu gewähren“, erklärte Aminata Touré.

Istanbul-Konvention achten

Nies Catharina Grüne Plenum
Catharina Nies: „Wir werden der Ursachenbekämpfung von Gewalt einen neuen Stellenwert geben“ Foto: Michael August

Auch Katja Rathje-Hoffmann (CDU) warb für diese Einrichtung, die gemeinsam mit verschiedenen Expertinnen und Experten betrieben werden soll. Dunkelfeldstudien nach hätten in Schleswig-Holstein in den vergangenen zwölf Monaten 12.180 Frauen sexualisierte und 36.640 Frauen häusliche Gewalt ertragen müssen, erklärte sie: „Mit schlimmen körperlichen und seelischen Folgen und mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen, wie zum Beispiel Arbeitsunfähigkeit und fehlende Unterhaltszahlungen.“

„Wir werden der Ursachenbekämpfung von Gewalt einen neuen Stellenwert geben“, schloss Catharina Johanna Nies (Grüne) an und fragte, warum man dieses gesellschaftliche Problem nicht in den Griff bekomme. Die Umsetzung der Istanbul-Konvention bilde „eines der zentralen Ziele“. Auch Annabel Krämer (FDP) ging darauf ein. Sie erklärte, im Durchschnitt brauche eine Frau sieben Jahre bis sie sich „aus einem Martyrium befreit“. Am 1. Februar dieses Jahres ist in Deutschland das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention, in Kraft getreten. Damit verpflichtet sich Deutschland auf allen staatlichen Ebenen alles dafür zu tun, dass Gewalt gegen Frauen bekämpft, Betroffenen Schutz und Unterstützung geboten und Gewalt verhindert wird.

Noch immer werden Frauen abgelehnt

Jette Waldinger-Thiering (SSW) betonte, die Aufgabe, Frauen und Kinder vor Gewalt zu schützen, sei durch Corona „aktueller denn je“. Diese Situation dürfe nicht weiter hingenommen werden. Sie warnte davor, zugunsten des Kompetenzzentrums auf die Unterstützung bestehender Strukturen zu verzichten. „Denn unsere Frauenhäuser und Beratungsstellen müssen nicht nur erhalten, sondern weiter ausgebaut werden“, so Waldinger-Thiering.

Bedauern herrschte fraktionsgreifend darüber, dass noch immer jeden Tag Frauen in Frauenhäusern in Schleswig-Holstein abgelehnt werden müssten, weil diese überlastet sind. Hier müssten weitere Plätze geschaffen werden, so der einhellige Tenor. 

Am Tag der Internationalen Gewalt sind erneut die Frauenhäuser Thema im Landtag. Die SPD reicht dabei einen identischen Antrag wie im September 2021 ein mit der Kernforderung, mehr Plätze in Frauenhäusern zu schaffen. Damals wurde der Vorstoß von der Jamaika-Koalition und der AfD abgelehnt. Dieses Mal wird ein Antrag der regierungstragenden Fraktionen mitdiskutiert. Um Gewalt gegen Frauen strukturell zu bekämpfen, fordern CDU und Grüne ein „Kompetenzzentrum gegen geschlechtsspezifische Gewalt“. Einig sind sich SPD, CDU und Grüne, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag sich gegen jegliche Gewalt gegenüber Frauen bekennt und die Istanbul-Konvention konsequent umsetzt.

Die Sozialdemokraten listen erneut in sieben Stichpunkten auf, wie aus ihrer Sicht „das Angebot für hilfebedürftige Frauen und deren Kinder flächendeckend und bedarfsgerecht“ ausgestaltet werden solle. So fordern die Sozialdemokraten, dass die Miet- und Betriebskosten der Frauenhäuser „vollumfänglich“ vom Land übernommen werden und die Zahl der Frauenhausplätze nach den Empfehlungen einer Bedarfsanalyse ausgebaut wird. Notwendig sei auch ein Ausbau der Frauenberatungsstellen, vor allem auf dem Land. Weitere Forderungen nennt die SPD zu Personalschlüssel, Präventionsarbeit und „inklusiveren Zugangsmöglichkeiten“.

16 Frauenhäuser mit 362 Betten

Nach Angaben des Gleichstellungsministeriums gibt es im Norden derzeit 16 Frauenhäuser mit insgesamt 362 Frauenhausplätzen, die vom Ministerium gefördert werden. Außerdem hat das Land 24 weitere Schutzplätze in den Kreisen Nordfriesland und Schleswig-Flensburg (zwölf je Kreis) bewilligt. Die neuen Frauenhäuser hierfür sind derzeit in Planung. Weitere 29 Plätze stehen auf Eigeninitiative von Kreisen und Städten bereit. Seit dem laufenden Jahr stehen rund 8,2 Millionen Euro für Frauenfacheinrichtungen bereit, die in dem kommenden Jahr jeweils um 2,5 Prozent erhöht werden sollen.

Am 1. Februar dieses Jahres ist in Deutschland das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention, in Kraft getreten. Damit verpflichtet sich Deutschland auf allen staatlichen Ebenen alles dafür zu tun, dass Gewalt gegen Frauen bekämpft, Betroffenen Schutz und Unterstützung geboten und Gewalt verhindert wird. Die insgesamt 81 Artikel betreffen die Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, den Schutz der Opfer und die Bestrafung der Personen, die gewalttätig werden. Zugleich werden die Gleichstellung von Mann und Frau und das Recht von Frauen auf ein gewaltfreies Leben gestärkt. Um die Istanbul-Konvention ratifizieren zu können, mussten die Regelungen der Konvention vollständig in nationales Recht umgesetzt werden.

(Stand: 21. November 2022)

Vorherige Debatte zum Thema:
September 2021

Antrag

Stärkung der Frauenfacheinrichtungen in Schleswig-Holstein weiter vorantreiben
Antrag der SPD-Fraktion ‒ Drucksache 20/382 (Der Antrag wurde zurückgezogen
Alternativantrag der Fraktionen von CDU, Grünen, SPD, FDP und SSW ‒ Drucksache 20/451 (neu)

Antrag

Frauen schützen – Kompetenzzentrum gegen geschlechtsspezifische Gewalt
Antrag der Fraktionen von CDU, Grünen, SPD, FDP und SSW ‒ Drucksache 20/408 (neu)